Peter Grant (Band 7,5): Der Oktobermann: Eine Tobi-Winter-Story

Wein, Römer und Flussgöttinnen klingen doch einer angenehmen Mischung! Wäre da nicht noch eine seltsam verstorbene Leiche, welche in den Weinbergen gefunden wird, dann hätte Zauberlehrling Tobias Winter ein ruhiges Wochenende. Als deutsches Gegenstück zu Peter Grant erschuf Bestsellerautor Ben Aaronovitch (Die Flüsse von London) nun ein erstes Abenteuer mit dem jungen Kriminalbeamten, welches uns Leser*innen in die schöne Stadt Trier entführt. Der Kurzroman Der Oktobermann zeigt uns, dass auch auf heimischen Boden einiges Magisches von statten geht und dass zum Glück Leute existieren, die sich damit auskennen. Oder doch nicht? Ob der britische Autor das Flair Deutschlands einfangen konnte, oder ob er doch lieber literarisch auf seiner Insel bleiben sollte, besprechen wir in der nachfolgenden Review.

 

Eigentlich ist Tobias „Tobi“ Winter zurzeit zu Besuch bei seinen Eltern in Mannheim, als ihn ein Anruf seiner Chefin erreicht und sie ihm erklärt, dass er nach Trier fahren muss. Dort fand ein Hundebesitzer eine Leiche mit ungewöhnlichen biologischen Charakteristika in den Weinbergen. Tobias soll vor Ort prüfen, ob es ein Fall für das KDA Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten, sprich: Magie ist. Vor Ort angekommen, stellt der junge Kommissar fest, dass hier eindeutig etwas Magisches im Spiel ist. Jedoch ergeben die ersten Puzzleteile kein Gesamtbild, weswegen er Nachforschungen anstellen soll. Zum Glück bekommt er Unterstützung von der Trierer Kollegin Vanessa Sommer. Im Laufe der nächsten Tage wird es nämlich Zusehens turbulenter, denn gleich zwei Flussgöttinenen mischen sich in sein Leben.

Sein Name ist Winter, Tobias Winter

Originaltitel The October Man
Ursprungsland Großbritannien
Jahr 2019
Typ Kurzroman
Band 7,5 / ?
Genre Krimi, Urban Fantasy
Autor Ben Aaronovitch
Verlag dtv

Die größte aller Fragen, die sich die Leserschaft vor dem Kauf von Der Oktobermann stellt, ist, wer dieser Tobias Winter ist. Eine kleine Antwort findet sich vorab auf dtvs Sonderseite zur Peter Grant-Reihe, denn dort ist schon seit längerem ein Erzählungsschnipsel zu diesem Charakter zu finden. Außerdem erklärt Ben Aaronovitch in kurzen Worten wie es zu diesem Charakter kommt, der nichts mit dem Magiespürhund Toby aus dem Folly gemeinsam hat. Einen wirklichen Einblick bekommen wir jedoch erst im Kurzroman, denn dort erleben wir ihn richtig in Action. Unglücklicherweise hätten es ruhig ein paar Seiten mehr sein dürfen, die uns diese Figur näher bringen sollen, denn während die Ermittler den Fall vorantreiben, bleibt Tobi leider doch etwas blass. Gerade im Vergleich zum sarkastischen, leicht aufgedrehten, nie die Klappe haltenden Peter Grant ist unser junger Kommissar eher ruhiger, pragmatischer Natur. Was vor allem sehr untergeht, dass Tobi noch ein Zauberlehrling ist. Trotzdem lässt sich sagen, dass er keineswegs unsympathisch ist und eben wegen seiner hartnäckigen Geradlinigkeit seine Anhängerschaft findet. Eine kleine Prise Humor liegt auch diesem Charakter nahe, was nicht anders sein konnte. Schließlich lebt die Reihe auch von dieser Komponente.

Winter und Sommer ermitteln im Herbst

Neben Tobi lernen wir auch die in Trier arbeitende Kommissarin Vanessa Sommer näher kennen. Es fällt sogar im Laufe der Geschichte von Der Oktobermann auf, dass die engagiert junge Frau mit Wuschelkopf einen bleibenderen Eindruck als ihr Magierkollege hinterlässt. Das liegt zum größten Teil daran, dass sie mit ihren Fragen und Ideen, die Ermittlungen fast ein weniger mehr vorantreibt. Insgesamt ergeben die beiden zusammen aber ein harmonisches Team, das sich gut ergänzt. Da Tobi in ganz Deutschland ermittelt, kennt er sich mit Trier und der Umgebung nicht aus. Seine neue Partnerin schon und so kann sie sich von Anfang an nützlich machen. Des Weiteren sind es ihre Fragen bezüglich der Magie, die den Zauberlehrling zum Reden bringen, wodurch wir Leser*innen einen großen Einblick in das deutsche Zaubersystem bekommen. Das unterscheidet sich nämlich gerade bei den Begrifflichkeiten doch sehr stark vom bekannten Wortschatz der Engländer und überrascht eingefleischte Fans mit richtig schönen „deutschen“ Wörtern wie: Ortsgeisterseelenpräsenz. Ein Hoch auf die kreative Zusammensetzbarkeit von Wörtern!

“Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“

Goethes Zitat steht nicht ohne Grund zu Beginn von Der Oktobermann, denn nicht nur die Leiche befindet sich mitten auf einem Weinberg, sondern auch sonst bleiben die Ermittlungen dem alkoholischen Getränk nahe. Eine alte Winzerei, eine Gesellschaft, die guten Wein trinkt und eine seltsame Weinopfergabe an eine Flussgöttin sind nach und nach Teil des Falls. Langweilig wird es auf keinen Fall, denn in logischen Schritten fordert das Duo diese Dinge zu Tage. Vielleicht hätten nur hier und da ein paar mehr Stolpersteine sein dürfen, denn der eine oder andere Zeuge erklärt doch etwas zu schnell, was lange verborgen lag. Auch das Finale überrascht nicht komplett, denn durch einige Hinweis konnten Anhänger der Peter Grant-Reihe vorab auf die Lösung kommen.

Ein Stück andere deutsche Geschichte

Für einen britischen Autor muss es gar nicht so leicht gewesen sein, sich in das deutsche Polizeiwesen einzuarbeiten. Doch noch viel mehr ist es auch die deutsche Geschichte, die er nicht einfach außen vorlassen konnte. Schließlich spielt auch der Zweite Weltkrieg immer wieder eine Rolle, wenn es um Thomas Nightingales Vergangenheit geht. Der Einblick in die magische Geschichte unseres Landes ist zwar kurz, aber sehr interessant. Ob Naziakten, magische Abteilungen in der DDR mit Namen “Einhorn” oder schlicht das kriegsbedingte schlechte Verhältnis zu anderen magischen Einrichtungen. Aus diesem Baustein kann wirklich viel noch herausgeholt werden und die Hoffnungen sind da, dass es später ein gemeinsames Abenteuer von Peter und Tobi geben wird. Immerhin wäre das ein wunderbares Zeichen gegen die Brexit-Politik!

Fazit

Neugier beschreibt am besten, welches Gefühl ich nach dem Kauf von Der Oktobermann in mir spürte. Zumindest ist es der erste Roman, bei dem nicht Peter die Hauptrolle innehat. Tobias alias Tobi schlägt sich in seinem ersten Abenteuer nicht schlecht. Doch meiner Meinung nach geht er leider etwas unter, vor allem, dass er selbst noch Zauberlehrling ist und deswegen viel zu lernen hat. Seine Chefin, die gleichzeitig seine Lehrerin ist, tritt nicht groß in Erscheinung und daher fehlt der Lernfaktor komplett in der Geschichte. Allgemein zaubert Tobi auch sehr wenig, wodurch der Magieanteil allgemein eher etwas geringer ausfällt. Zum Glück gibt es noch die zwei interessanten Flussgöttinnen und andere magische Dinge, die die normale Polizeiarbeit etwas in eine andere Richtung schieben. Der eigentliche Fall gefällt mir persönlich sehr gut, da es keine Längen gibt und es zügig vorangeht. Vielleicht wären ein, zwei Probleme mehr jedoch besser gewesen, um noch mehr Spannung in die Handlung zu bekommen. Ich wohne selbst in der Nähe von Weinbergen in einer Stadt mit altem Stadtkern, wodurch ich für das Setting ein gutes Gespür bekomme. Allerdings muss ich auch sagen, dass Ben Aaronovitch tolle Arbeit ablieferte, was den Handlungsort Deutschland angeht. Als Leser*in merkt man, dass er viel recherchiert hat. Insgesamt kein perfektes literarisches Werk, aber es macht Lust auf mehr. Vorrangig wünsche ich mir einen Fall vom BKA und Folly, denn Peter und Tobi gemeinsam kann sehr lustig werden.

© dtv

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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