Chilling Adventures of Sabrina (Teil 1)
Gute Hexen helfen Menschen. Böse Hexen verfluchen Menschen und essen sie auch schon mal. Doch wenn sich Hexen per se dem Teufel verschreiben und der ein Menschenopfer fordert, kann eine Hexe überhaupt gut sein? In der Netflix-Serie Chilling Adventures of Sabrina muss Protagonistin Sabrina Spellman diesen Fragen nachgehen. Sie will ihre Zauberkräfte nutzen, aber keine Braut Satans werden. Eine Comicfigur aus den 60ern wird hier neu erfunden und muss gleich gegen ihre Wurzeln rebellieren. Wem das Teen-Drama aus Riverdale nicht blutig genug ist, der kriegt hier eine andere Seite der Welt von Archie zu sehen.
Sabrina Spellman (Kiernan Shipka, Mad Men) wird in ein paar Tagen 16 Jahre alt. Das ist ein besonderes Ereignis, denn dann soll sie ihre dunkle Taufe erhalten und sich ins Buch des Biestes eintragen. Sabrina ist nämlich eine Hexe. Die Kirche der Nacht ist ein aktiver Hexenzirkel in der Kleinstadt Greendale und pflegt eine Menge religiöser Traditionen. Aber je näher der Moment rückt, ihr magisches Erbe anzutreten und ihre vollen Kräfte zu erhalten, desto mehr stellt Sabrina die Situation in Frage. Tatsächlich ist sie nämlich halb Hexe, halb Mensch. Gegen jede Regel hat sich ihr Vater Edward – damals Hohepriester und mächtiger Hexer – mit der Sterblichen Diana eingelassen. Beide kamen kurz nach Sabrinas Geburt bei einem tragischen Flugzeugunglück ums Leben und Edwards Schwestern Zelda (Miranda Otto, Der Herr der Ringe) und Hilda (Lucy Davis, Wonder Woman) nahmen Sabrina zu sich. Sie erlaubten Sabrina bisher ein normal menschliches Leben samt Besuch der örtlichen High School. Jetzt muss sich Sabrina jedoch von ihren Freunden verabschieden und soll die Hexenakademie besuchen. Der Welt der Sterblichen den Rücken zu kehren ist aber gar nicht so einfach, vor allem wenn Liebe im Spiel ist. Satan indes ist nicht bereit, Sabrina so einfach aufzugeben und der Dunkle Lord hat seine fleißigen Helfer überall. Greendale stehen apokalyptisch schwere Zeiten bevor.
Neue Interpretation eines Archie Comics Klassikers
Manch einer erinnert sich noch an die 90er Jahre Serie Sabrina – Total verhext, in der Melissa Joan Hart die Teeniehexe spielt und sich durch lustige Missverständnisse zaubert. Bunt, witzig und selbst ernste Implikationen über das Leben als Hexe wurden mit Spaß aufbereitet. Wer darauf Lust hat, sollte sich die DVD-Box kaufen und in Erinnerungen schwelgen. Chilling Adventures of Sabrina ist ein komplett anderes Kaliber. Die Figur Sabrina Spellman wurde bereits 1962 als Teil der Archie Comics erfunden. Diese haben in den letzten Jahren einige Neuerungen durchgemacht, um moderner zu wirken. Unter anderem gab es die eigenständige Zombiegeschichte Afterlife with Archie von Roberto Aguirre-Sacasa. Die kam so gut an, dass es mittlerweile ein Imprint namens Archie Horror gibt. Da werden bekannte Figuren mit prominenten Monstergeschichten gepaart. Weil Sabrina sowieso eine Hexe ist, bietet sie sich bestens dafür an und so entstand der Comic Chilling Adventures of Sabrina, der nun verfeinert eine Adaption als Netflix-Serie besitzt. Aguirre-Sacasa ist Showrunner, Schreiber und Produzent, wie schon bei der Archie-Serie Riverdale. Obwohl Riverdale und Greendale Nachbarstädte sind, die in beiden Serien erwähnt werden, ist es bisher nicht geplant die Geschichten zusammenzuführen. Das ist auch gut, denn die Zielgruppen von Riverdale und Chilling Adventures of Sabrina überlappen sich zwar, sind aber nicht gleich.
Achtung: Wohlverdiente FSK 16
Originaltitel | Chilling Adventures of Sabrina |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Episoden | 10 (in Staffel 1 Teil 1) |
Genre | Fantasy, Horror |
Cast | Sabrina Spellman: Kiernan Shipka Zelda Spellman: Miranda Otto Hilda Spellman: Lucy Davis Ambrose Spellman: Chance Perdomo Harvey Kinkle: Ross Lynch Mary Wardwell: Michelle Gomez Faustus Blackwood: Richard Coyle Prudence Night: Tati Gabrielle Rosalind Walker: Jaz Sinclair Susie Putnam: Lachlan Watson |
Eines der bekanntesten Märchen mit Hexe ist sicherlich Hänsel & Gretel. Knuspriges Menschenfleisch steht bei der Kirche der Nacht durchaus als Option auf dem Ernährungsplan. Tante Zelda macht recht früh eine beiläufige Bemerkung, wie lange sie schon keines mehr hatte, und in mehreren Folgen ist Kannibalismus dann plötzlich Thema. Das kommt etwas unerwartet für diejenigen, die noch an die kesse Sabrina von früher denken. Keine Angst, Sabrina selbst hält sich zurück, da kommt ihre sterbliche Seite zum Vorschein. Aber vor Mord an sich macht sie nicht generell Halt. Dafür gibt es ja schließlich Nekromantik. Leute töten und sie wieder zum Leben zu erwecken klingt doch nach einer tollen Möglichkeit, anderen eine Lektion zu erteilen. Chilling Adventures of Sabrina gleitet da schon schnell ins Makabre, wenn Zelda sich von Hilda genervt fühlt und ihr eins mit der Schaufel verpasst. Im Garten der Spellmans gibt es eine Stelle, die mit Erde aufgefüllt ist, auf der einst Kain Abel erschlug. Wenn eine Hexe dort begraben wird, kann sie wieder auferstehen. Und das muss Hilda dann schon mal. Die Spellmans sind keine Bilderbuchfamilie. Zumindest keine kinderfreundliche. Es fließt auch schon mal ordentlich Blut und ein Exorzismus ist nie schön anzusehen. Leuten, die mit einem Anflug von grafischem Horror nichts anfangen können, ist doch eher von der Serie abzuraten.
60er Jahre Optik
Direkt zu Beginn der Serie wird extra erwähnt, dass wir uns in der Gegenwart befinden. Das muss betont werden, denn trotz eines Laptops und der Erwähnung einiger moderner Dinge ist das Ambiente in romantische 60er Jahre Nostalgie verpackt. Kleidung, Autos und die Einrichtung der Häuser entsprechen keinem gegenwärtigen Standard. Die Figuren sind hingegen klar von heutiger Moral und Gerechtigkeitsempfinden geprägt. Auf Handys wird allerdings verzichtet und es kommen gar altmodische Wählscheibentelefone zum Einsatz. Mit diesem Retro Chic wird eine ganz bestimmte Atmosphäre geschaffen, die von den vorherrschenden Lichtverhältnissen mit viel Orange und tiefen Schatten unterstützt wird. In Greendale herrscht angeblich immer eine zwielichtige Halloween Stimmung. Da der 31. Oktober Sabrinas Geburtstag ist, spielt die Serie zunächst tatsächlich rund um Halloween und bringt mit herbstlichen Nebelschwaden einen Hauch optischen Grusel mit.
Die Welt der Hexen
Das Städtchen Greendale ist eigentlich kein guter Ort für Hexen, denn zu Zeiten der Hexenjagden wurden auch hier Frauen aufgehängt. Es waren insgesamt dreizehn. Allerdings wurde das eher unter den Teppich gekehrt und nicht so publik gemacht wie in Salem. Auf diese Art konnte der Zirkel (einer von vielen auf der Welt) seinen Ritualen nachgehen und sich weiter vermehren. Hier ist die Serie ein wenig unklar, denn wenn sich angeblich die ganze Kirche der Nacht trifft, ist das eine eher überschaubare Anzahl an Mitgliedern. Es ist etwas verwunderlich, wie viele dabei sind, die noch unterrichtet werden. In diese Welt soll Sabrina nun voll einsteigen, indem sie sich mit einer Unterschrift an Satan höchst selbst bindet. Das ist üblich und die eigene Macht wird dadurch verstärkt, dass niemand zu sehr hinterfragt, wo denn der angeblich freie Wille bleibt, den der Zirkel verspricht. Wenn der Dunkle Lord etwas befiehlt, ist ihm schließlich zu gehorchen. Und Gehorsam ist die eine Sache, mit der Sabrina sich prinzipiell schwer tut. In Chilling Adventures of Sabrina hat diese Art des Ungehorsams – mit den Grenzen, die sie auslotet, und Verboten, die sie missachtet – ernste Konsequenzen. Nicht so niedlich übertriebenes Drama, wie Bibi Blocksberg es herauf beschwört. Auf keinen Fall will sie anderen schaden, aber der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert (passender im Englischen, da sind es good intentions, die guten Absichten).
Die Welt der Sterblichen
Sabrinas Leben als normal-sterbliche Schülerin der Baxter High nimmt den kleineren Teil der Serie ein, ist aber natürlich immens wichtig, da hier der Grund für ihre Rebellion liegt. Warum sollen Hexen der Menschenwelt bloß so gänzlich abschwören? Sie hat gute Freunde, mit denen sie Zeit verbringen will. Lernen, Filme schauen, verliebt sein. Da sie selbst grade erst 16 Jahre alt wird, ist das Konzept, hunderte von Jahren zu leben und irgendwann nicht mehr sichtlich zu altern, noch nicht bei ihr verankert. Und wenn sie als Hexe sogar schon vor ihrer Taufe eine große Macht besitzt, muss sie diese doch nutzen, um ihren Freunden zu helfen, wenn diese beispielsweise von anderen gemobbt werden. Gleichzeitig ist es für Sabrina ein wenig bedrückend, dass sie weder ihrem geliebten Harvey noch ihren zwei besten Freundinnen Rosalind und Susie die volle Wahrheit über sich erzählen kann. Wobei sich herausstellt, dass deren Familien Kinkle, Walker und Putnam in der Geschichte Greendales schon Bekanntschaft mit dem Okkulten gemacht haben. Die Schicksalsfäden der Freunde sind verwoben.
Überzeugende Darsteller für Charaktere, die komplexer sind als es scheint
Hauptdarstellerin Kiernan Shipka liefert eine wirklich gute Leistung ab. Sabrina ist gutherzig und ungestüm. Da ist ein Leichtsinn im Spiel, der ihrer jugendlichen Naivität geschuldet ist. Wenn alle Erwachsenen ihr von etwas abraten, vertraut sie nur auf ihren eigenen Bauch und muss bittere Lektionen lernen. Die Beziehung zu ihren Tanten wird durch das Drehbuch schnell greifbar und die Chemie unter den Schauspielern stimmt einfach. Zelda ist streng, wo Hilda Milde walten lässt, aber beide sind im Grunde ihres Herzens doch auf Sabrinas Seite. Miranda Otto gibt eine fabelhaft komplexe Zelda zum Besten. Sie wirkt äußerlich immer kontrolliert und preist Satan, wo sie nur kann. Als Hexe geht sie in ihrer Rolle vollkommen auf und würde ein Kind als Braten servieren. Dass der Name Spellman in Ungnade fällt, ist für sie die Höchststrafe. Und dennoch bekommt diese Fassade Risse. Der Jackpot beim Casting heißt aber klar Michelle Gomez. Zuletzt vergrößerte sie ihren Fankreis als Missy bei Doctor Who und darf hier nun gleich für den ersten Mord sorgen. Sie nimmt die Rolle der Lehrerin Mary Wardwell ein, aber der Zuschauer weiß, dass sie für den Teufel dran arbeitet, Sabrina auf den (un)rechten Pfad zu führen. Jede Szene mit ihr ist eine Wonne, da Gomez es versteht, Theatralik mit einer autoritären Aura zu verbinden. Es gibt bei den Figuren, sowohl bei Hexen als auch den Sterblichen, eine Menge interessanter Ecken und Kanten zu entdecken.
Ich muss zugeben, dass ich mir schon eine leichtherzige nette Hexen-Sitcom wünsche. Chilling Adventures of Sabrina ist nicht unbedingt die Interpretation der Figur, die ich haben wollte. Aber die zehn Stunden sind sehr schnell dahin geflogen und jetzt will ich gern den Rest sehen. Staffel 1 und 2 wurden sowieso direkt zusammen gedreht und Netflix spricht da auch von “Teil” statt Staffel. Das vorläufige Ende ist aber wunderbar gewählt und entlässt den Zuschauer auf einem emotional-dramatischen Höhepunkt, ohne nur ein billiger Cliffhanger zu sein. Eine wichtige Frage ist natürlich, was denn jetzt mit Kater Salem ist. Kultfigur in den 90ern, die noch immer gern zitiert wird. Leider ist Salem jetzt nur ein Begleiter (familiar), aber die Art und Weise, wie er und Sabrina zueinander finden, ist gelungen und er ist ein sehr nützlicher Beschützer. Ich mag Sabrinas Cousin Ambrose, der schon seit über 70 Jahren unter Hausarrest steht, weil er mal den Vatikan ausrauben wollte (verständliches Vorhaben). Und noch besser ist, dass mit Prudence Night auf der Hexenakademie die typische Oberbitch herumrennt, die Sabrina das Leben schwer macht, dabei allerdings längst einen schimmernden Goldfleck auf dem Herzen hat. Es ist zudem wahnsinnig interessant, darüber nachzudenken, wie wichtig die katholischen Ursprünge für diese Form des Hexenglaubens/Satanismus sind. Und obwohl betont wird, wie wichtig es hier für Frauen ist, Macht zu haben, werden sie im Grunde eben doch klein gehalten. Dafür ist Sabrina eine Gefahr und es würde mir sehr gefallen, wenn dieser Weg im weiteren Verlauf konsequent beschritten wird. Da schwankt die Serie ein wenig für mich. Nur seichte Gruselunterhaltung oder auch kritische Selbstfindung. In jedem Fall hat Chilling Adventures of Sabrina meine Aufmerksamkeit von Anfang an bekommen, als der Song „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival erklang (Erinnerungen an American Werewolf wurden wach). Der Soundtrack spricht mich an. Blondies „Atomic“, „Be My Baby“ der Ronettes, „Criminal“ von Fiona Apple oder verschiedene Versionen von „Dream A Little Dream Of Me“ (wenn ein Traumdämon umgeht) sind dabei. Audiovisuell kann ich an der Serie nichts bemängeln.
Im dritten Anlauf habe ich es geschafft, die Serie zu beenden. Mit meinen Freunden habe ich das ebenfalls schon versucht, aber bei denen ist Kiernan Shipka durchgefallen. Auch ich finde sie gewöhnungsbedürftig, wenngleich ich schwer begründen kann, woran das liegt. Es dauerte auch seine Zeit bis ich mit Sabrina sympathisieren konnte. Ebenso nahm es Zeit in Anspruch, um die Serie als Erwachsenenserie anzuerkennen. Die ersten beiden Folgen wirken da noch wannabe-gritty, später wird das schon etwas glaubhafter. Und erst als die drei Schwestern mehr Screentime bekommen, konnte ich Interesse aufbauen. Bis Folge 7 circa zieht sich die Serie auch etwas, sobald es um den Wiederbelebungszauber (und dessen Konsequenzen) geht, wird die Serie zunehmend spannender. Nach längerem Abwegen werde ich die Serie weiterhin verfolgen, aber ein Fan bin ich bislang nicht geworden.
Ich stimme absolut zu, Sabrina Spellman ist keine direkte super nette Sympathieträgerin. Weil sie einfach immer wieder und wieder Dummheiten begeht. Aber ich muss sagen, dass ich sie genau deswegen mag. Weil vor allem Mädchenfiguren das so selten dürfen. Sie können totale Biester sein (aber die HBIC Rolle hat hier ja die anbetungswürdige Prudence) oder eben möglichst lieb, und dann passiert was dummes. Aber Sabrina ist einfach ziemlich egoistisch. Aber kein schlechter Mensch… keine schlechte Hexe. Es ist ja nicht ihre Motivation die schlimm ist. Im Grunde ist sie das perfekte Beispiel, warum es vermutlich am besten ist, dass die Welten der Sterblichen und Hexen sich nicht kreuzen. Menschliche Probleme mit Magie zu lösen hat Konsequenzen. Magie als Handwerkskunst in der Hexenwelt ist dagegen vollkommen natürlich (aber da werden auch nicht ständig große Zauber genutzt).
Dass die meisten Folgen eine in sich geschlossene Handlung haben, während der Hauptstrang weiterläuft, sagt mir persönlich immens zu. Ich merke nämlich, dass ich bei den meisten Netflix Serien – so gut ich sie auch finde – kaum Lust verspüre noch mal eine Folge zu gucken. Man muss irgendwie alles-oder-nichts nehmen. Das ist mir zu anstrengend. Und die Folgen fließen im Hirn dann auch irgendwann zusammen. Wenn ich in der Küche was zu tun habe, läuft immer der Fernseher. Und da suche ich mir die drölftigste Wiederholung mir bekannter Serien und denke dann oft “oh ja, die Folge ist gut, gucke ich jetzt”. Ist bei zu vielen Serien heute nicht so leicht, weil man noch nachdenken muss, wofür die ganzen Nebenszenen nötig sind, die einen größeren Plot tragen.