Yakuza: Like a Dragon

Kazuma Kiryus Geschichte mag mit Yakuza 6 zu Ende gegangen sein, aber das heißt nicht, dass die beliebte Reihe damit abgeschlossen wäre: In Yakuza: Like a Dragon, dem (inklusive des Prequels) bereits achten Hauptteil, übernimmt Ichiban Kasuga die Hauptrolle in einer brandneuen Geschichte, die auch perfekt für Neueinsteiger geeignet ist. Am 10. November 2020 erschien das von Ryu Ga Gotoku Studio entwickelte Game für PlayStation 4, Xbox One, Xbox Series X/S und PC, eine PS5-Fassung folgt am 2. März 2021. Zunächst für einen Aprilscherz gehalten, ist das Game jedoch im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein RPG mit einem rundenbasierten Kampfsystem, was viele Fans im Vorfeld verunsicherte. Wir haben uns an die PS4-Version gesetzt und getestet, wie sich die Frischzellenkur des neuen Yakuza-Ablegers in der Praxis schlägt.

   

Kamurocho, Tokio: Ichiban Kasuga ist ein kleiner Fisch im Arakawa-Clan, einer Familie des mächtigen Tojo-Clans. Er bewundert den Patriarchen Masumi Arakawa, der ihm einst das Leben rettete, doch eines Tages hat dieser eine große Bitte an seinen Schützling: er müsse für ein ranghohes Mitglied seines Clans ins Gefängnis, um den Clan zu retten. Ichiban folgt dieser Bitte ohne zu Zögern und verbringt die nächsten 18 Jahre im Gefängnis. Doch als er im Jahr 2019 endlich entlassen wird, erwartet ihn kein freudiges Wiedersehen. Stattdessen muss er erfahren, dass sein Idol Arakawa den Tojo-Clan verraten hat, weshalb die Yakuza-Welt nun allein von der Omi-Allianz kontrolliert wird. Ichiban möchte dies nicht glauben und konfrontiert seinen nun ehemaligen Patriarchen, der ihm jedoch in die Brust schießt. Kurze Zeit später erwacht der knapp mit dem Leben davongekommene Ichiban in Isezaki Ijincho, einem Ditrikt in Yokohama …

Willkommen in Isezaki Ijincho

Originaltitel Ryu ga Gotoku 7: Hikari to Yami no Yukue
Jahr 2020
Plattform PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC
Genre RPG
Entwickler Ryu Ga Gotoku Studio
Publisher SEGA
Spieler 1
USK
Veröffentlichung: 10. November 2020

Ichiban hat den Angriff Arakawas nur überlebt, weil ihn der obdachlose Ex-Krankenpfleger Nanba medizinisch versorgt hat. In ihm findet er auch seinen ersten Freund in dem ihm noch fremden Yokohama. Fortan versucht der Ex-Yakuza, sein Leben in den Griff zu bekommen. So geht er zum Jobcenter und versucht, einen Job zu ergattern. Neben Nanba begleitet ihn dabei bald auch der kurz vor der Pension entlassene Ex-Polizist Adachi, den er bereits kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis kennenlernen durfte. Die Interaktionen zwischen den drei Männern sind toll gestaltet und es ist schön zu sehen, wie sich zwischen den drei so unterschiedlichen Charakteren eine Freundschaft entwickelt. Aber auch weibliche Unterstützung fehlt nicht, denn mit Barfrau Saeko stößt später ein weiterer Charakter dazu. Spannend ist an der Dynamik, dass alle vier Charaktere in ihrem Leben Fehler begangen haben und unter diesen leiden: Nanba verlor seinen Job als Pfleger wegen Medikamentendiebstahls, Adachi brachte einst einen unschuldigen Mann ins Gefängnis und Saeko hat keinen Kontakt mehr mit ihrer Familie. Später kommen noch weitere Charaktere zur Gruppe dazu, die jedoch an dieser Stelle ein Spoiler wären. Alle Charaktere werden in jedem Fall großartig ausgearbeitet und durch die RPG-Mechanik können sie besser als je zuvor kennengelernt werden. So hat jedes Gruppen-Mitglied eine Bindingsstufe, die durch gemeinsame Aktivitäten erhöht werden kann. Bis zur maximalen Bindungsstufe wird dann eine eigene Geschichte mit dem Charakter erzählt, die sehr dazu beiträgt, dem jeweiligen Charakter mehr Tiefe zu verleihen und sich meist insbesondere um den Hintergrund der Figur dreht.

Ein Distrikt im Kreuzfreuer: die Drei von Ijin

Fest steht, dass die Geschichte viel Zeit beansprucht. Bis Ichiban überhaupt in Yokohama landet, vergehen bereits etwa fünf bis sechs Stunden und etliche Zwischensequenzen. Doch genau dies ist die Stärke des Titels, da genau so den Charakteren genug Raum zur Entfaltung gegeben wird und man unweigerlich mehr und mehr in den Bann der spannenden Geschichte gezogen wird. Denn Isezaki Ijincho ist nicht einfach nur ein Distrikt Yokohamas: Er wird kontrolliert von den “Drei von Ijin”. Dies verweist auf den japanischen Seiryu-Clan (eine der letzten unabhängigen Yakuza-Familien, die nicht der Omi-Allianz unterstehen), die chinesische Liumang und die koreanische Geomijul, die alle Macht inne zu haben scheinen und den Distrikt in eigene Gebiete aufgeteilt haben. Ichiban wird mehr oder weniger unfreiwillig in die Konflikte hineingezogen. Selbst möchte er aber herausfinden, was in den letzten 18 Jahren mit Arakawa passiert ist. Denn durch dessen Verrat wurde der Tojo-Clan zerschlagen, er selbst bekam einen respektablen Posten in der Omi-Allianz. Eine Bürgerinitiative namens “Bleach Japan” sorgt jedoch zusätzlich für Trubel in Ijincho, denn sie hat das Ziel, die Grauzonen Japans zu säubern. Deshalb protestieren die Mitglieder in den Straßen, belästigen aber auch Anwohner, die ihrer Meinung nach falsch handeln. Ichiban, selbst geboren und aufgewachsen in einem Soapland (= eine Art Mischung aus Bordell und Badehaus), ist das radikale Vorgehen und die Vorverurteilung durch Bleach Japan ein Dorn im Auge. Es geht insgesamt also neben den Verstrickungen im Yakuza-Business auch um Geldwäsche, politischen Machtmissbrauch und sogar gesellschaftskritische Töne werden angeschlagen. Wer noch nie ein Yakuza-Game gespielt hat, kann bedenkenlos mit diesem Teil einsteigen (nicht umsonst wurde für die westliche Lokalisierung die “7” im Titel entfernt), aber Kenner der Vorgänger dürfen sich über die Auftritte bekannter (und prominenter) Figuren freuen, schließlich spielt der Titel zeitlich drei Jahre nach Yakuza 6.

Eine rundenbasierte Klopperei durch die Augen von Protagonist Ichiban

Ganz anders als seine Vorgänger ist Yakuza: Like a Dragon kein Action-Adventure mit Echtzeit-Kampfsystem, sondern ein waschechtes RPG mit rundenbasierten Kämpfen. Die Entwickler haben sich dabei definitiv Mühe gegeben und aus dem Wechsel ein rundum gelungenes Kampfsystem geschaffen. Anstatt alleine mit Ichiban kämpfen wir nun mit einer Vierergruppe und jeder Charakter hat eine Stufe und einen Jobrang. Tatsächlich können wir neben dem Standard-Job (z.B. “Obdachloser” bei Nanba) verschiedene andere Jobs ausprobieren, z.B. als Koch, Idol oder Musiker, die dann jeweils auch auf die Skillpalette Auswirkungen haben. Diese Skills sind ohnehin gut gemacht und insbesondere die speziellen “Essenz”-Skills, auf die eigene Zwischensequenzen folgen, wissen auch von der Inszenierung zu überzeugen. Allerdings präsentieren sich die Kämpfe von Yakuza: Like a Dragon auch noch deutlich verrückter als in den Vorgängern. Gegner haben rote Augen, die speziellen Angriffe, die teils auch Magie einsetzen, wollen in ein Setting wie dieses nicht unbedingt passen. Aber dafür wurde eine Erklärung im Game gefunden, denn Ichiban ist selbst großer RPG-Fan (inbesondere von Dragon Quest) und stellt sich die abgedrehten Moves und Gegner nur vor. Wir sehen das Geschehen also quasi aus seiner Perspektive, was durchaus eine kreative Lösung des Problems ist. Zusätzlich können zu den Kämpfen aber auch sogenannte “Poundmates” gerufen werden, die per Smartphone in den Kampf gerufen werden, hierbei stehen neben menschlichen Helfern aber z.B. auch ein Hummer zur Verfügung, der den Gegner in die Nase zwickt und womöglich auch vergiftet. Die Skurilität der Kämpfe dürfte sicher nicht jedem gefallen, schließlich tauchen diese auch in der eigentlich ernsten Hauptgeschichte so auf. Wer befürchtet, durch das rundenbasierte Kampfsystem seien die Kämpfe nun auch weniger fordernd, darf beruhigt sein, denn es wird auch für Interaktivität gesorgt. So können gegnerische Angriffe mit dem rechtzeitigen Drücken einer Taste geschwächt werden und eigene Angriffe wiederum auf die selbe Weise gestärkt, sodass niemand gähnend vor dem Bildschirm sitzen muss.

Nebenmissionen und Minispiele – Langeweile kommt keine auf!

Die Welt von Yakuza: Like a Dragon ist prall gefüllt mit zahlreichen Nebenmissionen und Minispielen, die neben der grandiosen Hauptgeschichte zu unterhalten wissen. Insgesamt 52 Nebenmissionen können absolviert werden, die wieder eine breite Palette zu bieten haben: Ob eine skurrile Geschichte um einen Mann, der nur mit Seifenblasen bedeckt auf der Jagd nach Kleidung ist oder eine emotional berührende Geschichte um ein kleines Mädchen, das Spenden für die Operation ihres kleinen Bruders sammelt – jede kleine Nebenmissionen ist eine neue Überraschung. In Sachen Minispiele gibt es neben “Klassikern” wie Dart, Baseball, Karaoke oder Mahjong aber auch einige Neuzugänge. Im Seagull Cinema versuchen wir bei langweiligen Kinostreifen nicht einzuschlafen, bei der Dosenquest sollen wir hingegen möglichst viele Pfandflaschen aufsammeln und bei Dragon Kart können wir im Mario Kart-Style durch die Straßen Ijinchos heizen. Für die grauen Zellen stehen in der Berufsschule 21 durchaus fordernde Prüfungen mit Multiple-Choice-Tests zu den verschiedensten Themenbereichen zur Verfügung, z.B. zu Verbrechenskunde, Mathematik oder Weltgeschichte. Das größte Minispiel ist – ähnlich dem Kennern bekannten Cabarat Club-Management oder dem Clan Creator – das Verwaltungs-Management, bei dem Ichiban als Chef von Ichiban Senbei ordentlich Geld verdienen kann. Das Minigame ist dabei spannend gemacht, Spieler*innen müssen entscheiden, welche Firmen sie ihr Eigentum nennen sollten, verärgerte Aktionäre bei den Aktionärsversammlungen beschwichtigen und so Platz 1 des Aktienrankings erreichen.

Großartig inszeniert, mittelmäßige Lokalisierung im Deutschen

Yakuza: Like a Dragon bietet neben einer (gewohnt fantastischen) japanischen auch eine englische Sprachausgabe, die durchaus gelungen ist. Tatsächlich bietet der Titel im Gegensatz zu seine direkten Vorgängern auch deutsche Untertitel und eröffnet somit auch Menschen mit weniger guten Englischkenntnissen, die Möglichkeit, das Game vollumfänglich zu genießen. Allerdings enthält die deutsche Übersetzung einige deutliche Patzer, wenn z.B. bei einem Tipp im Ladebildschirm von “Spare dein Geld! Sparen ist klug!” die Rede ist, es aber in der Erklärung lediglich um die Auto-Save-Funktion geht. Offensichtlich wurde sich bei der deutschen Übersetzung nicht am Kontext orientiert, was schade ist. Grafisch reiht sich das Game bei Yakuza 6 und Yakuza Kiwami 2 ein, es wird erneut die “Dragon Engine” genutzt, die für eine ausgesprochen gute Grafik sorgt. Insbesondere die Zwischensequenzen können mit Details glänzen, aber auch so ist die Grafik sehr gelungen. Die vielen Begegnungen mit umherspazierenden Gegnern können jedoch teilweise etwas nerven und der Übergang zum Kampfgeschehen geht zumindest auf der PS4 etwas schleppend voran, insgesamt ist das aber alles ein Meckern auf sehr hohem Niveau. Wer jedoch stur durch die Hauptgeschichte rennen möchte, sei gewarnt: an mindestens einer Stelle muss zwangsläufig gelevelt werden, um auch nur eine Chance gegen den Boss zu haben, aber ansonsten herrscht zum Glück keine Art von Zwang zum exzessiven Leveln.

Fazit

Yakuza: Like a Dragon schafft es, mit der umfangreichen Welt, einer spannenden Hauptgeschichte und einem motivierenden Kampfsystem ein absolut packendes Erlebnis abzuliefern. Es ist auch bemerkenswert, dass sich das Game wirklich frisch anfühlt, ohne dabei die Wurzeln als Teil der Yakuza-Reihe zu vergessen. Ichiban ist eine gelungene Abwechslung zu Kiryu aus den vorigen Spielen und jeder, der die bisherigen Spiele der Reihe mochte, sollte auch dem neusten Teil eine Chance geben. Aber auch Leute ohne Vorerfahrung mit einer Vorliebe zu Games mit japanischen Settings bzw. RPGs werden hier ihren Spaß haben. Ich selbst bin absolut begeistert von dem Game, denn im Vorfeld war ich äußerst skeptisch wegen der Umstellung auf das RPG-Genre. Aber: Wow, das war definitiv unbegründet! Das Kampfsystem hat mir schnell ausgesprochen viel Spaß gemacht und die Handlung ist ohnehin wieder großartig, ich war bis zum Abspann absolut an den Bildschirm gebannt. Nach gut 80 Stunden mit dem Titel bin ich einfach nur begeistert und bin gespannt, wie es mit dem nächsten Teil wohl weitergehen wird.

© SEGA

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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