Bombshell – Das Ende des Schweigens
Der #MeToo-Skandal um Harvey Weinstein brachte 2017 nicht nur Vorwürfe und Empörung mit sich, sondern vor allem eine gesteigerte Aufmerksamkeit für das in Hollywood dominierende Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau, in allen Belangen: Bezahlung, Besetzung und vor allem künstlerische Beachtung. Erst ein Jahr zuvor trat ein ähnlicher Fall auf, der vergleichsweise geringe Beachtung fand. Die Fernsehmoderatorin Gretchen Carlson erhob nach ihrer Entlassung bei dem TV-Sender Fox News schwere Vorwürfe gegenüber ihrem einstigen Vorgesetzten, Roger Ailes. Erst nach und nach meldeten sich weitere belästigte Frauen zu Wort – und Ailes musste sein Büro räumen. Ein Stoff, wie er eigentlich nur vorbestimmt für eine Verfilmung zu sein scheint. Doch Bombshell – Das Ende des Schweigens von Jay Roach (Meine Braut, ihr Vater und ich) zündet eher leise.
Juli 2016: Die Fox News-Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman, Destroyer) erhebt Klage gegen ihren ehemaligen Vorgesetzten Roger Ailes (John Lithgow, Friedhof der Kuscheltiere). Dieser soll sie über Jahre hinweg im Zuge ihrer Anstellung bei Fox News sexuell belästigt haben. Doch Gretchen legt sich scheinbar mit einem harten Gegner an, denn die Macht des Medienmoguls ist groß, und so wird alles unter den Teppich gekehrt. Gretchen ruft andere Frauen auf, das Schweigen zu brechen. Unterstützung könnte sie von Megyn Kelly (Charlize Theron, Atomic Blonde) erhalten, doch die hat ohnehin ein schwieriges Jahr hinter sich, nachdem sie Donald Trump mit frauenfeindlichen Vorwürfen konfrontierte. Derweil hat Roger Ailes ein Auge auf die Nachwuchsmoderatorin Kayla Pospisil (Margot Robbie, Birds of Prey) geworfen …
Die Komplexität eines Medienkonzerns
Originaltitel | Bombshell |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Biografie, Drama |
Regie | Jay Roach |
Cast | Megyn Kelly: Charlize Theron Gretchen Carlson: Nicole Kidman Kayla Pospisil: Margot Robbie Roger Ailes: John Lithgow Susan Estrich: Allison Janney Jess Car: Kate McKinnon Rupert Murdoch: Malcolm McDowell Beth Ailes: Connie Britton |
Laufzeit | 109 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 4. Juni 2020 |
Die in Bombshell zugrunde liegende Thematik ist völlig ernster Natur. Und doch beginnt der Film unerwartet humorvoll, wenn Charlize Therons Figur Megyn Kelly in den ersten Minuten die Hierarchien des Fox-Gebäudes wortwörtlich herauf und hinunter erklärt und die Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Stockwerken darstellt. Für den Verlauf des Films ist das von keiner besonderen Bedeutung und dieses Meta-Element dient auch nur der Einführung ihrer Figur, denn sonderlich viele Gelegenheiten, mit den Charakteren zu sympathisieren, bieten sich nicht mehr. Das ist der Tatsache geschuldet, dass wir uns als Zuschauer ohnehin auf die Seite der ungerecht behandelten Frauen schlagen werden. Aber die Nähe zu den Figuren wird nach der Einführung nicht mehr in diesem Maße hergestellt. Der Zuschauer ist allerdings dann abgeholt zu der unübersichtlichen Organisation des Mediensenders und vor allem erklärt sich hiermit auch von selbst, dass bei so vielen Menschen Gerüchte ebenso schnell entstehen, wie sie wieder im Sande verlaufen.
Drei Perspektiven auf ein Problem
In das Gefüge der real existierenden Personen wurde die Rolle der Kayla geschrieben. Eine fiktive Nachwuchsmoderatorin, die für eine ganze Generation junger Frauen steht, welche nach Erfolg streben und die Fehler immer erst bei sich selbst suchen. Für sie ist ihr Arbeitgeber eine Art Religion und selbst, als sie gezwungen wird, ihren Rock vor ihrem Chef höher zu schieben, bewilligt sie dies trotz sichtlichen Unwohlseins. Für die Handlung spielt ihre Figur nur eine untergeordnete Rolle, ordnet sich aber innerhalb der sendereigenen Machtverhältnisse ganz unten ein, womit ihre Karriereposition einen starken Kontrast zu Megyn Kelly bildet. Nicole Kidman und die (kaum wiederzuerkennende) Charlize Theron treiben das Geschehen auf unterschiedlichen Baustellen voran. Alle drei Frauen ringen mit demselben Problem, aber aus verschiedenen Blickwinkeln und unter anderen Umständen betrachtet. Während die gefeuerte Gretchen nichts mehr zu verlieren hat, ist Megyn in erster Linie um ihr Image besorgt und Kayla eine Person, die jede Chance zum Aufstieg nutzen würde. Beide Figuren sind daher auch wesentlich interessanter als Gretchen, die die Handlung ins Rollen bringt, danach aber nur noch das erfüllt, was die Prämisse vorsieht. Spannender ist hierbei die Entwicklung von Kayla und Megyn, was auch schauspielerisch die größere Herausforderung darstellt – und wohl der Grund dafür ist, dass Margot Robbie und Charlize Theron im Gegensatz zu Nicole Kidman für ihre Rollen Oscar-Nominierungen erhielten.
“Nach vorne kommt man nur mit dem Mund”
Therons Rolle ist die mit Abstand komplexeste: Megyn ist eine leidenschaftliche Journalistin, die zwischen Sorge um ihre berufliche Zukunft und Gerechtigkeit steht. Damit bildet sie eine Mitte zwischen den anderen beiden Frauen, die das Extrem letztlich miteinander verbindet. Besonders stark spielt auch John Lithgow auf, der für seine Rolle in einen Fatsuit stieg, um die Attraktivität noch einmal deutlich zu schmälern. Die Treffen der Frauen mit ihm unter vier Augen sind an unangenehmen Frösteln kaum zu überbieten, derart einschüchternd und schmierig macht er sich an sie heran.
Maskenwunder
Das Make-Up Department erhielt für die Leistung in Bombshell – Das Ende des Schweigens einen Oscar. Das hat einen guten Grund: Hält man Schauspieler und Vorbilder nebeneinander, ist kaum noch ein Unterschied zu erkennen. Die Maske sitzt zum Teil aber auch derart stark, dass Nicole Kidman beispielsweise nur bedingt Mimik zeigen kann. In einer Szene wird dies auch aufgegriffen, als Gretchens Maske damit erklärt wird, dass sie unter dem starken Scheinwerferlicht sonst schwitzen würde. Allerdings ist sie überwiegend außerhalb des Studios zu sehen, was jedoch zu keiner großen optischen Veränderung der Figur führt.
Mäandernde Tonalität
Inhaltlich ist Bombshell – Das Ende des Schweigens eine Art selbsterfüllende Prophezeihung: Es ist klar, worauf die Geschichte hinausläuft und am spannendsten ist der Weg dorthin. Zumindest aus Sicht der beiden Figuren, die noch nicht eindeutig postioniert sind. Die inhaltliche Ausrichtung besitzt derweil kaum Stringenz: Die Off-Kommentare aus der Einführung bleiben ebenso auf der Strecke wie satirische Spitzen. Bombshell vollzieht ganz unauffällig einen Tonwechsel ins Drama, ohne dass nachvollziehbar wird, warum das so ist (sieht man einmal davon ab, dass die Thematik nichts zum Lachen bietet). Unterm Strich ist die Erzählweise weder Fisch, noch Fleisch und ein bleibender Eindruck will dabei nicht zurückbleiben.
Fazit
Bombshell – Das Ende des Schweigens liefert spannende Eindrücke in die Machtkämpfe eines Medienkonzerns. Mit einem starken Darsteller-Ensemble und vielen prominent besetzten Nebenrollen gibt es nicht nur genug Anlass, um sich vollkommen ins Geschehen involvieren zu lassen, sondern auch viel zu entdecken. Trotz des ernsten Hintergrunds wird der Stoff überwiegend leichtfüßig präsentiert, wirkt aber nicht durchgehend konsistent erzählt. Das große Ganze will sich partout nicht ergeben und lässt abseits des starken Tobaks an Nachhaltigkeit vermissen. Ein besonderes Lob gebührt der Maske, die immens zur Authentizität der Geschichte beiträgt.
© Wild Bunch
Seit dem 4. Juni 2020 im Handel erhältlich: