Billy Summers

Der letzte Coup. Einem Auftragskiller winkt eine Menge Geld und damit der wohlverdiente Ruhestand. Doch geht in Filmen und Büchern so etwas nicht immer schief? Kein Horror-Clown, keine erfundene Epidemie oder sonst ein düsteres Wesen streckt hier seine Finger nach jemandem aus – nein, es ist die gefühlte pure Realität, in die uns Stephen King (Später) in Billy Summers entführt. In seinem 717-seitigen Roman stecken viel Politik und ein Statement zu einer anderen Seite von Amerika. Ob dieser geballte Realismus genauso in seinen Bann zieht wie die anderen Werke des Meisters des Grauens, verraten wir in einer ausführlichen Besprechung. Seit dem 9. August 2021 liegt der Thriller nämlich dank des Heyne Verlags in den Buchläden.

   

Seit Jahren verdient der Kriegsveteran Billy Summers sein Geld als Auftragskiller. Dabei hält er sich an zwei wichtige Regeln: Zum Einen treffen seine Kugeln nur die schlechten Menschen und zum Anderen darf sein Auftraggeber nicht wissen, dass er ein schlaues Kerlchen ist. Mit dem nächsten Job möchte er jedoch seine Karriere beenden. Dabei scheint dieser nicht nur recht einfach, sondern auch mehr als lukrativ. Er soll aus einem Zimmer eines Hochhauses heraus einen Mörder auf den Stufen eines Gerichts liquidieren, damit dieser dort keine Zeugenaussage macht. Für den Scharfschützen kein Problem, da aber das Datum der Verhandlung noch nicht feststeht, braucht es eine Tarnung für Billy, damit er täglich die Stellung halten kann. Für seinen Auftraggeber kein Problem, denn der schleust seinen Killer als vermeintlichen Buchautor ein. Eine Rolle, die dieser gerne annimmt. Damit beginnt die Zeit des Wartens, Schreibens und des Erinnerns …

Vom Leben und Schreiben

Originaltitel Billy Summers
Ursprungsland USA
Jahr 2021
Typ Roman
Bände 1
Genre Thriller, Drama
Autor Stephen King
Verlag Heyne
Veröffentlichung: 9. August 2021

In Shining schreibt sich ein Vater in den Wahnsinn, in Dolores ein Autor in die Freiheit und Mike Enslin versucht sich damit in 1408 von seinem Verlust abzulenken – schon sehr oft in Stephen Kings Werken nahm der Prozess des Geschichtenerfindens eine ganz besondere Rolle ein. In Billy Summers haftet jedoch kein negativer Aspekt an. Viel eher erblüht der Protagonist in seinem Tun, da er sich damit so langsam an sein bisheriges Leben heranwagt. Für uns Lesende bietet sich so der traurige Einblick in eine Kindheit voller Leid, einer Militärzeit voller Verlust und einer zweifelhaften Karriere als Killer. Schnell wird klar, dass Billy ein Antiheld mit vielschichtigen Wesenszügen ist, der Sympathien mehr als nur ein wenig verdient. Dabei überzeugt vor allem seine Eigenschaft, das Vertrauen anderer Menschen auf ehrliche und natürliche Art zu gewinnen.

Sein letzter Job

Dass am Anfang des Werks wenig Spannung aufkommt, der Autor die Zeit nutzt seine Figur vorzustellen und zu vertiefen, schadet der Geschichte jedoch nicht. Viel eher baut sich gerade, wenn es dann endlich so weit ist, den alles entscheidenden Schuss abzugeben, eine packende Atmosphäre auf. Eins ist schließlich von Anfang an klar: Beim letzten Auftrag geht immer etwas schief. Jedoch was? Wir verraten nichts, doch was wir sagen können, dass der erste Schuss doch recht früh fällt und es dann zu einer Rache in mehreren lockenden Akten kommt. Geschickt fädelt der erfahrene Autor dafür eine weitere tragische Figur ein, die Billy immer wieder vor schwierige Entscheidungen stellt. Leon – der Profi erscheint dabei vor dem geistigen Auge. Doch von mehr als einer Inspiration ist Billy Summers zum Glück weit entfernt, denn die stimmige Chemie zwischen den beiden Figuren fühlt sich erwachsener an, sodass wir gerne voyeuristischer mit von der Partie sind.

Von guten und schlechten Menschen

Billy Summers ist ein Statement. Eines gegen das Amerika, das Trump zum Präsidenten wählte. Ein Statement, das zeigen soll, dass auch nette Menschen dort leben. Leute, die hart arbeiten, nicht viel haben und trotzdem teilen. Selbst die Bösewichte entpuppen sich als nicht nur aus bitterbösem Holz geschnitzte Gegenspieler. Es ist ein Spiel mit den Klischees, der strahlenden Helden und der fiesen Antagonisten, das hier zu einem anderen Lesevergnügen einlädt. Nur hin und wieder ist es zu viel des Guten. Kommentare gegen einen gewissen Präsidenten finden Lesende dann doch etwas zu oft vor. Wohingegen die versteckten Anspielungen auf andere Werke des Autors gerne vor die Augen treten. Dabei darf sich vor allem das berühmteste Geisterhotel nicht nur auf dem deutschen Cover präsentieren, es darf auch in der Geschichte eine nette Rolle einnehmen. Keine Sorge, das Übernatürliche hat diesmal keinen Platz. So bewegt sich Billys Reise von Anfang bis Ende in wirklichkeitsnahen Bahnen.

Das Buch im Buch

Die literarische Ebene von Stephen Kings Schöpfung bietet einiges Interessantes. Während der Killer nämlich ordentlich als Turmschreiber – eine herrliche Bezeichnung, mit der sich King während seiner Schreibarbeit am Dunklen Turm selbst auseinandersetzte – in die Tasten seines Laptops haut, um seiner Rolle als Autor gerecht zu werden, springt die Handlung in Billys Geschichte. Dabei wechselt der Schreibstil gekonnt zwischen denen hin und her, welche der Kriegsheld für seine verschiedenen Lebensabschnitte verwendet. Kindlich einfach, fehlerhaft so der am Anfang und wortgewandter in späteren Jahren: So präsentiert sich die Geschichte in der Geschichte. Die jedoch größte Überraschung diesbezüglich erwartet uns am emotionalen Ende. Wobei vielleicht nicht alle von uns verblüfft sein werden, denn im Grunde konnte dieses Werk nur auf eine Art enden, um einfach seine volle Wucht zu entfalten. Etwas, das King natürlich weiß und in Billy Summers ausnutzt.

Fazit

Ohne jedes fantastische Element lockt Billy Summers mit einer Geschichte voller realistischer Taten und lebensnahen, vom Schicksal gebeutelten Figuren. Ein Auftragskiller, dessen moralischer Kompass ihm jahrelang den Weg vorgab und nun anfängt zu verblassen und ein Mädchen, das nur knapp dem Tod von der Schippe springt, bilden dabei die zentralen Figuren in diesem Stück. Der Ausgang ist ziemlich klar, animiert vor allem der Weg dorthin zum Lesen. Es ist vorhersehbar, dass der Auftrag nicht wie am Schnürchen läuft, allerdings wird es gerade danach handlungstechnisch richtig interessant. Vorher sind es jedoch schon die Erinnerungen von Billy, die emotional abholen. Vertrauen, Liebe, Freundschaft – genau diese Gefühle stehen im Mittelpunkt und das in einer Geschichte über einen Mordanschlag. Schon immer bewies Stephen King ein Händchen für genau solche Themen. Mit ein paar weniger Sticheleien gegen Trump und kleinen Änderungen im Finale wäre der Roman perfekt, doch so bleibt trotzdem ein lesenswertes Buch zurück.

© Heyne


Veröffentlichung: 9. August 2021

 

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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