The Psychology of Time Travel

Der Doctor reist in seiner TARDIS. Und auch bei H.G. Wells benötigt der Protagonist eine Zeitmaschine. In Kate Mascarenhas 2018 erschienen Roman The Psychology of Time Travel reisen die Pionierinnen der Zeitreisen ebenfalls mithilfe einer röhrenförmigen Anlage. In ihrem Debüt vereint die Autorin einen mysteriösen Tod mit den psychischen Auswirkungen der Zeitreisen. Denn nicht nur das Leben derjenigen, denen es gestattet ist, die Maschinen zu nutzen ändert sich. Auch alle um sie herum müssen mit den Umständen leben, dass jemand anderes mehr weiß als sie selbst.

    

1967 erfinden vier Wissenschaftlerinnen Zeitreisen. Gerade als sie ruhmreich vor die Kamera treten wollen, erleidet eine von ihnen einen mentalen Zusammenbruch und gefährdet das Projekt. 2017 kommt Ruby, die Enkelin der mittlerweile stabilen Barbara, mit ihr ins Gespräch über ihre Vergangenheit und die Entwicklungen, die Zeitreisen seitdem gemacht haben. Barbara fasst den Entschluss, wieder Kontakt zu ihren alten Freundinnen aufzunehmen. 2018 findet die junge Odette im Keller eines Museums die Leiche einer Frau. Der Schock verfolgt sie noch lange und prägt ihren weiteren Weg. All diese Zeitebenen und noch viele mehr sind durch den Tod der Unbekannten verbunden – doch was ist die Wahrheit und wie kommt man ihr über die Jahre hinweg auf die Spur?

Neuerfindung der Geschichte

Falls es in der Welt der Pionierinnen Barbara, Margaret, Grace und Lucille je eine Mondlandung gab, so wird deren Erfolg im Vergleich zur Erfindung der Zeitreisen so geringwertig, dass sie keine Erwähnung findet. Alles dreht sich um die Frauen, die durch ihre Erfindung neue Möglichkeiten eröffnen, mal abgesehen von den Arbeitsplätzen, die sie schaffen. Kate Mascarenhas verwebt in The Psychology of Time Travel unterschiedliche Charaktere. Jede prägt auf ihre Art und Weise die Geschichte und somit die Handlung des Romans.

Die Suche nach der Wahrheit

Jede der Figuren ist auf ihrer eigenen Suche nach der Wahrheit. Lucille und Grace fragen sich, ob es richtig war, nach Barbaras Zusammenbruch auf Margaret zu hören. Der abrupte Kontaktabbruch belastet nicht nur Barbara, die aus der verschworenen Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Ruby sucht nach einem Weg, ihrer Großmutter zu helfen. Und nach der Liebe. Doch die Frau, die sie mag, ist bereits verheiratet. Und Odette lässt der Fund einer Leiche nicht in Ruhe. Immer wieder wird sie von Flashbacks geplagt. Sie ist sich sicher, dass diese sie loslassen werden, wenn sie das Geheimnis um die Identität der Frau gelöst hat. Gegen den Willen ihres Vaters bewirbt sie sich für die Polizeiabteilung der Konklave, wie die Gemeinschaft der Zeitreisenden genannt wird.

Originaltitel The Psychology of Time Travel
Ursprungsland Großbritannien
Jahr 2018
Typ Roman
Bände 1
Genre Science-Fiction, Mystery
Autor Kate Mascarenhas
Verlag Head of Zeus

Überschneidungen auf allen Zeitebenen

Der Schreibstil von Kate Mascarenhas lässt sich angenehm lesen, die Seiten fliegen nur so dahin. Dabei hilft vor allem die Charakterisierung ihrer Figuren. Jede besitzt einen ihr ureigenen Antrieb, um in der Handlung von The Psychology of Time Travel zu agieren. Um diese Charaktere erschafft sie ein Mysterium, das sie alle verbindet. Während vieler zeitlicher Sprünge lernen wir nach und nach die Protagonistinnen kennen. Oft erfährt man erst einige Kapitel später, wie diese im Kontext zu den anderen steht. So macht das Lesen des Buches doppelt Spaß: Im Laufe der Zeit fügt sich jedes Puzzleteil ins große Bild und löst nicht selten einen Aha-Effekt aus.

Die Psychologie von Zeitreisen

Der Name des Romans ist Programm. Eine Erfindung wie Zeitreisen stellt neue Anforderungen an eine Gesellschaft. Über die Jahrhunderte können Verbrechen begangen werden, die geklärt werden müssen. Zeitreisende sind in der Lage, Verstorbene immer und immer wieder zu besuchen. Oder sich selbst in verschiedenen Altersstufen auf dem Weg zum Altar zu begleiten. Kate Mascarenhas hat viele Überlegungen angestellt, wie solche Möglichkeiten die Psyche von Menschen beeinflussen können. Ihr kommt dabei zu Gute, dass sie Psychologin ist. So viele Ideen sind in ihrem Debüt verarbeitet, dass sie am Ende des Romans ein Glossar angefügt hat (welches als fiktives Lexikon sogar in der Geschichte selbst Platz findet). Außerdem findet man am Ende des Buches die Listen mit den psychologischen Tests, welche die Zeitreisenden nach jeder Reise oder bei besonderen Vorfällen ausfüllen müssen.

Frauenpower en masse

Kate Mascarenhas ist noch in einem weiteren Punkt genial: Sie schafft es, die Rollen ihres Romans fast ausschließlich mit Frauen zu besetzen. Dies allein ist zwar nichts besonderes. Aber bis einem dieser Umstand bewusst wird, hat man bereits ein gutes Stück gelesen. Männer tauchen als Nebenfiguren auf, werden nie als böse oder schlecht dargestellt, sondern oft sogar als liebende Ehemänner, die sich berechtigterweise sorgen. Doch der Fokus liegt auf den vielen Frauen der Geschichte und dem Weg, den sie gehen. Dabei bekommt jede einen unterschiedlichen Charakter und eine Hintergrundgeschichte, die sie liebenswert macht. Selbst, wenn sie als Gegenspielerin gedacht ist. Doch die Autorin lässt nie ein Schwarz-Weiß zu und schafft somit Figuren, über die man gerne liest. Schön ist auch, wie sie eine der wichtigsten Rollen lesbisch anlegt. Ebenso sind diverse Ethnizitäten im Buch vertreten und man fragt sich unweigerlich, warum es nicht mehr Autorinnen und Autoren gelingt, diese so selbstverständlich in ihre Texte einzubauen.

Fazit

Als ich während eines Urlaubes spontan Wartezeit überbrücken musste, habe ich die Leseprobe von The Psychology of Time Travel in die Hand genommen. Der lockere Stil und die besonderen Charaktere haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Bald darauf landete das eBook in meinem virtuellen Postfach. Auch im weiteren Verlauf des Buches konnte ich keinen Makel entdecken. Das Thema Zeitreisen wird auf eine mir vollkommen neue Art umgesetzt. Es geht nicht vorrangig um die Abenteuer, welche die Helden und Heldinnen erleben, sondern um die Auswirkungen auf die Personen und die Menschheit selbst. Auf jeder Seite liest man die fachliche Kompetenz der Autorin heraus und ich freue mich bereits jetzt auf weitere Bücher von ihr. Sie könnte einen Platz unter meinen Lieblingsautorinnen einnehmen.

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MadameMelli

MadameMelli ist im Berufsalltag als Informationsninja unterwegs und hilft Suchenden, die passende Literatur zu finden. In ihrem Freundeskreis ist sie als Waschbär bekannt und dementsprechend ist auch kaum ein Buch, Manga oder Comic (oder Tee) vor ihr sicher – alles wird in die Hand genommen, begutachtet und bei Gefallen mit nach Hause geschleppt. Nur nicht gewaschen, das wäre zu viel des Guten. Sinniert gerade darüber, ob es als Waschbär sehr gefährlich ist, Wölfe zu lieben, lässt sich davon aber nicht abhalten und schreibt in ihrer Freizeit selbst Geschichten. Manchmal auch über Wölfe. Oder Tee.

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