David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück
Charles Dickens schrieb seinen Roman David Copperfield im Jahr 1849. Darin schilderte er das Leben seines gleichnamigen Protagonisten von der Kindheit über seine Jugendzeit bis zu dessen bewegtem Erwachsenenleben mit all seinen Begegnungen und Beziehungen. Umgeben von Freundlichkeit, Bosheit, Armut und Reichtum durchlebt der junge Mann ein aufregendes Leben im viktorianischen London. Der Roman wurde erstmals 1935 von David O. Selznick und MGM verfilmt. Dem voraus gingen bereits einige Stummfilme. Ganze 85 Jahre später darf sich Armando Iannucci (The Death of Stalin – Hier regiert der Wahnsinn) an den Stoff wagen und der Geschichte seinen eigenen Stempel aufdrücken. Das Fantasy Filmfest 2020 zeigt das lebensbejahende Historiendrama mit minimalem Vorsprung vor dem regulären Kinostart am 24. September 2020 bevor der Film am 11. Februar 2021 erscheint.
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England im 19. Jahrhundert: David (Dev Patel, Hotel Mumbai) wächst bei seiner verwitweten Mutter Clara (Morfydd Clark, Stolz und Vorurteil und Zombies ) auf und verbringt eine fröhliche Kindheit. Bis seine Mutter den strengen Edward Murdstone (Darren Boyd, Bridget Jones’s Baby) heiratet, der David zum Arbeiten in eine Flaschenfabrik abschiebt. Jahre harten Arbeitens und schlechter Bezahlung vergehen, bis eines Tages der Tod seiner Mutter David dazu veranlasst, die Flucht zu ergreifen. Er findet ein neues Zuhause bei seiner steinreichen Tante Betsey (Tilda Swinton, Doctor Strange) und deren Mitbewohner, dem exzentrischen Mr. Dick (Hugh Laurie, Dr. House). Als Schriftsteller macht er sich auf die Suche nach Familie, Freundschaft und seinem eigenen Platz in der Welt.
Odyssee durch die Höhen und Tiefen der viktorianischen Gesellschaft
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Originaltitel | The Personal History of David Copperfield |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Drama, Komödie |
Regie | Armando Iannucci |
Cast | David Copperfield: Dev Patel Uriah Heep: Ben Whishaw Betsey Trotwood: Tilda Swinton Jane Murdstone: Gwendoline Christie Mr. Dick: Hugh Laurie Steerforth: Aneurin Barnard Mr. Micawber: Peter Capaldi Dr. Chillip: Divian Ladwa |
Laufzeit | 119 Minuten |
FSK | ![]() |
Veröffentlichung: 11. Februar 2021 |
Der Blick auf die Castliste von David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück gibt allerlei hochkarätige Namen preis: Peter Capaldi, Ben Wishaw, Tilda Swinton, Hugh Laurie. Ein Cast, der sich in diesem Setting regelrecht austoben darf, was zu vielen schauspielerisch großartigen Szenen führt, deren komödiantische und teilweise auch alberne Ausrichtung nicht jeden Zuschauer erreichen wird. Stellenweise zielen Szenen bewusst auf Overacting ab und die ständig quietschenden und gackernden Figuren bleiben schlussendlich pure Geschmackssache. Dev Patel überzeugt in der Hauptrolle und trägt maßgeblich dazu bei, dass der Film ist, wie er eben ist: Dauerhaft freundlich aufgelegt und schon beinahe übertrieben fröhlich. Mit der passenden Wärme und Neugier, die seinen David Copperfield zu jener poppig-bunten Adaption macht, obwohl sie sich mitten im grauen London abspielt.
Sprudelnde Ideen werden zurechtgestutzt
Das Drehbuch selbst meint es aber nicht immer gut: Die schnellen Szenen- und Ortswechsel hetzen den Zuschauer durch die Handlung. Hieran machen sich wieder einmal klassischen Nachteile einer Buchverfilmung bemerkbar: Die gestraffte Erzählweise hält sich nicht mit Kleinigkeiten auf, sondern marschiert schnurstracks auf das Ende nach rund zwei Stunden zu. Da die literarische Vorlage allerdings kein direkt abgeschlossener Titel, sondern eine Fortsetzungsgeschichte über 600 Seiten ist, die ihre Leser immer wieder mit neuen abstrusen Einfällen bei Laune halten soll, muss es echte Arbeit gewesen sein, den Wildwuchs auf Spielfilmlänge zu kürzen. Dazu zählt beispielsweise das Auslassen diverser im Original wichtiger Todesfälle, mal abgesehen von Claras plotgetriebenen Tod. Und auch die Zeichnung der Charaktere lässt durchsickern, ursprünglich mal aus mehr Facetten zu bestanden zu haben. Etwa Uriah Heep (Ben Whishaw, London Spy), einer der berühmtesten Fieslinge der Literatur.
Fehlender roter Faden, erstickte Dramaturgie
Was in David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück nicht zünden will, ist der dramatische Aspekt. Es fehlt die nötige Fallhöhe, um innere und äußere Konflikte auch spannend genug erscheinen zu lassen. Armando Iannucci, bekannt für Comedy und Satire, heftet jeder Szene etwas Witziges an. Selbst wenn der kleine David gezwungen wird, in der Fabrik zu arbeiten, hat das etwas Niedlich-Belustigendes an sich und fällt längst nicht so dramatisch-rührselig aus wie der Fakt selbst anklingen mag. Ein postmoderner Anstrich erfolgt allerdings durch eine eingefügte Meta-Ebene, auf welcher beispielsweise der erwachsene David über sein jüngeres Ich spricht. Nur einer von vielen verspielten Einfällen, die aber nicht darüber hinwegtrösten können, dass sich die Handlung konstant auf einer Ebene abspielt. Ganz ohne inhaltliche Höhen und Tiefen, von einem roten Faden ganz zu schweigen.
Fazit
Als skurrile Historienkomödie funktioniert David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück in jedem Fall und gibt dank des prominenten und energetischen Casts auch eine gute Figur ab. Als Drama hingegen versagt der Film und bietet nur wenige ernste Untertöne an. Sobald die Handlung auch nur minimal den Anspruch erheben möchte, eine solche Richtung einzuschlagen, springt das Drehbuch wieder hinter dem Gebüsch hervor, um den Versuch im Klamauk-Kakao zu ertränken. Wen all das nicht stört, wird sich innerhalb der kreativen Inszenierung schnell zu Hause fühlen und jede Sekunde als Ereignis erachten.
© eOne Entertainment
Veröffentlichung: 11. Februar 2021