Respira: Transgenesis

Der argentinische Film zählt zu wichtigsten spanischsprachigen Filmmärkten. Eher selten kommt es vor, dass Genre-Titel wie What the Waters Left Behind die Möglichkeit bekommen, Argentinien auch in unserer Wahrnehmung als Filmmarkt zu etablieren. Dabei müssen die Produktionen den internationalen Vergleich hinsichtlich ihrer Produktionswerte in keiner Weise scheuen, wie Gabriel Griecos Thriller Respira: Transgenesis untermauern kann. Darin bringt er ein Thema zur Sprache, über das noch nicht bereits hunderte Produktionen gedreht wurden, nämlich den inländischen Konflikt um den Einsatz von Chemikalien bei Soja-Plantagen und deren Folgen für die Einheimischen. Seine Europa-Premiere fand auf dem Obscura Filmfest 2019 statt.

Ein grüner Teppich, soweit man blicken kann: Soja-Felder. Argentinien ist weltweiter Nummer 1-Exporteur des beliebten Guts.
Um seine Familie über die Runden zu bringen, nimmt der Vater Leonardo (Lautaro Delgado, Kryptonita) vorübergehend eine Arbeitsstelle mitten auf dem Land an. Als Pilot soll er Soja-Plantagen beräuchern, um diese vor Schädlingen zu schützen. Das neue Heim sorgt hingegen bei seiner Frau Leticia (Sofía Gala, Jeder hat einen Plan) für besonders viel Unmut. Sie sitzt derweil alleine mit Sohn Manuel (Joaquín Rapalini) herum, das Haus ist heruntergekommen und weit und breit betet sich keine Einkaufsgelegenheit. Obwohl Leonardo ihr verspricht, dass der Aufenthalt nur für einen kurzen Moment ist, steht zu Hause eher Streit an. Dagegen läuft es an seinem neuen Arbeitsplatz geradezu friedlich ab. Bis er einem Geheimnis auf die Schliche kommt, das die Familie in Gefahr bringt …

Ein real existierendes Problem wird zum Thriller

Originaltitel Respira – Transgenesis
Jahr 2019
Land Argentinien
Genre Thriller
Regisseur Gabriel Grieco
Cast Leonardo: Lautaro Delgado
Leticia: Sofía Gala
Benitez: Gerardo Romano
Manuel: Joaquín Rapalini
Laufzeit 77 Minuten

Gabriel Grieco (Still Life) hat für seinen dritten Langfilm nicht nur den Regieposten übernommen, sondern selbst das Drehbuch geschrieben. Dabei bringt er einen Blickwinkel ein, den wir als Endkonsumenten gar nicht besitzen (können), wenn unser Soja-Schnitzel auf dem Teller liegt. Die Weltbevölkerung wächst, damit auch der Hunger, und der Soja-Anbau gewinnt an Bedeutung. Um die Plantagen frei von Schädlingen zu halten, werden chemische Bekämpfungsmittel eingesetzt, mit denen die Felder breitflächig aus der Luft bestäubt werden. Ein Geschäft auf Kosten der Menschen. Denn Soja ist wichtig für den argentinischen Staat, der 35 Prozent der Erlöse für sich einnimmt. Dass ein neu hinzugezogener Pilot nicht die Sympathien der Dorfbevölkerung auf sich zieht, ist selbsterklärend.

Tiefsitzender Konflikt

Lange Zeit zehrt der Film davon, dass Leonardo in seiner Leidenschaft fürs Fliegens voll aufgeht, während der Haussegen auf der anderen Seite schief hängt. Darum bemüht, Beruf und Privatleben zusammenzuhalten, muss sich Leonardo zunehmend auf Konflikte einlassen. Denn auch Leticia ahnt bereits, dass Leonardos Chef in irgendeiner Weise ein Schmierfink sein muss. Solange ist Leonardo vor allem dem Misstrauen der anderen Bewohner und deren Anfeindung ausgesetzt. Hier tut sich Respira: Transgenesis einen Gefallen darin, dies nicht zu einer blinden Hetzjagd ausarten zu lassen. Die Bewohner scheinen zu wissen, dass auch ein Pilot hierbei nur die ausführende Kraft ist. Macht nicht Leonardo den Job, übernimmt ihn ein anderer. Innerhalb dieses Konflikts verliert seine Rolle somit an Bedeutung.

Unwissend in die Schusslinie begeben

Bis der Film in die Gänge kommt, zieht ein wenig Zeit ins Land. Obwohl in einer Einführungsszene bereits angeteasert wird, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, wird das Schicksal von Leonardos Vorgänger erst einmal bis zu einem Kneipengespräch nicht weiter ausgeführt. Dann geschehen die Dinge plötzlich alle gleichzeitig. Trottete die Handlung eben noch gemächlich voran, kommt es zu einer Initialzündung, die gleich mehrere Dinge ins Rollen bringt. So, als müsse nun etwas geschehen, um die Bezeichnung Thriller noch rechtfertigen zu können. Den ärgerlichsten Teil trägt dazu Leticia bei, die pausenlos am Zetern ist und damit unnötig Emotionen in die Handlung bringt. Obwohl Leonardo ihr erklärt, dass er selbst daran interessiert ist, diese Lebensphase schnellstmöglich wieder zu beenden, denkt sie nur an sich. Leticia steht exemplarisch dafür, dass neben Leonardo ausschließlich Unsympathen existieren. Seine Frau motzt pausenlos, sein zwielichter Chef lässt sich auch mal beim Pornoschauen stören und die anderen Bewohner sind von einer eigenen Motivation getrieben. Also hängt man sich als Zuschauer an Leonardo, der mit dem eigentlichen Konflikt im Grunde wenig zu tun hat. Er ist nur die ausführende Kraft und steht allenfalls in der Schusslinie. Hierin besteht das größe Problem des Films: Man sympathisiert zwangsweise mit einem Charakter, dessen Beteiligung viel zu klein ausfällt. Familie retten, ja. Aber das große Problem ist ein anderes, egal ob daran nun finstere Machenschaften gehängt werden oder nicht. Die Eigenbeteiligung des Zuschauers fällt erschreckend gering aus, weil man auch nicht dazu kommt, mit irgendwem mitfiebern zu dürfen.

Gift auf der Leinwand

Auf technischer Ebene überzeugt die Produktion vor allem mit Schauwerten: Der Regisseur setzt auf viele Naturbilder, lässt uns aber auch ein Gewitter so richtig miterleben. Insbesondere bei einem Thema wie der Einatmung von Giften, welches über Bilder schwierig vermittelt werden kann, sind andere Hebel notwendig. Hier weiß Grieco insbesondere in der letzten Szene ein Ausrufezeichen zu setzen. Wind über den Feldern und ein tiefes Einatmen unterstreichen die Bedeutung einer sauberen Luft. Musikalisch kommt vor allem einheimische Folklore zum Einsatz. Alles andere wäre auch unpassend für einen Titel, der ländlicher kaum sein könnte. Die Inszenierung ist gefällig und muss internationale Vergleiche nicht scheuen.

Fazit

Respira: Transgenesis macht sich ein wichtiges Thema zur Aufgabe. In seinen ruhigen Erzählanteilen funktioniert der Film am besten, da man sich auch als Zuschauer zunehmend damit auseinandersetzt, welche Begleiterscheinungen so ein Soja-Anbau eigentlich mit sich bringt. Sobald der Film an Geschwindigkeit aufnimmt, verliert man sich in einem Konflikt, in dem die emotionale Beteiligung viel zu gering ausfällt. Es hätte dem Film gut getan, inhaltlich mehr Zeit verstreichen zu lassen und auch seine Figuren vielschichtiger anzulegen. Bei aller Bedeutung des eigentlichen Problems bleiben Leticia und Leonardos Boss einfach eindimensionale Ärgernisse, die man auch nicht vermissen würde. Wo erzähltechnisch noch Nachholbedarf herrscht, fällt immerhin die Inszenierung gefällig aus.

© Black Mandala

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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