Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft
Was geht in einem Kind vor, wenn es auf einmal einen jüngeren Bruder oder eine jüngere Schwester bekommt? Der in Japan 2018 erschienene und von Studio Chizu produzierte Anime-Film Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft entführt uns in die Welt des vierjährigen Kun, der sich mit der Geburt seiner kleinen Schwester vernachlässigt fühlt. Der Film des beliebten Regisseurs Mamoru Hosoda (Ame & Yuki – Die Wolfskinder) lief im Rahmen der KAZÉ Anime Nights 2019 im Kino, die Veröffentlichung auf DVD und Blu-Ray erfolgte am 4. Oktober 2019.
Kun ist vier Jahre alt und lebte seither zusammen mit seinen Eltern und dem Familienhund, doch eines Tages kommt alles anders: seine Mutter bringt ein Baby nach Hause! Zunächst ist der Junge neugierig auf seine neugeborene Schwester, die den Namen “Mirai” (= japanisch für “Zukunft”) erhält, doch bald kocht die Eifersucht auf. Mirai bekommt als Baby einen Großteil der Aufmerksamkeit des Umfeldes und Kun beschließt, dass er sie nicht leiden kann. Da begegnet er auf einmal einer jugendlichen Mirai aus der Zukunft …
Verzweifelter Ruf nach Aufmerksamkeit
Originaltitel | Mirai no Mirai |
Jahr | 2018 |
Laufzeit | 98 Minuten |
Genre | Fantasy |
Regie | Mamoru Hosoda |
Studio | Studio Chizu |
Veröffentlichung: 4. Oktober 2019 |
Kun versucht die Aufmerksamkeit seiner Eltern fortan dadurch zu erhalten, dass er sich gezielt falsch benimmt: er räumt sein Spielzeug nicht auf, ärgert seine kleine Schwester (bis zu dem Punkt, an dem er ihr einen Spielzeug-Shinkansen auf den Kopf schlägt) und quengelt so viel es möglich ist. Natürlich hat das eher den gegenteiligen Effekt und es fällt ihm in seinem Alter schwer, zu verstehen, warum ein Neugeborenes schlicht mehr Aufmerksamkeit braucht als er. Als Zuschauer*in fällt es manchmal etwas schwer, das Verhalten des Jungen zu verstehen, denn man muss sich schon immer wieder vor Augen halten, wie jung er noch ist und wie die neue Situation auf ihn wirkt. Für Kun kommt noch hinzu, dass bis jetzt seine Mutter zu Hause für ihn und den Haushalt zuständig war, nun ist das jedoch umgekehrt. Nach einer kurzen Pause steigt seine Mutter wieder zurück in den Job ein, sein Vater arbeitet stattdessen von zu Hause aus und muss sich hauptsächlich um den Haushalt und die Kinder kümmern. Diese Veränderungen fällt Kun zunächst schwer zu akzeptieren, schnell scheint er damit aber zurechtzukommen. Es ist durchaus interessant, eine insbesondere in Japan eher unübliche Rollenverteilung in der Familie zu sehen und wie diese für beide Elternteile neue Dynamik sich einspielt.
Fantasievolle Reise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Kun flüchtet sich, wenn er wütend oder traurig ist, in den Garten und dort beginnen seine übernatürlichen Erfahrungen und Begegnungen. Zunächst begegnet er dem Familienhund in menschlicher Gestalt (und stellt fest, dass dieser sich ebenfalls vernachlässigt fühlte, als ihm Kun auf einmal die Aufmerksamkeit stahl), dann aber seiner Schwester Mirai als Teenager. Er begegnet auf seiner Reise durch die Zeit aber nicht nur seiner Schwester Mirai aus der Zukunft, sondern auch seiner Mutter als Grundschülerin, seinem Urgroßvater als jungem Mann und auch sich selbst als Jugendlichem. Interessant sind die Parallelen zwischen Kun und seiner Familie, so ist Kuns Mutter als Kind mindestens so chaotisch und ungehorsam wie er, wenn nicht sogar noch extremer. Letzten Endes ist die Handlung Kuns Entwicklung zu dem Punkt, an dem er sich als Mirais großer Bruder empfindet und sie als neues Familienmitglied akzeptiert. Diese Entwicklung wird durch die fantasievolle Reise Kuns liebevoll umgesetzt, die fantastischen Elemente kann man dabei sicherlich auch als die Vorstellungskraft Kuns interpretieren, schließlich erleben Zuschauer*innen die Handlung durch die Perspektive des jungen Protagonisten.
Inspiriert von Hosodas Privatleben
Tatsächlich ist die Handlung des Films von Hosodas eigenem Familienleben inspiriert. Die Idee kam ihm nachdem er mit der Geburt seiner Tochter zum zweiten Mal Vater wurde und ihm sein Sohn erzählte, dass er einen Traum davon hatte, wie er seine jüngere Schwester in der Zukunft getroffen hat. Dementsprechend basieren die beiden Protagonisten Kun und Mirai auf seinen eigenen Kindern, was den Film vermutlich zum persönlichsten Film Hosodas macht. Die Thematik “Familie” zieht sich jedoch ohnehin wie ein roter Faden durch viele seiner Werke, wie auch zum Beispiel Summer Wars oder Ame & Yuki – Die Wolfskinder. Wundervoll ist dabei stets die Verbindung mit fantasievollen Elementen, wie hier Kuns Reise durch die Zeit und die eigene Familiengeschichte. Die Animationen von Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft präsentieren sich als farbenfroh, im Vergleich zu Hosodas früheren Filmen kommen zwar vermehrt CGI-Animationen zum Einsatz, diese sind aber von hoher Qualität und fügen sich wunderbar in das Gesamtbild ein.
Fazit
Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft ist ein rührender Film darüber, wie Kinder sich mit der Ankunft eines neuen Familienmitgliedes zurechtfinden, der mit einer ordentlichen Dosis Fantasy die Thematik gelungen aufpeppt. Hosoda gelingt es auf ganz natürliche Weise, dass die Handlung emotional einschlägt und die Balance zwischen Realität und Fantasy ist schnell gefunden. Ich selbst bin sowieso ein großer Fan von Mamoru Hosoda als Regisseur und auch hier bin ich wieder beeindruckt, wie das Thema Familie durch fantasievolle Elemente noch einmal spannender gestaltet wird. Im Laufe des Films habe ich auch die ein oder andere Träne verdrückt, weil mich die Handlung sehr berührt hat. Wer die Vorgängerfilme von Hosoda mag oder einfach offen für eine Mischung aus Fantasy und Realität mit einem Kind als Protagonisten ist, sollte sich den Film nicht entgehen lassen.
© Kazé Anime
Veröffentlichung: 4. Oktober 2019