The Possession of Hannah Grace
Während die meisten Exorzismusfilme darauf hinauslaufen, dass der Teufel ausgetrieben wird, dreht der niederländische Regisseur Diederik Van Rooijen (Daglicht) die Spielregeln einmal um. In The Possession of Hannah Grace erleben wir gleich zu Beginn eine Austreibung, was den Grundstein legt für das, was in den nächsten 96 Minuten geschehen wird. Soweit, so gut. Doch der Bruch zum übernatürlichen Pathologie-Horror fällt vergleichsweise ermüdend aus und beschert auch dem Serienstar Shay Mitchell (Pretty Little Liars) alles andere als ein gelungenes Filmdebüt.
Die ehemalige Bostoner Polizistin Megan (Shay Mitchell) möchte von vorne beginnen. Nachdem ein Zwischenfall auf der Arbeit sie in den Substanzmissbrauch getrieben und auch ihre Beziehung ruiniert hat, braucht sie einen Neuanfang. Unterstützt wird sie von ihrer Freundin Lisa (Stana Katic, Absentia), welche ihr einen Job in einem städtischen Leichenschauhaus verschafft hat. Megan übernimmt also die unliebsame Nachtschicht und soll dort Leichen entgegennehmen, deren Merkmale katalogisieren und abfertigen. Ob das der richtige Ort für einen Neuanfang ist, sei einmal dahingestellt. Megan jedenfalls schreckt so schnell nichts ab. Auch nicht die übel zugerichtete Leiche der unbekannten Frau (beeindruckend: die Kontorsionistin Kirby Johnson, 5150), die während ihres Dienstes eingeliefert wird. Doch irgendetwas stimmt nicht mit dem Leichnam. Wunden verschwinden, Verwesungsmerkmale sind nicht vorhanden und die Atmosphäre um die Tote herum ist nur zu sonderbar. Megans rationale Perspektive wird binnen kurzer Zeit auf den Prüfstand gestellt…
Klischees aus der Leichenschublade
Originaltitel | The Possession of Hannah Grace |
Jahr | 2018 |
Land | USA |
Genre | Horror |
Regisseur | Diederik Van Rooijen |
Cast | Megan Reed: Shay Mitchell Hannah Grace: Kirby Johnson Andrew Kurtz: Grey Damon Mann: Louis Herthum |
Laufzeit | 86 Minuten |
FSK |
Ein Leichenschauhaus als Ort des Grauens. Die Idee an sich gewinnt wohl keinen Blumentopf, so offensichtlich ist das Unvermeidliche. Da lässt sich schon ziemlich vorhersagen, welchen Schabernack die Tote anstellen wird: Leichenschublade auf, Leichenschublade zu. Licht an, Licht aus. Mehr Kreativität besitzt auch die gute Hannah Grace nicht, deren Schicksal schon zu Beginn bekannt ist. Sonderlich anders sieht es auch nicht mit Megan auf, deren Biografie der tabellarischen Hintergrundgeschichte eines gebrochenen Ex-Cops gleicht: Ein Fehler auf der Arbeit mit schweren Konsequenzen, die auch im privaten Bereich Verwüstung hinterlassen. Mehr gibt es über sie nicht zu wissen und eigentlich reicht das auch schon aus, um ihren abgebrühten Charakter zu erklären. Bleiben also noch die Nebenfiguren, die eigentlich auch genau das machen, was man ihnen zutraut: dumme Streiche. Weshalb ausgerechnet Stana Katic eine austauschbare Figur wie Lisa spielt, ist ebenso ein Mysterium.
Aus dem kleinen Horror-Baukasten kommt nicht immer ein stabiles Ergebnis
Das größte Ärgernis stellt allerdings das Drehbuch dar: Der Zuschauer weiß dank Vorgeschichte bereits zu Beginn, worum es hier geht. Was auch immer Megan herausfindet: Wir wissen es bereits. Aber noch viel schlimmer ist, dass der Film den Zuschauer für dumm verkaufen möchte.
Auch audiovisuell ein Reinfall
Den Rest der Ödnis bezieht The Possession of Hannah Grace aus seinen Kulissen. Die Geschichte spielt sich innerhalb eines Betonklotzes ab und alle Räumlichkeiten ähneln sich. Da kann auch der massive Blaufilter-Einsatz nicht viel retten. Von Krankenhausatmosphäre fehlt jede Spur. Eher bekommt man den Eindruck, als würde der Film in einem Bunker spielen. Auch auf der Audioebene geht es ähnlich stümperhaft zu. Es knacken regelmäßig Knochen mit derart aufgesetzten Effekten, dass das Wesen Hannah Grace bereits durch bloße Bewegungen Opfer der eigenen Lächerlichkeit wirkt.
Fazit
Van Rooijen hält sich sklavisch an alles, was man bereits mehrfach in anderen Filmen gesehen hat, und setzt das derart adäquat um, als wolle er demonstrieren, dass er aufmerksam aufgepasst hat. The Possession of Hannah Grace hat zudem ein anderes dickes Problem: Der Direct-to-DVD-Titel The Autopsy of Jane Doe behandelt eine ähnliche Thematik. Trotz vergleichbarer Kammerspielkulisse und ähnlich schnörkelfreier Inszenierung ist der Film jedoch wesentlich gerissener inszeniert und besitzt echte Spannungsmomente. Man kann Van Rooijen leider noch nicht einmal die Ambition nachsagen, einen ähnlich angenehmen Horrorfilm produziert zu haben. Seine Produktion bringt keine Eigenständigkeit mit und zehrt ausschließlich von den beiden großen Namen, die den Cast schmücken. In den 45 Jahren seit Der Exorzist hat der Exorzismusfilm schon vieles hervorgebracht, doch dieser Vertreter muss eindeutig zu den schlechten Vertretern gezählt werden.