Killerbot-Reihe (Band 3): Übertragungsfehler

Und ewig schuftet der Killerbot: Mit der Novelle Übertragungsfehler erschien am 11. Januar 2024 der nunmehr sechste Ableger von Martha Wells preisgekrönter Killerbot-Reihe und betritt ungewohntes Krimi-Gefilde. Man stelle sich vor, Jessica Fletcher aus Mord ist ihr Hobby wäre ein Android, bewaffnet und gepanzert, und würde in die Zukunft katapultiert, um sich grübelnd über eine Raumfahrerleiche zu beugen, die im Korridor einer Raumstation vor sich hin siecht. Es gibt keine Aufzeichnungen, keine Spuren und noch nicht einmal DNA. Wer ist er, wer hat ihn getötet und wie ist er dorthin gekommen? Darum geht’s in Übertragungsfehler, einem Whodunnit in Space.

Auf der Preservation Station wird ein Toter gefunden, offensichtlich ermordet. Doch niemand kennt ihn und die Kameraaufzeichnungen geben keinen Hinweis darauf, was passiert sein könnte. Killerbot, der nach den Ereignissen aus Band 1 auf Presevation seine neue Wahlheimat gefunden hat, befürchtet, dass der böse Konzern GrayCris dahinter steckt und es auch auf Dr. Mensah abgesehen hat. Um seine Retterin zu schützen, willigt Killerbot ein, den Fall gemeinsam mit Senior Officer Indah aufzuklären – die allerdings wenig Lust hat, mit einer abtrünnigen SecUnit zusammenzuarbeiten.

Mord im Paradies

Originaltitel Fugitive Telemetry
Ursprungsland USA
Jahr 2021
Typ Novelle
Band 3 / ?
Genre Science-Fiction
Autorin Martha Wells
Verlag Heyne
Veröffentlichung: 11. Januar 2024

Übertragungsfehler ist als Novelle von überschaubaren 192 Seiten der dünnste Eintrag in Martha Wells’ Killerbot-Serie bei Heyne und chronologisch zwischen dem ersten Band Tagebuch eines Killerbots (Sammlung von vier Novellen) und dem zweiten Band Der Netzwerkeffekt (Roman) angesiedelt. Die Geschichte spielt also in jener kritischen Zeit, in der Killerbot neu auf Preservation ankommt und als »SecUnit« bei allen quasi unten durch ist. Denn »SecUnits« sind Schlägertypen, die für böse Konzerne die Drecksarbeit erledigen, und daher keinen guten Ruf genießen – schon gar nicht auf einer Station, auf der es so dermaßen utopisch schön zugeht, dass der Bot, der das Mordopfer scannen und identifizieren könnte, erst einmal keine Zeit hat, da er für den »Gesundheitstag« an einer Schule eingesetzt wird. Also muss die mit Mord und Totschlag recht unerfahrene Stationssecurity widerwillig mit Killerbot zusammenarbeiten – der freilich lieber ganz woanders wäre. Doch Pustekuchen. Denn mit dem Fund der Leiche (Seite 1, Zeile 1) wird die Station abgeriegelt. Übertragungsfehler ist damit auch eine etwas freier intrepretierte Variante des Looked-Room-Szenarios, in dem der Detektiv zusammen mit den Verdächtigen und dem Mörder in der Villa eingesperrt ist.

Kaum Zeit für Telenovelas

Mit Killerbot befindet sich die Leserschaft in gewohnt charmanter (und mürrischer) Gesellschaft. Seine bissigen Kommentare über die trägen Menschen, seine Versuche, mit Hilfe von Telenovelas die eigene Sozialkompetenz zu verbessern sowie sein ständiger Kampf zwischen dem Dasein als harmloser Ex-Konzernsklave und ehemaliger Tötungsmaschine – all das ist wie gewohnt vorhanden und markiert seinen Charakter. Allerdings spielt die Geschichte von Übertragungsfehler an nur einem einzigen Tag, sodass weniger Zeit für Trübsalblasen und Seifenopern bleibt als gewohnt. Jede Killerbot-Geschichte ist im Grunde ein »Case of the Week«, also eine vorübergehende Geschichte. Der alles umspannende Bogen ist Killerbot, der seine tödliche Firmenvergangenheit hinter sich lassen und die bestmögliche Version seiner selbst werden will – nicht ohne dabei in mindestens zwei von drei Fettnäpfchen zu treten.

Killerbots ewiger Stress mit Menschen

Während bekannte Figuren wie Pin Lee, Ratthi und Gurathin nur gelegentlich auftauchen (Fifo gibt es noch nicht), bekommt es Killerbot vor allem mit einer Reihe neuer Menschen und Bots zu tun. Wir sind es gewohnt, dass Mensah & Co Killerbot mit Respekt begegnen. Durch die neuen Konstellationen muss sich Killerbot jedoch erneut mit den Vorurteilen seiner Mitmenschen auseinandersetzen. Und genau darin lag und liegt eine der vielen Stärken der Killerbot-Geschichten: zu sehen, wie Menschen lernen, sich mit einer abtrünnigen SecUnit zu arrangieren (oder eben auch nicht). Dieses soziale Spannungsfeld birgt zu gleichen Teilen Drama und Humor.

Für den geneigten Fan

Aufgrund der Kürze deutet Wells vieles nur an ohne es direkt anzusprechen. Dadurch eignet sich Übertragungsfehler – im Gegensatz zu Band 2 – weniger gut als Stand-Alone-Roman. Vorwissen wird dringend vorausgesetzt, da die Leserschaft an keiner Stelle abgeholt wird. Wieso noch gleich muss Killerbot Dr. Mensah beschützen? Was hat der Konzern GrayCris angestellt? Und was haben Mensah und Killerbot eigentlich für eine Dynamik untereinander? Als Neuling bleibt man da auf der Strecke. Aber beim mittlerweile sechsten Teil einer Reihe sollte man ohnehin nicht mehr Händchenhalten erwarten.

Fazit

Martha Wells Übertragungsfehler ist ein schmucker Krimi mit Bots und Raumschiffen. Ein IT-Thriller wie fast alle Killerbot-Romane. Wo Der Netzwerkeffekt in seiner abendfüllenden Romanform noch mehr von dem bietet, was wir an Killerbot lieben, aber gleichzeitig weniger nach vorne drängt, ist Übertragungsfehler genau das Gegenteil: eine straff gezeichnete Geschichte, in der nichts vergeudet wird und die krimimäßig unaufhaltsam auf die Auflösung zusteuert. Aber keine Sorge: Es bleibt trotzdem genug Zeit, um Killerbots erschöpft-zynische Stimme zu vernehmen. Übertragungsfehler macht Spaß und ist ein Pflichtsnack für Fans.

© Heyne

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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