Spiritfarer

Kaum jemand hätte wohl ahnen können, dass mit Spiritfarer im August 2020 ein Indie-Game erscheinen würde, das sowohl Kritiker als auch Fans derart überzeugen würde. Das Management-Spiel, das von der Seelenfährfrau Stella und ihrer Begleitung verstorbener Seelen auf der letzten Reise handelt, heimste beste Bewertungen und eine Nominierung für das Best Indie-Game bei den Game Awards 2020 ein. Kein Wunder also, dass Publisher und Entwickler Thunderlotus Games dem Spiel nach dem rein digitalen Release für Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, PC und Stadia auch eine Retail-Fassung spendiert. Am 29. Juli 2021 erscheint das rührende Indie-Game als physische Variante für Nintendo Switch und PlayStation 4.

   

Stella und ihrem Kater Daffodil wird eine große Aufgabe zuteil, als der Seelenfährmann Charon abtritt: Sie werden seine Position übernehmen und fortan verstorbene Seelen finden, ihre letzten Wünsche erfüllen und sie bis zur sogenannten Immertür bringen. Deshalb erhalten Stella und Daffodil eine magische Kraft namens “Immerlicht”. Bald darauf segeln Stella und Daffodil los und treffen mit Gwen ihre erste Passagierin …

Eine symbolträchtige Reise

Originaltitel Spiritfarer
Jahr 2020
Plattform Nintendo Switch, Xbox One, PlayStation 4, PC, Stadia
Genre Management, Aufbau
Entwickler Thunder Lotus Games
Publisher Thunder Lotus Games
Spieler 1-2
USK
Veröffentlichung: 29. Juli 2021

Spiritfarer beschäftigt sich mit einem schwierigen und emotional aufgeladenen Thema: dem Tod. Stella übernimmt die Aufgabe von Charon, einer Figur der griechischen Mythologie, die als Seefahrer die Verstorbenen mit einem Boot über den Totensee bringt, damit sie zur Unterwelt gelangen können. Das mag zwar düster klingen, doch schon durch das farbenfrohe, niedliche Erscheinungsbild von Stella und ihrem haarigen Begleiter Daffodil ist zu erkennen, dass die Aufbereitung der Thematik keinesfalls deprimierend ist. Die kürzlich verstorbenen Seelen, die Stella auf ihrem Schiff aufnimmt, erscheinen allesamt als anthropomorphe Tiere. Außerdem scheinen sie alle Stella bereits zu kennen und ein Teil ihres Lebens gewesen zu sein. So ist Gwen ihre gute Kindheitsfreundin und ein anderer Passagier stellt sich als Stellas Onkel vor. Obwohl die farbenfrohe Umgebung und die niedlichen Tiere nach einem rundum sorglosen Spiel aussehen, verbergen sich sehr viele Symboliken in dieser Welt. Ein Drache fungiert zum Beispiel als Symbol für den Kampf gegen den Krebs. Auch berichten die Passagiere nicht nur von schönen Ereignissen aus ihren Leben, sondern eröffnen den Spieler*innen nach und nach auch das, was in ihrem irdischen Leben nicht so ideal verlaufen ist. Das sorgt für ungemein rührende Momente und es ist beeindruckend, wie sensibel die Dialoge zwischen Stella und den Passagieren gestaltet sind. Innerhalb dieser Dialoge und der fortschreitenden Handlung wird auch zunehmend deutlich, welche (emotionale) Geschichte sich hinter Protagonistin Stella verbirgt und wie sie an den Punkt gekommen ist, an dem wir sie im Spiel kennenlernen.

Ruhiges, aber motivierendes Gameplay

Das Gameplay von Spiritfarer ist zwar ruhig, aber tatsächlich auch sehr abwechslungsreich. Stella kann Essen kochen, Gebäude bauen, mit dem Schiff reisen, Güter einkaufen, Samen pflanzen, Bäume fällen und was sonst noch alles an simpler Arbeit anfällt oder von den Passagieren gewünscht wird. Die Dialoge mit diesen bilden ohnehin das Herzstück, wobei über das Menü der Gemütszustand kontrolliert werden kann. Der Passagier ist traurig? Eine Umarmung wird sicherlich helfen. Oder warum nicht in der Kombüse mit den Zutaten etwas experimentieren, bis vielleicht sogar das Lieblingsessen des Passagiers gefunden ist? Die kleinen Aufgaben sind so simpel und doch unfassbar motivierend, gerade weil man zunehmend ihre Lebensgeschichten kennenlernt und die Bedeutung hinter ihren Wünschen versteht. Jeder Passagier ist anders, besitzt eine eigene Persönlichkeit und eigene Vorlieben. Das lässt die Spielwelt sehr organisch wirken und die Spielstunden nur so vorbei ziehen. Für etwas mehr Action wird gesorgt, wenn auf der Karte ein dunkler Punkt angefahren wird, sodass zum Beispiel Quallen gefangen oder Blitze in Flaschen abgefüllt werden können. Meist muss zum Sammeln dieser Ressourcen wild umhergesprungen werden, was ungemein Spaß macht. Ohnehin wird in Spiritfarer wie in einem klassischen 2D-Sidescroller gehüpft, gerannt und Material eingesammelt. Ebenso können eigene Dörfer und Gebiete erkundet werden, denn natürlich muss nicht jede Ressource selbst gesammelt werden, sondern auch ein Kauf ist möglich. Das macht das Spiel zu einer interessanten Kombination aus ruhigem Management- und Aufbauspiel, aber eben auch Jump’n’Run-Elementen.

Die Reise geht weiter – optional auch zu zweit

Spiritfarer ist eine emotionale Wucht, doch diese muss nicht allein getragen werden, denn das Spiel bietet einen vollständigen Koop-Modus. Hierbei kann der niedliche Kater Daffodil gesteuert werden, sodass er nicht nur als süßer (und bedeutender) Begleiter von Stella fungiert, sondern auch eine praktische Funktion erfüllt. Mit einer Spielzeit von über 20 Stunden ist das Spiel auch trotz der ruhigen Atmosphäre recht umfangreich, was aber auch nötig ist, damit sich die Geschichte und insbesondere die Figuren ordentlich entfalten können. Schön für alle Fans: Thunderlotus Games spendiert im Laufe des Jahres 2021 drei kostenlose Updates (wobei das sogenannte “Lily”-Update bereits im April 2021 erschien) während das zweite und dritte Update grob auf Herbst und Sommer desselben Jahres datiert sind. Die Updates enthalten neue Inhalte, wobei diese durchaus umfangreich sind, denn darunter sind auch neue Passagiere, die Stella auf ihrem Weg begleiten kann und ihrer Geschichte weiter Tiefe verleihen sollen.

Simpel und doch liebevoll: das Gamedesign

Die grafische Aufbereitung von Spiritfarer ist einfach gehalten, aber an den richtigen Stellen doch ungemein detailreich. So bewegen sich Stella und Daffodil zu jeder Zeit, sodass sie sehr lebendig wirken. Außerdem präsentiert sich die Handlung durch den schönen Comic-Stil sehr farbenfroh. Auch die Mimik der Charaktere ist sehr liebevoll gestaltet, Spieler*innen wird wahrlich das Herz aufgehen, wenn Stella einen der Passagiere umarmt und ihre freudigen Reaktionen beobachtet werden können. Insbesondere die Tatsache, dass in Spiritfarer tatsächlich eine Art von Zeit vergeht, lässt die Welt lebendig wirken. Es gibt einen Tag-Nacht-Rhytmus, wobei das Schiff nachts ruht und Stella zum Schlafen geschickt werden kann. Das Wetter ändert sich ebenfalls, was ebenfalls Einfluss hat. Etwa können spezifische Fische nur bei Regentagen gefangen werden. Wer auf der Nintendo Switch spielt, wird feststellen, dass sich das Spiel gerade im Handheld-Modus sehr gut macht. Insgesamt versprüht das Spiel den Charme eines einfachen Indie-Games, das sich aber nach und nach als das entfaltet, was es ist: Eine unfassbar schöne Liebeserklärung an das Leben, obwohl doch die Figuren genau dieses eigentlich bereits hinter sich haben.

Fazit

Spiritfarer ist ein rührendes und liebevoll gestaltetes Indie-Game, das wohl kaum ein Auge trocken lassen dürfte. Die niedlichen Figuren harmonieren einfach wunderbar mit der Thematik des Todes (und letzten Endes auch des Lebens), da sie dadurch nicht zu erdrückend wirkt, sondern stattdessen auf sensible Weise vertieft werden kann. Es ist wahrlich beeindruckend, wieviel Spaß die Ausführung der simplen, aber vielfältigen Aufgaben macht, insbesondere wenn sie ein Lächeln in das Gesicht der tierischen Passagiere zaubern. Insgesamt ist Spiritfarer ein Titel, der erneut beweist, dass ein Spiel nicht unbedingt von einem großen Studio oder mit großem Budget entwickelt werden muss, um wirklich gut zu sein. Eine Veröffentlichung, die man sich nicht entgehen lassen sollte!

© Thunder Lotus Games

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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