Die Katze, die von Büchern träumte
Alice im Wunderland und Die Chroniken von Narnia sind nur zwei Geschichten, in denen Kinder in eine magische Welt gezogen werden. Nur fällt Rintaro im Roman Die Katze, die von Büchern träumte von Sosuke Natsukawa nicht in einen Kaninchenbau oder klettert durch einen Schrank voller Pelzmäntel. Nein, der Eingang zu den magischen Labyrinthen ist die Buchhandlung Natsuki. Einen negativen Beigeschmack haben die Ausflüge jedoch! Es gibt mehrere gefährliche Schauplätze rund um Bücher, verschiedene Missionen und sollten diese nicht erfüllt werden ist Rintaro für immer gefangen. Der Verlag C. Bertelsmann veröffentlichte den Roman im November 2022 in Deutschland. Mit diesem Titel gelang dem japanischen Schriftsteller der internationale Durchbruch.
Ein kleiner Buchladen in Japan: mächtige Holzregale, gefüllt mit seltenen Erstausgaben der klassischen Literatur. In dieser Welt lebt ein Junge mit seinem Großvater. Der ruhige Rintaro erbt nach dem Tod seines Opas die Buchhandlung. Da Rintaro gefühlt seine ganze Familie verloren hat, schottet er sich komplett ab und bricht zusammen. Ihm wird alles egal, auch die Schule. Selbst die besorgte Klassensprecherin Sayo kann ihn nicht überzeugen, zurückzukommen. Einzig die Buchhandlung hilft ihm, seinen Lebenswillen zu behalten. Den Gedanken, zu seiner Tante zu ziehen und den Buchladen für immer aufzugeben, will er nicht wahrhaben. Eines Tages steht der sprechender Kater Taro im Laden und erzählt etwas von einem Labyrinth, in dem Bücher in Gefahr sind und nur ein wahrer Buchliebhaber wie Rintaro könne sie retten. Der Junge lässt sich auf das Abenteuer ein (was hat er schon zu verlieren?) und folgt dem Kater in eine magische Welt.
Die Welt der Bücher ist die größte
Originaltitel | The Cat Who Loved to Protect Books |
Ursprungsland | Japan |
Jahr | 2017 |
Typ | Roman |
Genre | Abenteuer, Fantasy |
Autor | Sosuke Natsukawa |
Verlag | C.Bertelsmann Verlag |
Veröffentlichung: 2. November 2022 |
Wer durch die Existenz von Labyrinthen actionreiche Abenteuer erwartet, in denen fiktive Monster wie in Die Auserwählten – Im Labyrinth besiegt werden müssen, wird enttäuscht. Es handelt sich um eine philosophische Reise, in der Rintaro viele Gespräche zum Thema Literatur führt. Seine Gesprächspartner sind keinesfalls Kunden des Buchladens, sondern magische Literaturexperten, abgeschottete Verleger und eine Katze als Wegbegleiter. Angesprochen wird beispielsweise, dass bei vielen etwas Wichtiges beim Lesen verloren geht. Nämlich der Spaß, verbunden mit einer Leidenschaft. Es spielt keine Rolle, wie viele Bücher man gelesen oder zu Hause im Regal hat. Sie sollen Freude bringen, unterhalten und die Menschen zum Genießen einladen. Nicht nur zum Kaufen. Die Thematik führt allerdings auch dazu, dass Rintaro aus dem Raster fällt. Sein Alter ist nicht bekannt, nur dass er zur Oberschule geht. Seine bisherige Zurückgezogenheit und die Liebe zu Büchern spricht für ein hohes Verständnis der Materie. Die Tatsache, dass er Friedrich Nietzsche (Also sprach Zarathustra), Alexandre Dumas (Die drei Musketiere), Marcel Proust (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) und William Shakespeare (Hamlet) aus dem Effeff zitieren kann und die Botschaft dahinter versteht, spricht eher für eine Hochbegabung.
Ein Junge, eine Katze und die Rettung der Bücher
Die Katze erinnert Rintaro an seinen Großvater, was der Gelassenheit zu verdanken ist. Jedoch hätte sich sein Opa ihm nie so aufgedrängt und so viel geredet. Dennoch schafft es Taro, Rintaro aus seinem Schneckenhaus herauszulocken. Sie begeben sich auf Missionen in eine Parallelwelt, in der Bücher gefangen gehalten, auseinandergerissen, gekürzt und auch aus dem Fenster geworfen werden. Den Büchern geht es tatsächlich nicht gut und sie müssen gerettet werden. Im Roman werden ausschließlich Klassiker behandelt, was durch die eigensinnige Auswahl der Buchhandlung schon zu Beginn bestätigt wird. Zum Inventar gehören neben seltenen Werkausgaben überwiegend klassische Literatur. Ein Schriftstück von Sebastian Fitzek (Der Insasse) würde man hier nicht finden. Streng genommen wirbt der Roman für den Erhalt klassischer Werke. Interpretieren können die Lesenden vieles. Beispielsweise spricht das Labyrinth, in dem Bücher gekürzt werden, für Zusammenfassungen oder Lektürhilfen und wäre beim einen oder anderen Titel gar nicht schlecht.
Auf ins Abenteuer
Eine kurzweilige Geschichte mit fantasievollen Elementen wartet hier definitiv auf ihre Leserschaft. Bei genauerem Hinsehen fehlt die Tiefsinnigkeit, was daran liegt, dass der Roman mit 192 Seiten sehr kurz ist. Dennoch nimmt Rintaro einen mit in die verschiedenen Labyrinthe. Im Lauf der Handlung wird klar, dass es bei den Missionen nicht nur um die Erhaltung der Bücher geht, sondern auch um die Rettung von Rintaro, der über sich hinauswächst und neue Seiten kennenlernt. Sein Rückzug in die Buchhandlung zu Beginn erinnert an Michael Endes Roman Die unendliche Geschichte, in der sich der junge Bastian in Karl Konrad Koreanders Antiquariat flüchtet. Eine weitere Anspielung ist das weltbekannte Zitat „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ aus Antoine de Saint-Exupérys Werk Der kleine Prinz. Nur dass Rintaro keine Planeten besucht, sondern andere Parallelwelten. Die Handlung ist sich nicht ganz einig, ob es sich um einen Buchladen, ein Antiquariat oder eine Bibliothek handelt. Alle Bezeichnungen fallen für das Geschäft vom Großvater. Sei es der Übersetzung geschuldet oder der Autor wollte den Lesenden Interpretationsfreiheit überlassen.
Eine wertvolle Aufgabe
Sosuke Natsukawa lebt als Arzt in Nagano. Bereits sein erster Roman wurde in Japan zum Bestseller. Mit Die Katze, die von Büchern träumte gelang ihm der internationale Durchbruch und damit die Eroberung der weltweiten Bestsellerlisten. Natsukawa bezeichnet Bücher als seine besten Freunde, die ihm Weisheiten wie Anstand, Selbstachtung und Urteilsvermögen beigebracht haben, sowie die Fähigkeit, das Wesentliche im Leben zu erkennen. Eben diese Dinge hat Rintaro in der Geschichte von seinem Großvater und später von der Katze gelernt.
Fazit
Anhand des Klappentextes von Die Katze, die von Büchern träumte hätte ich eine andere Geschichte erwartet. Mehr als eine fantasievolle, abenteuerliche Reise durch verschiedene Labyrinthe mit einer sprechenden Katze. Diese Elemente sind enthalten, jedoch liegt der Fokus auf dem Wert der Literatur und der Autor richtet einen Blick auf den Konsum von Büchern und was wir mit ihnen machen. Lebensweisheiten spielen eine große Rolle, die nicht nur für Rintaro wichtig sind, sondern auch den Lesenden einiges wieder ins Gedächtnis rufen. Selbstfindung ist ebenfalls ein essenzieller Punkt. Besonders die (manchmal versteckten) Anspielungen auf andere literarische Werke stechen hervor, bei denen jedoch Interpretationsgabe wichtig ist. Leider werden einige Handlungsabschnitte oberflächlich behandelt, was der niedrigen Seitenzahl geschuldet ist. Vor allem die Einblicke in die japanische Kultur und die Traditionen lassen nicht vergessen, dass die Geschichte in Japan spielt. Auch wer sich nicht mit dem japanischen Leben auskennt, bekommt eine kurze, verständliche Erklärung, die passend eingearbeitet sind.
Veröffentlichung: 2. November 2022