The Batman
1939 – Batman wurde als geistiges Kind von Bill Finger und Bob Kane geboren. Als Leihmutter dienten Alexandre Dumas D’Artagnan aus der berühmten „Die drei Musketiere“-Trilogie, Zorro von Johnston McCulley, Sherlock Holmes von Sir Arthur Conan Doyle, Anthony Wayne und die prägendste „Mutter“ – The Shadow von Walter B. Gibson. Batman trägt seit Beginn seiner Dienste für Gotham City nunmehr 80 Jahre auf dem Buckel und durchlief mehr als nur eine Transformation in Wesen, Art, Beschaffenheit, Look, Muskeln und und und. Jede Transformation wurde von der immer größer werdenden Fangemeinschaft kritisch beäugt. 2022 ist Matt Reeves (Cloverfield) an der Reihe, zusammen mit Robert Pattinson (Tenet) als Batman dem Publikum einen neuen Batman zu präsentieren und eventuell den dritten Neustart des erweiterten DC Universums (DCEU) einzuläuten. Als Werkzeug um die Gunst des Zuschauers zu gewinnen, standen zum Kinostart am 3. März 2022 The Riddler, Penguin, Selina Kyle als Catwoman (und zum ersten Mal: die berüchtigte Iceberg Lounge) parat. Und was hat Nirvanas Kurt Cobain mit Bruce Wayne zu tun?
Batman ist nach seinem Exil im Ausland und harten Training durch Alfred Pennyworth (Andy Serkis, Venom: Let There Be Carnage) zurück in Gotham City und nunmehr seit zwei Jahren als der Rächer / Vigilant bekannt. Das Herz von Gotham ist belegt von Geschwüren. Hass, Mord, Gewalt – Batmans größter Kampf ist jedoch der Sumpf an Korruption in seiner Stadt. Und der gegen sich selbst. Da jeder käuflich erscheint, ist der noch junge Bruce Wayne und unerfahrene Batman auf niemanden gut zu sprechen und glaubt selbst vermeintlichen Weggefährten nicht. Zu allem Überfluss tritt mit dem Soziopathen (Paul Dano, Little Miss Sunshine), der sich selbst The Riddler nennt, jemand auf den Plan, der scheinbar mehr über die Familie Wayne weiß. Die kryptischen Hinweise des sadistischen Killers lassen Batman am Ruf seines Vaters, der vermeintlichen Lichtgestalt Gothams – Thomas Wayne – zweifeln und dem, was hinter dem vermeintlich zufälligen Tod wirklich steckte.
Being Batman
Originaltitel | The Batman |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Genre | Krimi, Drama, Action |
Regie | Matt Reeves |
Cast | Bruce Wayne / Batman: Robert Pattinson Selina Kyle / Catwoman: Zoë Kravitz Edward Nashton / Riddler: Paul Dano Alfred Pennyworth: Andy Serkis Lieutenant James Gordon: Jeffrey Wright Carmine Falcone: John Turturro Gil Colson: Peter Sarsgaard Oswald „Oz“ Cobblepot / Der Pinguin: Colin Farrell Bürgermeister Don Mitchell Jr.: Rupert Penry-Jones Bella Reál: Jayme Lawson |
Laufzeit | 177 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 2. Juni 2022 |
Es gibt wenige Figuren, die Popkulturgeschichte schrieben, wie die Figur Batman. Was weltweite Bekanntheit angeht, mag Marvel zurecht die Kinokassen beherrschen und die Erzählstruktur im Kino revolutioniert haben – doch sind es die Figuren Superman und Batman, die eine gefühlte Omnibekanntheit haben. Der Zuschauer kann seine Großeltern oder Eltern fragen. Die mögen sich an so viele Geschichten, Graphic Novels oder seiner Zeit schlicht – Comic-Geschichten erinnern und über Batman sinnieren. Darunter fallen die ikonischen Geschichten Batman Year One, Hush, die moderne Adaption des Wayne-Vermächtnisses, Court of Owls, A Long Halloween sowie die Interpretation Gothams nach einer Tragödie: No Man’s Land. Alle diese Geschichten haben etwas gemeinsam: Sie zeigten zu ihrem Erscheinen neue Facetten des maskierten Rächers und erzählen Geschichten, die Leser und Fans bis dato nicht kannten. Insbesondere Court of Owls stellt das Vermächtnis der Waynes und damit Batmans Sinnhaftigkeit ernsthaft in Frage und spielt mit den Erwartungen eingefleischter Fans.
Still a better Love Story than …
Genau mit diesen Erwartungen spielt auch Matt Reeves. Wie bei James Bond ist das Casting des neuen Haupthelden ein wahres Happening. Begleitet von allen interessanten, schönen und hässlichen Nebengeräuschen. Als das erste Mal der Name Robert Pattinson von DC und Warner Bros. in den Ring geworfen wurde, wurde laut und ungehobelt gepöbelt und geschimpft. Der „blöde glitzernde Vampir“ ist die harmloseste Verunglimpfung der toxischen sozialen Medien. Was wurde nicht alles behauptet. Kein Charisma. Kein Talent. Er habe nicht das Kinn. Es fehlen die Muskeln. Überhaupt sei Pattinson kein „Householdname“ der ernsthalft mit „The Batman“ in Verbindung gebracht werden dürfe. Die Spirale der Anfeindungen fing an und der geneigte Zuschauer durfte sich an den Cast von Heath Ledger als Joker und Daniel Craig als kürzlich abgetretener Doppel-Null-Agent erinnert fühlen.
Cancel Culture vs. soziale Medien
Die Diskussion wurde blutleer und ohne ernsten Inhalt geführt. Pattinson könne nicht schauspielern? Wurde Leonardo DiCaprio vor Titanic auch vorgeworfen. Heute gibt es kaum jemanden, der so einen Nonsense behaupten würde. Pattinsons abwechslungsreiches Talent hat er bereits zusammen mit Willem Dafoe in dem superben Film Der Leuchtturm unter Beweis gestellt. In der Beliebtheitsskala steht Michael Keatons Batman von 1989 sowie 1992 an einsamer Spitze. Hierbei vergessen Fans, Zuschauer und Kritiker eines: Auch dieser Schauspieler und grandiose Batman wurde von einigen „Fans“ per Petition versucht zu stoppen. Cancel Culture existierte bereits vor über 30 Jahren, nur ohne die heutigen Plattformen. Einzig die Frage nach den Muskeln darf gestellt werden.
Respekt vor der Figur und dem Vermächtnis
Doch hier greift Reeves ein und beweist, dass er sich anders als ein erfolgreicher Christopher Nolan mit der Figur Batman und der Welt, in der er sich bewegt, auseinandergesetzt hat. Die Figuren bieten einen gewissen Interpretationsraum (Commissioner Gordon, Carmine Falcone), doch wirken nicht entfremdet. Im Gegenteil. The Batman spielt in einer rohen, gewalttätigen und dreckigen Welt. Voller Wut – kurz vor dem Kollaps. Jeder Schritt könnte ein Pulverfass zum Explodieren bringen. Als Zuschauer fragt man sich lediglich: Welches Fass wird es sein? Denn dieser Batman unterscheidet sich stark von den anderen. Er zeigt Batman in den Anfängen, wie es sich damals Frank Miller in Year One vorstellte. Desillusioniert. Wütend, unsicher. Als Zuschauer lauscht man Bruce Waynes innerem Monolog – und ist überrascht wie oft dieser Held, den wir alle lieben, wortwörtlich auf die Fresse bekommt. Er ist noch nicht der Held. Davon ist er weit, weit entfernt. Er sinnt nach Rache und irrt durch die Nacht auf der Suche nach einem Sinn für sein Handeln. In den 177 Minuten Spielzeit wohnen wir einer Therapiestunde Bruce Waynes bei. Nicht der von Batman – nein. Von Bruce Wayne.
Ich kombiniere – er ist tot – in Spanisch
Matt Reeves schmeißt den Zuschauer ins Geschehen und erzählt nicht die 89. Geburtsstunde von Batman. Der Zuschauer wird Zeuge, wie Batman in seinen Anfängen auf Gadgets, Technik und Anzug angewiesen ist. Seine Bewegungen sind stark – aber nicht überlegen. Überlegen sind die Technik und seine Kombinationsgabe. Lange wurde „the World’s Greatest Detective“ übergangen und auf reine Kampferfahrung reduziert (Ben Affleck hat dies in Batman vs. Superman perfektioniert). Reeves stellt dieses Detail in den Vordergrund. Batman muss missmutig und griesgrämig die Maske Bruce Wayne aufsetzen. Denn Batman ist ein Produkt der Gewalt und der Umstände, in denen sich Gotham befindet. Er ist die Nacht, der Schatten. Doch muss er erst in diesen Flügel des Terrors hineinwachsen. So ist es unglaublich interessant zu sehen, dass viele Einstellungen und Interaktionen zwischen Selina Kyle (Zoë Kravitz, Big Little Lies) sowie Commissioner Gordon (Jeffrey Wright, Westworld) nicht in tiefer Nacht passieren, sondern in den Übergängen zwischen Tag und Nacht.
It smells like something new
Reeves gab selbst zu, dass er sich beim Schreiben des Drehbuchs beeinflussen ließ. Bruce Waynes Erscheinung erinnert das ein oder andere ältere Semester vielleicht an jemanden. Die musikalische Untermalung Nirvanas mit „Something in the Way“ ist Seattle-Sound pur. Hässliche Ästhetik, verzerrte Gitarren und Lyrics, die Poe zum Nachdenken gebracht hätten. All diese Gefühle transportiert Reeves mit The Batman und lässt die schwere Last Gothams auf seinen noch jungen und nicht breiten Schultern krachen.
Jeder lügt
Dieses Gotham ist ein Geschwür. Ein Krebs bestehend aus Angst, Terror, Gewalt und Korruption. Durch diese Verwurzelung bis tief in die Elite ist ein Ausdünnen der Angst schier unmöglich. Jeder lügt, jeder verweilt im Zentrum des Tumors zusammen mit der Mafia in der Iceberg Lounge des Penguins (nicht zu erkennen: Colin Farrell, The Gentlemen). The Riddler ist in diesem Sumpf vermutlich noch ehrlicher als Batman selbst. Er will die Stadt brennen bzw. ertrinken sehen. Alles ausdünnen, was lügt und etwas verbirgt.
I am Batman
The Batman zelebriert harten Realismus und Reeves spielt mit den Erwartungen des Zuschauers. Es ist keine „Comicverfilmung“ sondern eine fast schon pervers-ehrliche Selbstreflektion der aktuellen Welt mit all ihren Konflikten. Reeves’ The Batman bedient sich dabei allen Elementen eines klassischen Blockbusters und hebt sich dennoch vor allem akustisch und visuell von anderen Vertretern des Genres ab. Dies mag den einen oder anderen Zuschauer irritieren oder gar verärgern. Denn es ist nicht die leichte Kost, in der am Ende alles klar in gut/schlecht oder tot/lebendig gegliedert ist. Freunde der Graphic Novels werden komplette Takes und Settings wiedererkennen – alleine die Fahrt und Begleitung von Selina Kyle zur Kreuzung, die aus Gotham herausführt – Gänsehaut, wer die Vorlage kennt und Gänsehaut, wer die filmische Ausgangslage wahrnimmt. Genau aus diesem Grund und Reeves Ehrfurcht vor den Ausgangsmaterialien machen The Batman zu einem extrem spannenden Film.
Fazit
The Batman ist Batman Year One und No Man’s Land zum Ende hin. Der Star in diesem vielschichtigen Epos ist weder Batman noch der soziopathische Riddler. Es sind die Bewohner Gothams. Sie sind leidtragende in einer Welt, die gezeichnet von Konflikten und purer Angst ist. Schritt für Schritt, mit jedem weiteren Mord, erfährt der Zuschauer mehr über die Motivation des Riddlers. Das konstruierte Netzwerk aus Lügen, auf der sich die Macht der Elite in Gotham aufbaut, wird gewaltsam und unter den Augen der Öffentlichkeit aufgedeckt. Somit ist niemand in Gotham unschuldig und kann von sich behaupten: Wir konnten es ja nicht ahnen. Batman muss sich hier zurechtfinden, wofür Pattinson diese Bandbreite an Gefühlen und Emotionen auf den Punkt liefert. Stellenweise erinnert The Batman an David Finchers Sieben. Das Katz-und-Maus-Spiel, das hervorgerufene Leid, nur um festzustellen, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Für den ganz großen Wurf hat es nicht gereicht. Was vielleicht aber nicht in der Macht von Reeves und noch weniger an dem großartigen Cast lag. Einige Elemente des Films, insbesondere zum Showdown hin, wirken gehetzt und zu inszeniert. Riddler entlädt die Wut, die Batman in sich trägt. Eine Wut auf die Welt, wie sie ist und künstlich am Leben erhalten wird. Eine „Erneuerung“ ist eine Mogelpackung. Schlichtweg: Die heutigen Nachrichten sind die uninteressanten Randnotizen von morgen. Reeves spielt immer und immer wieder mit diesen Einstellungen und Wahrnehmungen aufmerksamer Zuschauer. Um jedoch ein entsprechendes Budget zu erhalten und Ergebnisse einzufahren muss – ohne Wertung – auch der von Begriff schwerfällige 08/15-Zuschauer etwas seichte Symbolik und Handlung erhalten. Dass dies am Ende auf das Event-Publikum zugeschnitten ist, mag man verzeihen, dennoch wirkt es eher als Stilbruch.
© Warner Bros.
Veröffentlichung: 2. Juni 2022
Mir hat der Film sehr gut gefallen, was ich so nicht erwartet hätte. Eigentlich bin ich nämlich gar nicht der größte Fan von Batman als Figur selbst, hab einfach nette Popcorn-Unterhaltung erwartet. Aber der Film ist wirklich fast das Gegenteil davon! Die düstere Stimmung, der Fokus auf Batman als Detektiv und die Verdorbenheit von Gothan City selbst haben mir extrem gut gefallen. Aber auch die Action-Szenen sind natürlich ein Kracher, die waren wirklich fürs Kino gemacht. Da war dann selbst die stolze Laufzeit fast vergessen, zumal ich auch die Leistung des Hauptdarstellers wirklich überzeugend finde (eigentlich unfair, dass er mit Kristen Stewart das Schicksal teilt, immer auf die Twilight-Rolle reduziert zu werden).
Könnte tatsächlich mein neuer Lieblingsfilm im DC-Universum sein.
Der Film ist ohne Frage gelungen. Mir gefällt die Detektivarbeit, die hier geleistet wird ebenso der durch die Bank prima besetzte Cast. An Robert Pattinson glaube ich schon lange und bin seit High Life großer Fan von ihm. Ich hoffe inständig, dass diese versuchte toxische “Fan”base es jetzt nach allen vorab zerrissenen Darstellern gelernt hat und das nächste Mal weniger aggressiv vorgeht.
Zurück zum Film: Matt Reeves erzeugt ein paar der schönsten Bilder des Franchises, Michael Giacchinos Score ist die perfekte Untermalung dazu. Als Neo-Noir-Krimi gefällt mir der Film ziemlich gut. Trotzdem möchte ich ihn nicht mehr sehen. Dafür ist er mir zu langwierig, zu zäh und auch zu sehr auf David Fincher getrimmt. Dem Film selbst will ich damit gar nicht Unrecht tun. Nur ist das nichts, was man sich so zwischendurch mal reinzieht (was leider auf fast alle DC-Produktionen der letzten Jahre zutrifft).
The Batman hat mir sehr gut gefallen, finde den Film sehr spannend und besser als die anderen Filme von Batman (The Dark Knight fand ich so zäh und langweilig). Ich möchte ihn mir später (als Stream oder Blu-Ray) noch mal ansehen. Robert Pattinson hat auch überzeugend gespielt, hoffentlich wird er nicht weiter auf seine Glitzer-Vampir-Rolle reduziert.