Psychic Detective Yakumo

“Mit meinem linken Auge kann ich Dinge sehen, die für andere Menschen unsichtbar sind. Es sind die Seelen der Verstorbenen!” Doch ist diese Fähigkeit ein Gewinn oder eher eine Last, wenn die starken Gefühle der Verstorbenen, die sie keine Ruhe finden lassen, negativer Natur sind? Und wie geht die Umwelt mit dem deutlich sichtbaren Zeichen für diese Gabe um? Manabu Kaminaga erzählt in Psychic Detective Yakumo die Geschichte eines jungen Mannes, der sich aufgrund seiner Gabe (oder seines Fluches?) von der Gesellschaft so gut wie möglich distanziert und erst lernen muss, dass Vertrauen möglich ist, zumal die Vergangenheit ihn längst eingeholt hat und ihn zu vernichten droht. Eine spannende Geschichte, die von Suzuka Oda mit ausdrucksstarken Bildern lebendig gemacht wird.

   

Als Haruka Ozawas Freundin Miki nach dem Besuch eines verwunschenen Hauses von einem bösen Geist besessen zu sein scheint, sucht sie Yakumo Saito auf. Haruka hat gehört, dass der junge Mann, der sich meist in den Räumen der Film-AG aufhält, mit Geistern reden kann, und bittet ihn um Hilfe. Auch wenn es sich auf den ersten Blick bei Yakumo um einen arroganten Schwindler zu handeln scheint, überlässt sie ihm die Sache. Schnell zeigt sich nicht nur, dass Yakumo tatsächlich mit Geistern kommunizieren kann, sondern dass deren Geschichten in der Regel ein Fall für die Polizei sind. Und so werden Haruka und Yakumo immer wieder in gefährliche Geistergeschichten hineingezogen, bei denen ein Mann aus der Vergangenheit oft genug seine Hände im Spiel hat – Yakumos Vater, der seinen Sohn vernichten will. Doch auch Haruka trägt eine Last aus Kinderzeiten mit sich, die sie am Voranschreiten hindert. Gemeinsam suchen sie ihren Weg in eine lebenswerte Zukunft.

Fesseln der Vergangenheit

Originaltitel Shinrei Tantei Yakumo
Jahr 2009
Bände 14
Genre Mystery, Psychological, Krimi
Autor Manabu Kaminaga
Verlag Tokyopop (2011)

Furchtbare Ereignisse in ihrer frühen Vergangenheit belasten die beiden Hauptpersonen in Psychic Detective Yakumo sehr. Yakumo, geboren mit einem roten linken Auge, stößt mit diesem sichtbaren Makel bei seinen Mitmenschen auf Entsetzen und Abscheu. Sein Vater ist schon lange verschwunden und seine Mutter hat versucht, ihn als Kind zu erdrosseln, bevor auch ihre Spur sich verlief. Yakumo hält sich von Menschen fern und sorgt mit seiner arroganten Art dafür, dass ihm niemand zu nahe kommt. Harukas Zwillingsschwester Ayaka ist beim gemeinsamen Spiel zu Tode gekommen. Haruka gibt sich die Schuld an Ayakas Tod und versagt sich das Recht, glücklich zu sein. Diese beiden jungen Menschen stoßen scheinbar zufällig aufeinander und stellen im Laufe der Zeit fest, dass sie schon länger miteinander verbunden sind, als ihnen bewusst ist. Yakumos Gabe und Harukas Hartnäckigkeit sind genau das, was nötig ist, damit beide sich von den Schatten der Vergangenheit lösen können.

Niemand ist eine Insel

Zunächst stehen die Charaktere, die nacheinander in der Geschichte auftauchen, als unabhängige Einzelindividuen da. Doch nach und nach verflechten sich ihre Schicksale, meist durch die Pläne von Yakumos Vater. Harukas und Yakumos Mütter kannten sich schon vor der Geburt der beiden, was ihre Kinder aber nicht wissen. Kommissar Kazutoshi Goto rettete Yakumo vor dem Angriff seiner Mutter. Er kümmert sich auf seine Art noch immer um ihn und löst mit seiner Hilfe Fälle, in denen das Übernatürliche eine Rolle spielt. Yakumos Onkel Isshin hat dem Jungen ein Heim gegeben und versucht, ihm zur Seite zu stehen, indem er eine rote Kontaktlinse trägt und sich damit den Blicken der Mitmenschen aussetzt. Miyuki Nanase ist das Opfer eines Verbrechens und Täterin zugleich. Und wie ein drohender Schatten lauert Yakumos Vater im Hintergrund. Der Mann mit den roten Augen versucht, seinen Sohn in die Dunkelheit zu ziehen, in der er lebt, und manipuliert dafür die Menschen in Yakumos Umfeld.

Keine leichte Kost

Die Umstände, die die Toten nicht ruhen lassen wollen, sind keine leichte Kost für Leser*innen und rechtfertigen die Altersangabe ab 16 Jahren. Mord, Vergewaltigung, Realitätsverlust, Abweisung, Egoismus – wenn Yakumo sich um einen Geist kümmert, bedeutet das auch, dass er nicht nur mit der Ursache für seine Existenz in Kontakt kommt, sondern zugleich auch mit seiner eigenen Vergangenheit. Seine eigene Mutter wurde von dem Mann mit den roten Augen entführt und vergewaltigt, und Yakumo ist das Ergebnis dieses Verbrechens. Sein zukünftiger Ziehvater wurde fälschlicherweise eines furchtbaren Verbrechens beschuldigt und verschwand aus dem Leben von Mutter und Sohn. Seine Mutter versuchte, Yakumo zu töten, um ihn vor einem schlimmeren Schicksal zu bewahren. Auf Yakumos Lebensweg ebenso wie in den Kriminalfällen offenbaren sich die allzu nachvollziehbaren Abgründe der menschlichen Seele, die Schwächen, die den Weg für Verbrechen und Leid öffnen. Vertrauen scheint unmöglich zu sein, und doch ist es genau das, was Yakumo durch Haruka und die Menschen um ihn herum, die ihn unterstützen, letztendlich davor bewahrt, sich aufzugeben.

Rundherum rund

Psychic Detective Yakumo zeichnet sich nicht nur durch eine interessante Geschichte aus, deren Handlungsstränge geschickt miteinander verwoben sind und die immer wieder mit unerwarteten Wendungen überrascht, wobei der Mystery-Anteil eine angenehme Sachlichkeit aufweist und fast schon normal wirkt. Auch die Zeichnungen tun ihr übriges, um für die richtige Stimmung zu sorgen. Schon die Gestaltung der dunkel gehaltenen Cover wirkt sehr ansprechend. Die Seiten sind dynamisch gestaltet, die einzelnen Panels weisen oft schräge Kanten auf oder schieben sich ineinander und die Sprechblasen reichen bis in andere Kästen. Während manche Szenen sehr detailgetreu dargestellt sind und einen genauen Blick erlauben, überwiegen in anderen weiße Flächen, in denen Zeichnungen mit zarten Strichen eine ganz besondere emotionale Wirkung erzielen. Erfreulicherweise besitzen die Figuren durch ihre unterschiedliche Darstellung allesamt einen hohen Wiedererkennungswert, der sie als Individuen auszeichnet und ihnen somit Glaubwürdigkeit verleiht. Geschichte und Zeichnungen ergänzen sich wunderbar.

Fazit

Ich mag den düsteren Tenor, der in Psychic Detective Yakumo vorherrscht, und nehme den Manga öfter mal wieder in die Hand, wobei ich mich schon beim Anblick der Cover aufs Lesen freue. Kennengelernt habe ich Yakumo und Haruka durch den gleichnamigen Anime, wobei ich allerdings sagen muss, dass ich den Manga bevorzuge, weil er sich mehr Zeit lässt und eine genauere Betrachtung der Einzelschicksale erlaubt. Und ich liebe die Zeichnungen, die mal grob, mal fein, mal detailgetreu, dann wieder zart angedeutet genau die Stimmung erzeugt, die zu der jeweiligen Szene passt. Dazu kommen so liebenswerten Charaktere wie Goto und Isshin, wobei der Pathologe Hata tatsächlich zu meinen Lieblingen gehört, und das nicht nur wegen dieser Haarlocke, die wie ein Klecks Sahne auf seinem Kopf wirkt, sondern auch wegen seiner trockenen, realistischen Art, mit seinem Beruf umzugehen. Für gemütliche Stunden auf dem Sofa ist dieser Manga genau die richtige Lektüre, finde ich.

© Tokyopop

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Aki
Aki
Redakteur
2. Mai 2020 15:01

Ich bin über den Anime von Psychic Detective Yakumo zum Manga gekommen. Dabei wollte ich schlicht immer wissen, wie die Geschichte ausgeht, denn der Anime endet für mich nicht sonderlich ansprechend. Yakumo ist ein recht interessanter Charakter, der vor allem dann für mich glänzt wenn er mit Haruka zusammen ist. Ich mag die beiden einfach zusammen, da die Dynamik dann stimmt. Mir gefällt im Laufe der Bände, wie Haruka zu Yakumo durchdringt und wir so auch mehr von seiner düsteren, traurigen Vergangenheit erfahren. Die beiden bauen schlicht eine sympathische Bindung zu einander auf, die gerade dadurch wirkt, weil sie nicht über Nacht passiert.

Die Zeichnungen gefallen mir von Anfang an. Gerade die schwarzen Cover mit dem kleinen Einblick auf den Charakter haben schon etwas.