Alle Mörder sind schon da
Wer kommt schon auf die Idee, ein Brettspiel zu verfilmen? Was sich wahlweise nach verrückter Inspiration oder sich ausbreitender Verzweiflung anhört, fand bereits Mitte der 80er statt. Das Spiel Cluedo kennt in Deutschland jeder. Die Wenigsten wissen, dass die Wurzeln des Parker Brothers-Spiels bis in die 1940er zurückführen. Die Verdächtigen, Tatorte und -waffen sind Kult. 1985 erkor Regisseur Jonathan Lynn die Idee des Spiels zu seinem Regie-Debüt. Obwohl der Film bei den Kritikern auf wenig Gegenliebe stieß, entwickelte er sich vor allem in den USA zum Kultfilm. In Deutschland ist sein Bekanntheitsgrad deutlich geringer, was nicht zuletzt an der Eindeutschung aller Namen liegt.
Sechs Menschen, die einander noch nie gesehen haben, finden sich in einer abgelegenen Villa wieder. Dorthin geführt hat sie eine per Brief zugestellte Einladung, in welcher sie obendrein angewiesen wurden, sich mit Pseudonym vorzustellen. Da sind also nun Mrs. Peacock (Eileen Brennan, Frühstück bei ihr), Mrs. White (Madeline Kahn, Nixon), Professor Plum (Christopher Lloyd, Zurück in die Zukunft), Mr. Green (Michael McKean, Better Call Saul), Colonel Mustard (Martin Mull, Roseanne) und Miss Scarlet (Lesley Ann Warren, Victor/Victoria). Sie werden empfangen durch den Butler Wadsworth (Tim Curry, The Rocky Horror Picture Show ) und dem Dienstmädchen Yvette (Colleen Camp, Apocalypse Now). Bereits nach kurzer Zeit stellen sie fest, dass es Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gibt. Sie alle werden von ihrem Gastgeber Mr. Boddy (Lee Ving, Flashdance) erpresst. Plötzlich geht das Licht aus und Boddy ist tot. Doch wer hat ihn ermordet und welche der zahlreich vorhandenen Waffen kam dabei zum Einsatz?
Fantastisches Ensemble trotz Schablonenfiguren
Originaltitel | Clue |
Jahr | 1985 |
Land | USA |
Genre | Komödie, Crime |
Regie | Jonathan Lynn |
Cast | Wadsworth: Tim Curry Mrs. Peacock: Eileen Brennan Mrs. White: Madeline Kahn Professor Plum: Christopher Lloyd Mr. Green: Michael McKean Colonel Mustard: Martin Mull Miss Scarlet: Lesley Ann Warren Yvette: Colleen Camp Mr. Boddy: Lee Ving |
Laufzeit | 94 Minuten |
FSK |
Die Schwierigkeiten einer Adaption vom Brett auf die Leinwand liegen auf der Hand: Ein Spiel folgt starr einem Regelwerk, eine Narrative muss vor allem plausibel sein. Die Spielfiguren dienen dem Zweck des Auseinanderhaltens, Filmfiguren müssen vor allem den Zuschauer überzeugen. Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Felder tun sich auf, die unterlegen, warum eine solche Adaption eigentlich nur verlieren kann. Trotzdem bleibt zu sagen, dass Alle Mörder sind schon da einen Charme besitzt, den das Spiel in einer solchen Form nicht liefern kann: Die schrulligen Charaktere sind trotz ihrer Eindimensionalität unheimlich charmant. Kenner des Brettspiels müssen mit den englischen Namen vorlieb nehmen, die nicht eingedeutscht wurden. Besonders aus dem Cast sticht Tim Curry hervor, der hier das schlussfolgendernde Stehaufmännchen gibt. Verbale Spitzen zwischen den Charakteren, von denen jeder mindestens ein Geheimnis besitzt, werden pausenlos abgefeuert, sodass auch keine Langeweile auftritt.
Ungezügelt albernes Spektakel
Der Ablauf der Mördersuche folgt einem festen Schema: Jemand hat eine Idee, wie sich der Tathergang ereignet haben könnte, die gesamte Gruppe läuft von einem Zimmer ins nächste (und wieder zurück), angeführt von hektischen Erklärungen, die nicht selten in absurde Theorien gipfeln. Wie der Mord tatsächlich geschehen ist, wird da eher Nebensächlichkeit. Denn die eine Lösung existiert nicht. Im Abspann werden zwei weitere Auflösungen des Falls präsentiert und es wurde sogar eine vierte gedreht, welche der Regisseur allerdings nicht gelungen genug fand, um sie ebenfalls mitaufzunehmen. Die Darsteller kannten die einzelnen Filmenden bis zum Dreh selbst nicht, was vor allem viel Improvisation erforderte. Das Geschehen zwischen Räumen, Waffen, Geheimgängen und noch ein paar dazukommenden Gästen (an der Stelle muss vor allem das singende Telegramm genannt werden) ist derart bizarr, dass man den Überblick geradezu verlieren muss. Alle Mörder sind schon da nimmt sich keine Sekunde lang ernst und hat obendrein noch ein Tempo drauf, das an Eine Leiche zum Dessert erinnert.
Fazit
Agatha Christie lässt grüßen: Die Grundprämisse, das Mörderrätsel im Herrenhaus, ist zeitlos. Insofern wirkt Alle Mörder sind schon da auch kein bisschen aus der Zeit gefallen, sondern erweckt eher den Eindruck, der Murder Mystery-Grundstein schlechthin zu sein. Die Auflösung besitzt zwar keinen Aha-Effekt und erweckt eher den Anschein, kurzfristig zusammenmontiert worden zu sein, doch dank Tempo und Charme ist man ebenso schnell in der Handlung wie eben auch wieder draußen. Als schwarzhumorige Krimikomödie gibt die Cluedo-Verfilmung eine gute Figur ab, nur mit einer konventionellen Auflösung sollte man besser nicht rechnen.
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