I am Sherlock

Wer kennt nicht den Meisterdetektiv Sherlock Holmes? Als fast schon ikonische Figur mit Pfeife und Deerstalker-Mütze geht er seit 1887, zusammen mit seinem Partner John Watson, auf Verbrecherjagd. Über die Jahre hinweg haben sich dabei viele verschiedene Sherlock-Holmes-Adaptionen angesammelt: sei es die Sherlock-Holmes-Verfilmung Sherlock Holmes von Regisseur Guy Ritchie oder die BBC-Serie Sherlock mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman als Ermittlerduo. Mit I am Sherlock präsentieren Kotaro Takata und Naomichi Io eine Neuinterpretation der Geschichte, die in der nahen Zukunft spielt. Damit ergeben sich ganz neue Probleme für Holmes und Watson. Der Titel ist dank Carlsen Manga seit dem 29. Oktober 2019 im Handel erhältlich.

 

John Watson hat es nicht leicht, denn nachdem er aus Afghanistan zurückgekommen ist, verdient er sein weniges Geld mit online Spielen und lebt in billigen Motels. Da scheint das Angebot eines Fremden, mit ihm das Zimmer zu teilen, sehr lukrativ – bis Watson feststellt, dass dieser Fremde kein Mensch, sondern der Androide Sherlock Holmes ist. Dieser möchte mit Watson zusammenziehen, um durch ihn mehr Daten über die Menschen zu sammeln und damit noch menschenähnlicher zu werden. Und wer würde sich als Studienobjekt nicht besser eignen als der größte Versager Londons? Für beide bringt das Zusammenleben nicht nur die Gründung eines eigenen Detektivbüros, sondern auch den ersten Mordfall.

Daten, virtuelle Realität und Androiden

Originaltitel I am Sherlock
Jahr 2017
Band 1 /4
Genre Mystery
Autor Kotaro Takata, Naomichi Io
Verlag Carlsen Manga (2019)

Androiden, die den Menschen die Arbeit abnehmen, sind in der Zukunft normal. Doch bisher sehen sie dem Menschen nur entfernt ähnlich. Sherlock Holmes ist da anders. Er ist die Entwicklung von Dr. Emma und gleich in seinem Äußeren einem Menschen bis aufs kleinste Detail. Auch hat er die Fähigkeit, Entscheidungen allein aus analysierten Eindrücken zu gewinnen, trotzdem gibt es ein Problem. Sherlock besitzt nicht genug Daten, um sich wie ein Mensch zu verhalten. Da kommt John Watson ins Spiel, der Sherlock als eine Art Erzieher dienen soll. Am Anfang ist Watson nicht sehr begeistert von der Aussicht mit einem Androiden zusammenzuleben, aber weil er – aus Geldnöten – keine andere Wahl hat, zieht er bei Sherlock ein und bald gründen sie ein Detektivbüro. Sherlock, um noch intensiver Daten zu sammeln, und Watson, weil er dringend einen Job braucht.

Eine Studie in Scharlachrot

Der erste Mordfall lässt nicht lange auf sich warten, denn Dr. Emma hat vorgesorgt. Ihr Vater ist niemand anderes als Chief Inspector Gregory Lestrade. Dieser ist nicht sehr begeistert, dass er sich von ein paar Amateurdetektiven in seinen Fall reinreden lassen soll – vor allem, weil mit Sherlock nicht leicht auszukommen ist, denn dieser verhält sich oftmals nicht so wie erwartet wird. Kotaro Takata und Nomichi Io zeichnen hier eine völlig neue Interpretation der schon bekannten Charaktere. So verhält sich Sherlock Holmes oft unsozial, begründet wird dies aber durch sein Nichtwissen, um die menschlichen Verhaltensweisen. Er versteht zwar keine Emotionen, ist aber fasziniert von Katzen und versucht den Wert von Freundschaft zu verstehen. Watson wiederum ist sehr impulsiv, hat niemals Glück und gibt sich als Draufgänger. Durch diese unterschiedlichen Charaktere sind Missverständnisse natürlich vorprogrammiert.

Anspielungen über Anspielungen über Anspielungen

Wer sich ein bisschen mit Sherlock Holmes auskennt, der kann bei I am Sherlock seine wahre Freude haben. Es tauchen nicht nur viele Personen aus den Büchern auf, sondern es gibt immer wieder Anspielungen und Referenzen auf die Vorlage. Sei es, wenn Watson betont, dass er eher den Charakter eine Bulldogge hat und deshalb Katzen nicht ausstehen kann, oder wenn im Hintergrund die Kulisse Londons oder der Reichenbachwasserfälle dargestellt wird. Die Bilder schwanken zwischen wuselig und geradlinig und passen sich damit dem Erzählfluss an. Auch besitzen die einzelnen Figuren individuelle Gesichtszüge, die ihren Charakter betonen – gerade Sherlock, von welchem es am wenigsten erwartet wird, kann zwischen vielen verschiedenen Gesichtsdrücken wechseln. Der Cliffhanger am Ende lässt auf den zweiten Teil hoffen. Dieser erscheint im Februar 2020 und es wird spannend bleiben, ob Sherlock Holmes und John Watson auch diesmal einen Fall lösen werden.

Erster Eindruck

Am Anfang war ich ein bisschen skeptisch, denn ich kenne viele Sherlock Holmes-Adaptionen, aber wenige haben mich begeistert. Doch I am Sherlock ist anders. Hier werden eigenständige Charaktere geschaffen, die zwar auf ihr Original referenzieren, aber selbst eine Persönlichkeit haben. Mir gefällt es, dass Watson nicht einfach Sherlocks Handlanger ist und dessen Genialität bewundert, sondern, dass er auch Sherlock zurechtweist und seinen eigenen Weg geht – auch wenn dieser bisher nicht sonderlich erfolgreich war. Sherlocks manchmal kindlich naive, manchmal ziemlich spöttische Art, machen das Manga sehr lustig zu lesen. Auch die Settingverlegung in die Zukunft hat gut funktioniert, denn so werden nicht nur einfach die alt bekannten Fälle neuerzählt, sondern sie bekommen in Hinblick auf Debatten über Datenschutz und künstliche Intelligenz eine eigene Aktualität. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es mit diesen ungleichen Ermittlerduo weitergeht und hoffe, dass im zweiten Teil genauso viele versteckte Anspielungen auf das Original gibt.

© Carlsen Manga

Ivy

Wenn Ivy nicht gerade ihre Zeit in der Hochschule verbringt, wo sie lernt sich im Informationsdschungel zurecht zu finden, verbringt sie ihre Zeit mit dem Horten von Büchern. Innerlich weiß sie, dass ihr in nächster Zeit der Platz für all ihre Neuerwerbungen ausgehen wird – trotzdem kann sie es nicht lassen, neue Funde mitzubringen. Sonst sind auch keine Mangas oder Comics vor ihr sicher, da doch alles irgendwo noch einen Platz finden wird. Sonst hat sie eine große Schwäche für gute und besondere Geschichten, Eulen und Schildkröten in jeder Form und Merchandise von "Gintama". Wenn sie mal keine Bücher kauft und liest, schreibt sie selbst.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments