Red Sparrow
Schon im Vorfeld machte Red Sparrow von sich Reden als der Film, “in dem die Lawrence blank zieht”. Dabei steckt hinter Red Sparrow doch mehr Komplexität als man es dem Genre des Spionagefilms zunächst zuschreiben würde. Der in Wien geborene Regisseur Francis Lawrence (Teil 2 bis 4 von Die Tribute von Panem) besetzte einmal mehr Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence (Passengers) mit der Hauptrolle, die nicht jede Schauspielerin mit Bravour füllen kann, da sie viel abverlangt. In dem Roman, auf dem der Film basiert, ließ Autor Jason Matthews seine mehr als 30 Jahre Spionagetätigkeit einfließen und stellt die Behörden sowohl auf russischer als auch US-amerikanischer Seite als hochkomplexe Organisation dar. Davon profitiert vor allem die Authentizität von Red Sparrow.
Dominika (Jennifer Lawrence) ist eine Weltklasse-Primaballerina. Bis es eines Tages während einer Vorführung zu einem Unfall kommt und sie nie wieder tanzen darf. Ihr Onkel Vanya (Matthias Schoenaerts, A Bigger Splash) macht ihr das Angebot, stattdessen im Rahmen eines russischen Red Sparrow-Programms zur Geheimagentin ausgebildet zu werden. Aus Sorge um ihre kranke Mutter willigt Dominika ein und wird bald unter der strengen Ausbilderin Matron (Charlotte Rampling, Assassin’s Creed) an einer geheimen Akademie angeleitet. Das Training ist hart und die Schüler lernen nicht nur zu kämpfen, sondern auch mit den Waffen der Psychologie und Verführung umzugehen. Mit Abschluss der Ausbildung wird Dominika auf den CIA-Agenten Nathaniel Nash (Joel Edgerton, King Arthur) angesetzt, um den Namen eines Maulwurfs in Erfahrung zu bringen. Doch ihre Tarnung scheint frühzeitig aufzufliegen…
Sex und Gewalt für die Geschichte
Originaltitel | Red Sparrow |
Jahr | 2017 |
Land | USA |
Genre | Action |
Regisseur | Francis Lawrence |
Cast | Dominika Egorova: Jennifer Lawrence Nathaniel „Nate“ Nash: Joel Edgerton Ivan Egorov: Matthias Schoenaerts „Matron“: Charlotte Rampling Senatorin Stephanie Boucher: Mary-Louise Parker General Vladimir Korchnoi: Jeremy Irons |
Laufzeit | 141 Minuten |
FSK |
Die Handlung des Romans Operation: Red Sparrow ist an russische Vorbilder der 70er und 80er angelehnt. In äußerst fragwürdigen Ausbildungseinheiten werden Schüler gezwungen, sich vor anderen zu entblößen und sexuelle Handlungen durchzuführen. Die psychische Peinigung hat das Ziel der emotionalen Selbstaufgabe. Für die Mission und das Zielobjekt gilt es, alles zu geben und wenn es das letzte Stück Moral, Ehre oder Selbstwertgefühl ist. Dominika ist allerdings eine äußerst scharfsinnige Person, der es selbst innerhalb harter Lektionen gelingt, das Machtgefüge zu verschieben und die sexuelle Dominanz anderer Mitschüler zu besiegen. Beinahe die gesamte erste Stunde des Films geht für Dominikas Ausbildung drauf. In dieser Zeit wird mit sexuellen Reizen nicht gegeizt. Selten ausbeuterisch in Szene gesetzt, sondern viel eher mit einem Schwerpunkt auf der Wirkung auf den Zuschauer, wenn es darum geht, die skrupellosen Methoden und das grausame Vorgehen der Agenten in Spe zu unterstreichen.
Erkennbare Wirklichkeitsnähe
In der zweiten Hälfte verschiebt sich der plakative Fokus anschließend in Richtung Gewalt und das auf eine derart brutale Weise, dass die Glaubhaftigkeit des Films davon maßgeblich profitiert. Nicht nur physische, sondern auch psychische Foltermethoden werden ausführlich dargestellt und können schockierende Akzente setzen. Im Gegensatz zu einer breiten Masse an Hollywood-Spionen wie Ethan Hunter (Mission Impossible-Reihe) oder James Bond (007-Reihe) kommt die ungeschönte Darstellung hier voll zum Tragen. Während es bei besagten Agenten vergleichsweise entspannt zugeht, kennt Red Sparrow in keiner Sekunde Erbarmen.
Risikofaktoren Länge & Komplexität
Mit seinen üppigen 141 Minuten Spielzeit nötigt Red Sparrow nicht wenig Geduld ab. Trotz imposanter Szenen überwiegen unaufgeregte und dialogzentrierte Sequenzen, die wichtig für das Katz- und Mausspiel zwischen allen Beteiligten sind. Die Figuren wechseln häufiger ihre Gesinnung, sodass es nicht einfach ist, den vollen Überblick darüber zu behalten, wer nun wen hinters Licht führt und für wen arbeitet. Dass dies Aufmerksamkeit und genaues Verfolgen einzelner Handlungsschritte einfordert, versteht sich von selbst. Geschuldet ist das der Komplexität der Operationen und Wirkungsweisen von Spionagebehörden, für die Autor Matthews tief in die Materie eintauchte. Keine einfache Aufgabe für Drehbuchautor Justin Haythe (A Cure For Wellness) den komplexen Stoff entsprechend zu adaptieren. Auf der schauspielerischen Seite wird ausschließlich geglänzt: Matthias Schoenaerts verleiht seiner Figur Vanya das nötige Hasspotenzial, während Joel Edgerton die richtige Balance zwischen Charme und Undurchschaubarkeit findet. Jennifer Lawrence’ Präsenz füllt ganze Räume und mit nur einem dramatischen Wimpernschlag weiß sie, die gesamte Szene zu ihrer zu machen.
Fazit
Auf einen solch kühlen und unberechenbaren Trip wie Red Sparrow muss man sich einlassen. Typisches Popcornkino ist dieser Film in keiner Weise: Dafür überwiegen die ruhigen Szenen zu stark. Für ‘rundere’ weibliche Action ist man mit dem poppigen Atomic Blonde besser beraten. Wer mehr Materie, Substanz und Schonungslosigkeit möchte, landet mit Red Sparrow einen Glücksgriff.
Zweite Meinung:
Während Atomic Blonde eine vergangene Zeit selbstironisch zelebriert, versucht Red Sparrow diese wieder aufleben zu lassen. Gespickt mit Klischees, überzogener sexuellen Gewalt, und uninspirierten Dialoge schafft es der Film, eine alte Geschichte in 2 Stunden und 38 Stunden breitzutreten.