Into the Wild – Die Geschichte eines Aussteigers
Schon einmal darüber nachgedacht, einfach alles sausen zu lassen? Familie und Verpflichtungen hinter sich lassen, den Rucksack packen und ohne Geld losziehen? Die Geschichte des Aussteigers Christopher McCandless, der angewidert von der Konsumwelt das Abenteuer auf einem Reisetrip in die Wildnis suchte, machte von sich Reden. Die auf seinem Tagebuch basierende Geschichte wurde 2007 als Into the Wild von Schauspieler und Regisseur Sean Penn verfilmt. Dafür gab es den Gotham Award als bester Film und besonders viel Aufmerksamkeit für Emile Hirsch (Freaks), der bis dahin nur in wenigen Filmen mitgewirkt hatte. Welche Gedanken sind es, die einem losgelöst von unserer Welt in den Sinn kommen und welche Lehren zieht ein Reisender?
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Sommer 1990: Christopher wuchs in einem behüteten Elternhaus auf und seine außergewöhnliche Begabung brachte ihm einen erstklassigen Abschluss ein. Er sieht gut aus, besitzt einen umwerfenden Charme und ist finanziell unabhängig. Der 20-jährige lebt ein Leben, um das ihn die meisten beneiden würden. Von heute auf morgen entschließt er sich, sein privilegiertes Dasein an den Nagel zu hängen. Ohne einen Cent in der Tasche trampt er durch die USA. Sein Ziel: Alaskas Wildnis. Auf seinem Weg dorthin trifft er andere gesellschaftliche Aussteiger und spürt Wärme, die er von seinen Eltern (William Hurt, Marcia Gay Harden) nicht bekam. Wohin führt sein Abenteuer?
Wie weit kann einen der eigene Idealismus führen?
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Originaltitel | Into the Wild |
Jahr | 2007 |
Land | USA |
Genre | Abenteuer, Drama |
Regie | Sean Penn |
Cast | Chris McCandless: Emile Hirsch Billie McCandless: Marcia Gay Harden William Hurt: Walt McCandless Carine McCandless: Jena Malone Jan Burres: Catherine Keener Wayne Westerberg: Vince Vaughn Tracy Tatro: Kristen Stewart |
Laufzeit | 148 Minuten |
FSK | ![]() |
Jon Krakauers Buch Into the Wild erschien 1996 und avancierte zu einem vieldiskutierten Bestseller. Für die Adaption aber wollte Penn die Zustimmung von McCandless Familie. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis der Film realisiert werden konnte. Die Geschichte des Christopher McCandless, der nach seinem Schulabschluss all seine Ersparnisse spendete und in die Wildnis aufbrach, ist nämlich eine besondere, die erst einmal verstanden werden will und sich nicht als einfacher Roadtrip abtun lässt. Denn der 1968 geborene McCandless war unabhängig und trug einige Bücher jener Schriftsteller mit sich, die schon im 19. Jahrhundert, zu Beginn der Industrialisierung, die Sehnsucht eines alternativen Lebens in naturverbundener Ursprünglichkeit ausdrückten: Leo Tolstoi, der ein asketisches Leben führte, der Abenteurer Jack London, der Transzendentalist Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau, der in Walden, oder Das Leben in den Wäldern von seinem Selbstversuch in der Abgeschiedenheit einer Blockhütte berichtete. Das war 1990. Zwei Jahre später, im August, fanden Jäger die Leiche des 24-jährigen in der Wildnis von Alaska. Er war in der Einöde verhungert.
Im Einklang mit der Natur und sich selbst
In seiner Erzählweise bleibt Into the Wild streng achronologisch: Sean Penn springt in der Zeit vor und zurück, zeigt die Wildnis, das Trampen und das zurückgelassene Zuhause. Dort fungiert die zurückgelassene Schwester als ergänzende Voiceover-Erzählerin, die für die Handlung eine untergeordnete Rolle spielt, aber aus einem anderen Blickwinkel heraus kommentiert. Derweilt begegnet Christopher, der seine Identität ablegt und sich ab sofort Alex Supertramp nennt, auf seiner Reise allerhand Menschen, von denen er sich formen und beeinflussen lässt, in deren Leben er aber ebenso Fußspuren hinterlässt. Und wann immer er nach Geld gefragt wird, spricht er diesem die Bedeutung ab. Er möchte nicht einem System unterlegen sein, dessen einziges Ziel die exzessive Ausbeutung eines jeden Menschen ist und sich nur an Papierstücken messen lässt.
Majestätische Bildgewalt
Den melancholischen Soundtrack liefert Eddie Vedder, der Frontmann der Grungeband Pearl Jam, dessen tiefe Stimme zu der rauen Perfektion von Alaskas Naturspiel passt. Und diese in Worte oder Bilder zu packen, würde dem Ergebnis nicht gerecht werden. Into the Wild bietet unheimlich viel fürs Auge, lässt das Herz eines jeden Naturfreunds hüpfen und besitzt atemberaubende Szenerien. Nur eine Sache mag dabei einen dezent faden Beigeschmack haben: Nach der x-ten berauschenden Kamerafahrt über schneebedeckte Berggipfel, die von emotionalen Klängen untermalt wird, tut sich der Eindruck auf, dass all die inszenatorische Opulenz irgendwo doch dem Antrieb von McCandless widerstrebt. Schließlich lebt er von Askese und ist seine Reise ist eine puristische. Andererseits lässt das Hollywood-Kino es eben nicht zu.
Über allem steht das Zwischenmenschliche
Der Film lebt nicht nur von seinen atemberaubenden Naturaufnahmen, sondern von vielen bis dato recht unbekannten Schauspielern (etwa Kristen Stewart, die erst kurz darauf mit Twilight ihren Durchbruch feiern sollte), die ihre Rollen mit Bravour zum Leben erwecken. Emile Hirsch, der Christopher spielt, hatte eigens für die Schlussszenen etliche Kilos abgenommen und tritt erschreckend dürr auf. Jena Malone (Sucker Punch) und Vince Vaughn (Trennung mit Hindernissen) glänzen in Nebenrollen als die Schwester des Aussteigers und der Farmer, bei dem Christopher lange Zeit jobbt. Es sind die zwischenmenschlichen Szenen, die berühren.
Fazit
Sean Penn erschuf mit seinem erst vierten Spielfilm ein intimes und bewegendes Drama. Er vermeidet eine Wertung ebenso wie eine kritische Hinterfragung von Christophers Motiven. Into the Wild handelt von der bloßen, nicht erklärbaren Sehnsucht nach Freiheit, die jedem Menschen innewohnt, aber für die meisten von ihnen ein nie zu erreichendes Gefühl bleibt. Ein Schmuckstück, das nicht nur Filmfreunde erlebt haben sollten, sondern vor allem alle, die an keinerlei Materialismus hängen und von der grenzenlosen Freiheit träumen. Ob Christopher am Ende des Films “ein mutiger Idealist oder ein leichtsinniger Idiot” war, wie Krakauer in seinem Buch schrieb, liegt im Auge des Betrachters. Über den Film sollte es allerdings eine einheitliche positive Meinung geben.