Carnival Row (Staffel 2)
Die zweite Staffel von Amazon Prime Videos Carnival Row geht genauso düster weiter wie die erste Staffel 2019 endete und natürlich wird der Stadtstaat die „Burgue“ abermals von einer mysteriösen als auch brutalen Mordserie heimgesucht. Das ruft den in Ungnade gefallenen Ex-Ermittler Rycroft Philostrate (Orlando Bloom, Herr der Ringe) auf den Plan. Gleichzeitig sorgen Hass, Misstrauen und Rassismus der Menschen gegen die in das namensgebende Stadtviertel „Carnival Row“ eingesperrten „Kräher“ für noch tiefere Spaltung in der „Burgue“. Seit dem 17. März 2023 liegt die Staffel komplett auf dem Streamingdienst vor.
Nachdem der Kanzler vermeintlich von Fantasiewesen, die aufgrund von Krieg und Verfolgung aus ihrer eigenen Heimat flohen und Zuflucht in der „Burgue“ suchten, ermordet wurde, herrscht nun eine Politik der Unterdrückung und sozialer Ausgrenzung gegenüber all jene, die als sog. „Kräher“ beschimpft werden. Der neue Kanzler Jonah Breakspear (Arty Froushan, House of the Dragon) führt den harten Kurs und wird dabei vermeintlich von Sophie Longerbane (Caroline Ford, Nekrotronic) in seinem Handeln unterstützt. Die schlechten Lebensbedingungen im Viertel „Carnival Row“ sorgen derweil dafür, dass die dort eingesperrten Bewohner unter unwürdigen Lebensbedingungen hausen müssen. Tod durch Hunger und Krankheit stehen an der Tagesordnung – ein Zustand, den die Untergrundorganisation genannt die „Schwarzen Raben“, angeführt von Vignette Stonemoss (Cara Delevingne, London Fields), nicht auf sich sitzen lassen kann und die privilegierten Menschen insbesondere für Medikamente überfällt. Als auch noch eine brutale Mordserie die „Burgue“ erschüttert, sorgt das noch für weitere Spaltung, Hetze und offen ausgelebten Rassismus. Da hilft es auch nicht, dass Runyan Millworthy (Simon McBurney, Conjuring 2) versucht zu vermitteln. Zudem kämpft Rycroft Philstrate (Orlando Bloom) damit halb Mensch halb Fanasiewesen zu sein, seiner Beziehung zu Vignette und damit die Mordserie aufzudecken, während es das ungleiche Paar Imogen Spurnrose (Tamzin Merchant, Running Naked) sowie Agreus Astrayon (David Gyasi, Maleficent: Mächte der Finsternis) übers Meer führt, um ihre Liebe endlich offen und frei ausleben zu können.
Carnival Row – ein Spiegel der Gesellschaft
Originaltitel | Carnival Row |
Jahr | 2023 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 2 |
Genre | Fantasy |
Cast | Rycroft Philostrate: Orlando Bloom Vignette Stonemoss: Cara Delevinge Runyan Millworthy: Simon McBurney Imogen Spurnrose: Tamzin Merchant Agreus Astrayon: David Gyasi Ezra Spurnrose: Andrew Gower Tourmaline Larou: Karla Crome Jonah Breakspear: Arty Froushan Sergeant Dombey: Jamie Harris Sophie Longerbane: Caroline Ford |
Veröffentlichung: 17. März 2023 |
Carnival Row zeigt anhand des Stadtstaats „Die Burgue“ auf fantasievolle Weise aktuelle gesellschaftlich relevante Themen und die damit verbundene Komplexität auf. Das Thema Flüchtlinge ist genauso präsent wie die Frage, wie zwei komplett unterschiedliche Welten miteinander zu vereinen sind. Gemeint sind damit natürlich die Welt der Menschen, in ihren schicken Häusern, Straßen und hübschen Kleidungsstücken sowie die Welt der geflohenen Fantasiewesen, die Tod und Verfolgung entkamen und nun ärmlich in Dreck und schmutzigen, kaputten Häusern hausen. Die Furcht und der Hass vor dem „Andersartigem“ wird hier sehr deutlich herausgearbeitet. Gerade das in der zweite Staffel abgeriegelte Viertel, das nun die soziale und gesellschaftliche Trennung in eine wirklich handfeste Spaltung zwischen Mensch und Fantasiewesen verwandelt, zeigt auf brutale Weise eine Parallele zum Dritten Reich auf. Mit Sergeant Dombey (Jamie Harris, West Side Story) existiert auch ein Beispiel für Rassismus innerhalb der Polizei. Die Showrunner Travis Beacham und René Echevarria schrecken daher nicht davor zurück, Polizeigewalt, öffentliche Hinrichtungen zur Abschreckung und Schauprozesse gegen diese Fantasiewesen zu zeigen. Doch selbst in der Gesellschaftsstruktur der Menschen ist nicht alles rosig. Frauen haben nicht viel zu melden, wie insbesondere Imogen Spurnrose in einem wütenden Ausbruch feststellt. Frauen dürfen nur hübsch aussehen, lächeln und am besten gar nichts sagen. Auch herrscht ein starker sozialer Druck. Immerhin muss doch der gute Schein gewahrt werden. Mit Imogen Spurnrose oder auch Sophie Longerbane präsentiert Carnival Row zwei starke Frauen, die auf unterschiedliche Art versuchen etwas an dieser Struktur zu ändern oder auch ihr zu entgehen: Sophie mit Intrigen auf dem politischen Schlachtfeld und Imogen, die durchbrennt, um endlich frei von allen Zwängen zu sein.
Kino auf innen- und außenpolitischer Ebene
Gerade auf der politischen Ebene gibt sich Carnival Row Mühe: Mit dem Parlament, bestehend aus Opposition und Regierungspartei, zeigt die „Burgue“ demokratische Züge auf. Allerdings auch wie schnell diese manipuliert und unterwandert werden kann. Wie ist die Frage? Natürlich mit Geld und Reichtum, was insbesondere die reiche Sophie nutzt. Gleichzeitig muss geschaut werden, wie mit der Militärmacht, dem sog. „Pakt“ umgegangen werden soll. Der Krieg gegen diesen, der abseits der Handlung in Staffel 1 tobte, wurde fürs Erste beendet, da der „Pakt“ eigene innenpolitische Schwierigkeiten hat und nun ausgerechnet den alten Feind um Waffenlieferungen bittet, um der Lage wieder Herr zu werden. Denn die Revolution der „Neuen Morgenröte“ verdrängt die alten Strukturen des „Paktes“. Diese Revolution birgt sozialistische Strukturen, die Fantasy-Wesen und Menschen gleichstellt und auch keinen Unterschied zwischen Arm und Reich macht, was insbesondere Imogen am Anfang gefällt. Anreden wie „Kamerad“ verdeutlichen die politische Zugehörigkeit zum Kommunismus. Doch werden auch die Schattenseiten der „Neuen Morgenröte“ gezeigt: „Klassenfeinde“ werden erschossen, zur Arbeit wird man unter versteckter Androhung von Gewalt gezwungen und die Ideologie soll natürlich über die eigenen Grenzen hinaus der „Burgue“ aufgedrängt werden. Die politischen Stränge und Machenschaften sind daher sehr ineinander verschlungen.
Animationen für die Augen und Musik für die Ohren
Die Darstellungen der Fantasiewesen, ob Zentauren, die Flügel der Pix, die eher an Libellen-Flügel erinnern, oder die Hörner und Hufe der Faune: Sie alle sind schön dargestellt. Gerade wie die Pix ihre Gefühle mithilfe ihrer Flügel zeigen, ist ein schönes Detail und lädt zum Träumen ein, selbst welche zu haben. Auch das gesamte Setting des Stadtstaates „Burgue“ ähnelt eher der neo-viktorianischen Epoche, was sich gut am Baustil der Häuser und Kleidungsstücke der Menschen erkennen lässt. Gerade die hellen, sauberen, breiten Straßen der Menschenviertel bilden einen Kontrast zu dem viel dunklerem Setting des Viertels Carnival Row mit seinen schmalen Straßen, in dem eine sehr deprimierende Stimmung aufkommt. Auch die Musik von Nathan Barr ist sehr melodisch und passt gut zu der drückenden Stimmung. Vor allem die Titelmelodie besitzt einen großen Wiedererkennungscharakter, der ins Ohr geht.
Tiefe Charaktere und unvorhersehbare Wendungen
Flache Charaktere ohne Hintergrund oder eigener Agenda gibt es in Carnival Row nicht. Immerhin sieht sogar ein hassenswerter Mann wie Sergeant Dombey irgendwann ein, dass sein Verhalten vielleicht doch nicht richtig ist, aber aufgrund von Erziehung und gesellschaftlichen Strukturen doch nicht wirklich aus seiner Haut kann. Immerhin rafft er sich zusammen, um mit Rycroft Philostrate die Mordfälle aufzuklären. Letzterer dagegen hadert mit seiner eigenen Herkunft und findet sich eher zwischen den Stühlen der Menschen und Fantasiewesen sitzend wider. Auch eine Intrigantin wie Sophie Longerbane scheint auf dem ersten Blick nur nach mehr Macht aus zu sein. Dieser Gedanke wird aber schnell wieder verworfen, wenn man sie mit ihrer Faun-Zofe interagieren sieht, die sie versteckt hält. Imogen macht eine Wandlung von dem verwöhnten Mädchen zur Frau, die anpacken kann und auch mit Gewalt ihre neu gewonnene Freiheit verteidigt, durch. Und ein Runyan Millworthy sieht sich gezwungen Kompromisse sowie Abmachungen zu treffen, die ihm selbst Bauchschmerzen bereiten, obwohl er doch nur das Beste für alle im Sinn hat. Ein wirkliches „Gut“ oder „Böse“ gibt es in dieser Amazon-Serie also nicht, denn jeder Charakter handelt gemäß seiner Kultur und wie er sozialisiert ist. Das macht eines ganz deutlich: Jeder, egal ob Fantasiewesen oder Mensch, ist auf gewisser Weise Opfer der Gesellschaftsstruktur, aber auch gleichzeitig ein Täter. Daraus erwachsen interessante Charakter-Konstellationen und Wendungen in Carnival Row, die auf dem ersten Blick erstaunlich und überraschend, doch auf dem zweiten Blick nur logisch wirken.
Fazit
Carnival Row löst eine Achterbahn der Gefühle aus – meist jedoch niedergeschlagene Anspannung. Es ist ein Farbenspiel an Charakteren, Politik und markanten Orten, die die Serie sehr sehenswert machen. Obwohl sie in einer fantastischen Welt spielt, werden Sorgen und Ängste greifbar und es ist eine Fundgrube an gesellschaftlicher Kritik, die man gut auf unsere Welt übertragen kann. Die dunklen Mystery-Elemente in Kombination mit Krimi bieten eine schöne Abwechslung zu den bereits bestehenden Fantasy-Serien wie Ringe der Macht, Game of Thrones oder House of the Dragon. Und es kommen durchaus Cthulhu-Vibes auf, vor allem im Zusammenhang mit den Opfern des Serienmörders, die äußerst Übel zugerichtet werden. Obwohl düster, hat die Serie auch einige Charaktere, die durchaus liebenswert sind. Auch schön finde ich, wie nach und nach die Hintergründe einzelner Figuren aufgedeckt werden. So wird deutlich, dass der ehrenswerte und rechtschaffene Agreus Astrayon auch ganz schön Dreck am Stecken hat, um den Reichtum anzuhäufen, den er zu Beginn der Serie hat. Ich habe daher mit jeder Minute mitgefiebert und freue mich deswegen auf einen Rewatch.
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