Rabid

Der Sinn oder Nichtsinn von Remakes wurde schon vielerorts heftig diskutiert. Fakt ist, dass jede neue Technik-Ära ein neues Publikum besitzt. Im HD-Zeitalter wächst also eine neue Generation heran, welche viele Horror-Klassiker gar nicht kennt und vermutlich aufgrund ihres Alters nie ansehen würde. Da kommt ein Remake doch wie (nicht) gerufen! Rabid von David Cronenberg erschien bereits 1977 und gehört zu den Klassikern des Body-Horror-Genres. Mit den Soska Sisters Jen und Sylvia haben sich zwei Regisseurinnen den Titel für ein Remake geschnappt, die mit ihrem American Mary bereits auf sich aufmerksam machten und ebenfalls Experten auf diesem Metier sind. Bei diesem Stoff von einer Frischzellenkur zu sprechen, trägt eine gewisse Ironie mit sich.

Rose (Laura Vandervoort, Jigsaw) beweist sich jeden Tag aufs Neue. Sie liebt ihren Job, arbeitet aber in einer Branche, in der Neid und Hänseleien an der Tagesordnung stehen. Die Modebranche ist ein hartes Pflaster, nicht nur für die Designerin des Labels “House of Gunter”. Die Kollektion trägt den Titel “Schadenfreude” (sic!) und passt zu dem Verhalten ihrer Kolleginnen, die Laura als graues Mäuschen von oben herab behandeln. Als sie sich überreden lässt, mit einer Kollegin abends auf eine Party zu gehen, kommt es zur Eskalation. Laura stürmt hinaus und es kommt zu einem Unfall, der ihr Gesicht vollständig entstellt. Eine Möglichkeit, wieder zu ihrem alten Ich zu gelangen, bietet eine experimentielle Therapie. Völlig zufrieden mit dem Wunderergebnis gewinnt Laura neues Selbstbewusstsein – und extremen Apettit auf rohes Fleisch und Blut.

Mikrowellenfleisch

Originaltitel Rabid
Jahr 2019
Land Kanada
Genre Horror, Thriller
Regisseur Jen & Sylvia Soska
Cast Rose: Laura Vandervoort
Chelsea: Hanneke Talbot
Brad: Benjamin Hollingsworth
Günther: Mackenzie Gray
Dr. Keloid: Stephen McHattie
Laufzeit 107 Minuten
FSK

Die 2019er Fassung von Rabid verlässt bereits zu Beginn die Bahnen des Originals, wodurch für Kenner auch gleichzeitig nervige Vergleiche entfallen. Ob der Transfer in die heutige Zeit gelungen ist, läuft schließlich wieder auf die Frage nach Sinnhaftigkeit von Remakes hinaus. So dünn wie der Plot klingt, verläuft aber schließlich auch der Rest der Handlung, Die erste Fassung mag bereits keine Sternstunde des Storytellings sein, doch so oberflächlich und hanebüchen, wie hier die plotrelevanten Ereignisse abgehakt werden, bleibt für eine glaubhafte Entwicklung keine Zeit. “Entwicklung”, das ist das Schlagwort. Denn die einzige Evolution durchläuft Roses Körper, während ihre zwischenmenschlichen Verhältnisse besser nicht weiter hinterfragt werden sollten. Die Beziehung zu ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Chelsea (Hanneke Talbot, Ready or not), bleibt trotz aller Umstände blutleer und die Romanze mit Brad (Benjamin Hollingsworth, Vendetta) wird zwischenzeitig einfach aus Eis gelegt, bis sie zwecks Drama wieder benötigt wird. Auch über Rose gibt es nicht viel zu erzählen: Sie ist zu Beginn absichtlich blasser geschminkt und die alte Faschingsbrille muss herhalten, ehe sie zum sexy Vamp aufsteigt. Damit gehört auch die alte Persönlichkeit der Vergangenheit an.

Gewaltspitzen hui, Rest pfui

Der Einblick in die Modebranche strotzt vor Klischees, ist aber weder lustig, noch bissig genug, um einen Mehrwert zu liefern. Das hat man in dieser Form auch schon mehrfach pointierter erlebt. Immerhin sorgt das an Karl Lagerfeld erinnernde Comic Relief Gunther (Mackenzie Gray, Legion) regelmäßig für Lacher, denn ohne ihn bleibt sonst nur noch Roses Fleischeslust, welche völlig überspitzt dargestellt wird. Diese Satire setzt sich selbst im OP-Saal der Ärzte fort, die in roten Kitteln am Werk sind, was eher an einen Sektenkult als an Klinikpersonal erinnert. Humor ist und bleibt Geschmackssache, als herausragend gelungen dürfen dagegen die Gewaltexzesse beschrieben werden. Was alles mit Menschenkörpern angestellt wird, sieht nicht nur abgefahren aus, sondern ragt ins Groteske. Vor allem das Finale besitzt echte Silent Hill-Vibes. Da ist es schade, dass die zugehörige Psychologie auf der Strecke bleibt. Zwar haben wir einen Oberarzt, der die ganze Zeit von Träumen spricht, fundierter wird es trotzdem nicht. Anstelle also an irgendeinem Punkt eine Vertiefung vorzunehmen, kommt das Drehbuch auf die selten blöde Idee, den Virus auf den Rest der Bevölkerung auszudehen. Panik, die nichts bewirkt.

Fazit

Rabid (2019) ist keine Hauptmahlzeit, sondern allenfalls ein Snack für Freunde expliziter Body Horror-Momente. Deswegen kann man den Titel als Tribut an das Genre betrachten, für weitere Höhepunkte reicht es einfach nicht. Besonders ärgerlich ist die fehlende Ausarbeitung sämtlicher Figuren. Rose legt einen 180 Grad-Kurswechsel nach ihrem Klinikaufenthalt hin und von da an nimmt man ihr schlicht gar nichts mehr ab. Plumpes Drehbuch, fade Figuren, ein paar deftige Effekte. Letztere sollten für die wenigsten 107 Minuten Lebenszeit wert sein.

© Splendid Film

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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