Toward the Terra

Das Thema Umwelt schlägt immer höhere Wellen. Insbesondere der Klimawandel sorgt immerzu für Gesprächsstoff unter den Menschen. Mittlerweile zählen düstere Zukunftsszenarien zu unserem Alltag und umweltfreundliche Parteien sind auf dem Vormarsch. Müssen wir wirklich schon erdähnliche Planeten wie ”TOI 700 d” suchen und an der ”Fridays for Future”-Bewegung teilnehmen? Die gute Nachricht lautet: Noch ist unsere Erde nicht am Ende. Anders sieht es jedoch in Toward the Terra, einem Werk von Keiko Takemiya (Andromeda Stories) aus dem Jahr 1977, aus. Dort haben sich die Menschen schon im Weltraum niedergelassen. Nach der Vorlage von Takemiya entstand 2007 unter der Regie von Osamu Yamasaki (Hakuouki: Shinsengumi Kitan) eine Anime-Serie, die sich der dramatischen Geschichte rund um den Protagonisten Jomy Marquis Shin und seinem Widersacher Keith Anyan widmet. Die Worte des Anführers einer Spezies namens Mu (“Menschen sind Wesen, die diejenigen fürchten und zurückweisen, die anders sind”) fangen den Grundton der Serie ein. Es gibt hier nur eine Warnung an die Zuschauer: Nämlich schon ein paar Taschentücher bereit zu halten.

   

Seitdem die Erde durch massive Umweltzerstörung nicht mehr bewohnbar ist, lassen sich die Menschen auf kolonisierten Planeten nieder. Auf ihrer neuen Heimat leben sie als eine von Computern überwachte Gesellschaft, die einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Im Zuge dessen steht auch die Geburtenrate der Population unter Beobachtung. Die Evolution bringt eine neue Spezies mit sich. Sie wird ”Mu” genannt und besitzt besondere Fähigkeiten. Diese Rasse wird von den Menschen gefürchtet, gnadenlos verfolgt und heimlich eliminiert. Ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Mu scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Der Junge Jomy Marquis Shin steht kurz vor seiner Erwachsenenaltersprüfung. Noch ahnt er nicht, dass er ein Mu ist und auf die Abschussliste der SD-Regierung gerät …

Plötzlich ein Feind der Menschheit

Originaltitel Terra e…
Jahr 2007
Episoden 24 (in 1 Staffel)
Genre Science-Fiction, Action, Drama
Regie Osamu Yamasaki
Studio Tokyo Kids, Minami Machi Bugyousho
Bislang nicht in Deutschland erhältlich

Zunächst führt Jomy ein normales und friedliches Leben, denn er hat ein gutes Zuhause, liebevolle Eltern und hinzu noch seine Schulfreunde Sam und Swena. Jedoch rückt sein 14. Geburtstag näher und damit der ”Tag des Erwachens”. An diesem Tag muss Jomy vor einem Supercomputer einen Test des Erwachsenenalters bestehen. Dies bedeutet für ihn, dass er dann zu den Erwachsenen zählt und nicht mehr zu seinem Elternhaus zurückkehren wird. Nicht lange vor dem Test bekommt er merkwürdige Träume und wird verdächtigt, mit einer Spezies namens ”Mu” in Verbindung zu stehen. Die Situation spitzt sich zu, als schon einen Tag vor der Prüfung die ”Universal Control” vor der Tür steht und Jomy zu einem psychologischen Test mitnimmt. Nach fragwürdigen Experimenten wird er wieder nach Hause zurückgeschickt. Dabei stellt sich heraus, dass die Menschen, die ihn aufgezogen haben, gar nicht seine wahren Eltern sind. Die Kindeserziehung findet ausschließlich durch Pflegeeltern statt und Kinder kommen durch In vitro zur Welt, was zur Folge hat, dass Familien ohne Blutsverwandtschaft gebildet werden. Am Tag der Erwachsenenaltersprüfung sollen Jomys Erinnerungen gelöscht werden. Diese will Jomy jedoch nicht verlieren und der Anführer einer Spezies namens Mu kommt ihm zur Hilfe. Ab diesem Zeitpunkt ist Jomy ein ”Nicht-gekennzeichneter” und als Mu ein Feind der Menschheit. So soll er wie alle anderen seiner Artgenossen heimlich aus dem Weg geräumt werden.

Die Spezies und ihr neuer Anführer

Die Mu sind durch Mutationen entstanden und zählen als neuartige Spezies. Die Bezeichnung kann daher durch das englische Wort “Mutation” erklärt werden. Manche Mu besitzen Handicaps, die sich auf verschiedene Arten zeigen können, wie zum Beispiel Stummheit. Anders als Menschen können sie durch Telepathie kommunizieren und telekinetische Kräfte anwenden. Zudem können sie auch die Gedanken anderer Personen lesen. Soldier Blue stellt den sympathischen Anführer der liebenswürdigen Truppe dar. Er ist auch derjenige, der viele von ihnen gerettet hat, bevor sie von der SD-Regierung eliminiert worden wären. Soldier Blue hat ein vorbildhaftes, aber schwieriges Ziel, nämlich die Rückkehr zur Erde und die friedliche Koexistenz mit den Menschen. Jedoch tickt bei ihm die Zeit und er ernennt Jomy zu seinem Nachfolger. Nicht verwunderlich, denn Jomy ist ein Type Blue, ein Mu mit außergewöhnlich starken Kräften, so wie er selbst einer ist. Jomy, der lieber die Erwachsenenaltersprüfung bestanden hätte, lehnt dies zunächst ab. Er sieht sich weiterhin als Mensch und möchte einfach nur zurück zu seinen Eltern. Am Anfang steckt er in einer Trotzphase, wodurch er sich unter den anderen Mu unbeliebt macht und es zu Reibereien kommt. Allerdings fängt er sich mit der Zeit und entwickelt sich zu einem würdigen Nachfolger. So wirkt er später um einiges sympathischer, als zu Beginn. Zu den wichtigeren Figuren unter der Führung von Jomy, zählt auch eine blinde Frau namens Physis, die anhand von Tarotkarten die Zukunft voraussagen kann. Ihre Vergangenheit liegt zunächst im Dunkeln und ihr Interesse an Keith Anyan wirft Fragezeichen auf. Durch ihre angenehme und ruhige Art tritt sie positiv in Erscheinung.

Kalt wie eine Maschine … oder doch nicht?

Für die Geschichte spielt die Figur des Keith Anyan eine tragende Rolle. Im Verlauf der Serie wechselt der Fokus zwischen Jomy und Keith hin und her. Es können sogar beide als Protagonisten bezeichnet werden. So kommt es durchaus vor, dass Keith ein paar Folgen begleitet wird und die nächsten Episoden Jomy. Dabei wird ein guter Einblick in das Wesen dieser Charaktere geboten. Keith gehört zu den Studenten der Bildungsstation E-1077 und lernt dort Sam und Swena kennen, die einstigen Schulfreunde von Jomy. Er ist dabei, einer der Members zu werden und im Militär gegen die Mu zu dienen. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen und seines kühlen Verhaltens wird er von seinen Mitschülern öfters angefeindet. Insbesondere von Seki Rei Shiroe, der ihn sogar als Android ohne Gefühle bezeichnet. Das Ganze wird durch Keiths Unterhaltungen mit dem Android namens Mother Eliza bestärkt. Die rebellische Einstellung von Seki gegenüber dem System bringt Keith immer mehr zum Nachdenken. Dabei stellt sich die Frage, was sich wirklich hinter seinem Charakter verbirgt. Ist er eine kalte Maschine oder doch ein Mensch? Ohne Zweifel stellt Seki eine der wichtigsten, aber auch tragischsten Figuren in Toward the Terra dar. Denn er kann in Keith eine Saat säen, die im Laufe der Serie spürbar wird. Keith, der sich nichts aus Rängen macht und sich lieber mit Menschen abgibt, die nicht so talentiert sind wie er, kann rasant die Sympathie des Zuschauers auf seine Seite ziehen. Auf der anderen Seite steht Seki, der nicht erwachsen werden möchte und das Buch Peter Pan favorisiert. Letztendlich ist Keith ein durchdachter, aber auch mysteriöser Charakter und nicht nur seine Interaktionen mit Seki sorgen für eine Menge Spannung, sondern auch die mit Jomy, seinem Gefolgsmann Matsuka und Physis. Er zählt zu den Charakteren mit der größten Charakterentwicklung und kann sogar als der Star des Animes bezeichnet werden.

Die Umsetzung wirkt nach Jahren etwas angestaubt

Der Manga von Toward the Terra erschien von 1977 bis 1980 in drei Bänden und zählt zu einem der bekanntesten Werken der Mangaka Keiko Takemiya. Bei der Anime-Serie von 2007 handelt es sich um die zweite Adaption des Stoffes, denn schon 1980 wurde ein Film von Toei Animation (Sailor Moon) produziert. Der Adaption als TV-Serie nahmen sich Tokyo Kids und Minami Machi Bugyousho an, die den meisten Zuschauern als Studios kaum noch ein Begriff sein werden. Die Animationen können mit aktuellen Produktionen nicht mehr mithalten und auch schon für die Verhältnisse von 2007 sind sie eher durchschnittlich. Generell könnte die Serie ein Upgrade auf Blu-ray vertragen. Die eine oder andere Szene hätte hier durchaus detaillierter ausfallen können. Das Charakterdesign wird nah am Original gehalten, wodurch nicht schwer zu erkennen ist, dass es sich um die Umsetzung eines älteren Werkes handelt.

Die Klänge des Weltraums

Das erste Opening ”Endscape” wurde von einer in der Anime-Szene bekannten Band beigesteuert. Die Rede ist von UVERworld (zuständig für das Opening von The Promised Neverland), die auch hier mit einem rockigen Song von der Partie ist. In dem Fall nicht unbedingt ein Ohrwurm-Auslöser, da hat die Band schon andere Lieder geschrieben, die mehr Potenzial dazu haben. Am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, da es musikalisch nicht wirklich zu einem Weltraum-Anime passen will. Anders sieht es beim zweiten Opening ”Jet Boy Jet Girl” von Hitomi Takahashi aus. Nicht nur der Song wurde passender gewählt, sondern auch visuell bietet es einfach mehr. Die Handgreif-Momente im Video stellen ein Highlight dar, denn hier wird deutlich, dass sich der Ersteller des Storyboards Gedanken gemacht hat und nicht nur irgendwelche Szenen aneinander gereiht hat. Die Endings der Serie kommen nicht an die Openings heran und sind relativ schnell vergessen. Der Soundtrack von Yasuharu Takanashi (Fairy Tail) sorgt größtenteils für eine melancholische Stimmung, was die tragische Geschichte rund um die Mu-Spezies unterstützt und viele Szenen emotionaler wirken lässt. Einige Musikstücke, die besonders in Erinnerung bleiben sind ”Nureta Tsubasa”, ”Aoi Hoshi”, ”Physis”, ”Shiroki Kuuro”, ”Terra e…” und ”Himitsu”.

Fazit

Toward the Terra zählt zu den Werken, bei denen ich wirklich sehr froh bin, dass ich zufällig über es gestolpert bin. Denn was sich hinter dem Anime verbirgt, konnte ich trotz Beschreibung nicht erahnen. Die Serie steckt nämlich voller Emotionen und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich hier nicht ein paar Tränchen verdrückt habe. Besser gesagt, selten haben mich eine Geschichte und ihre Charaktere so berührt, wie es hier der Fall ist. Es ist bedauerlich, dass dieses Werk so wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. 2007 war aber auch kein gutes Jahr für Animes in Deutschland, wenn man es mit dem heutigen Markt vergleicht. Ein Remake von einem renommierten Studio wäre aber durchaus ein Wunsch für die Zukunft, denn das hätte dieses Werk wirklich verdient. Über die Figur des Keith Anyan könnte ich eine ganze Lobeshymne schreiben. Nachdem sein Charakter in der sechsten Folge eingeführt wird, konnte ich nicht mehr aufhören weiterzuschauen. Für mich eine der facettenreichsten Figuren, die ich bisher in einem Anime sehen durfte. Ich kann hier ruhigen Gewissens sagen, dass er den Verlauf der Serie positiv beeinflusst. Es macht wirklich Spaß dabei zuzusehen, wie er sich mit der Zeit verändert. Er wird von Takehito Koyasu (Dio Brando in JoJo’s Bizarre Adventure) gesprochen und ich finde, dass die Stimmfarbe passend gewählt wurde. Die Interaktionen zwischen ihm und Jomy sind gegen Ende einfach großartig. Hierbei kann ich nur anraten, zum Schluss noch unbedingt den kurzen Epilog anzusehen, der sich nach der 24. Folge abspielt, denn dort wird gezeigt, dass Jomy und Keith irgendwann in der Zukunft wiedergeboren worden sind. Während sie im vorherigen Leben Feinde waren, sind sie im neuen Freunde geworden. Eine wundervolle und rührende Szene, die uns der Epilog zeigt. Letztendlich gehört Toward the Terra zu den beeindruckendsten Geschichten, die man unter den Space Operas finden kann. Wer gerne Weltraum-Animes schaut oder noch Fan davon werden will, kann hier gar nicht viel falsch machen. Es wäre ein Fehler, sich von der angestaubten Optik abschrecken zu lassen, denn damit würde man dem herzergreifendem Titel Unrecht tun.

© Tokyo Kids, Minami Machi Bugyousho

Alva Sangai

Alva Sangai beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Medien verschiedenster Art. Egal, ob Serien, Filme, Anime oder Manga. Dabei spielt es keine Rolle aus welchem Land die Produktionen stammen, denn Alva ist da sehr weltoffen. Des Weiteren hört sie gerne Musik, schreibt Geschichten und zeichnet ab und zu. Ein Tee oder ein Cappuccino darf dabei natürlich nicht fehlen. Nebenbei beschäftigt sich Alva mit den vielen Funktionen von Clip Studio Paint EX, denn sie möchte sich in der Zukunft an einem Web-Comic versuchen. Der Name Alva Sangai setzt sich aus dem Vornamen der Protagonistin ihrer ersten längeren Geschichte, sowie ”Sangai”, Hirschen die nur in Manipur (Indien) zu finden sind, zusammen. Sangai spielt also auf ihre Bollywood-Artikel an.

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Aki
Aki
Redakteur
25. Februar 2020 18:38

Gott, was habe ich bei dem Anime Rotz und Wasser geheult. T_T Ich bin auch recht unbedarft an den Titel heran, weil ich gar nicht genau wusste, worum es geht. War damals eher Zufall, wie auch ich darüber gestolpert bin.

Meine Lieblingsfigur ist Blue, der Anfürher der Mu-Gruppe, die er wirklich versucht vor allem zu beschützen und dabei so einiges durch macht. Im Grunde machen alle so viel hier durch, dass es kaum jemanden wohl nicht berühren wird. Schließlich ist es alles Themen, die nie nicht aktuelle werden. Was mir dabei besonders gut gefällt, dass es auf beiden Seiten Ängste vor der anderen Rasse gibt und deswegen keine Seite vor Fehlern befreit bleibt.

Schade finde ich, dass die Animationen leider sehr bescheiden sind. Dabei ist gerade das Charakter Design doch recht ansprechend, doch gibt es immer weider Unschönheiten. Die Openings habe ich als gut hörbar in Erinnerung.