Mermaid Forest
Wer an Meerjungfrauen denkt, wird sich in erster Linie schöne und gutmütige Wesen vorstellen. Schließlich werden diese in vielerlei Werken so dargestellt. Die Mangaka Rumiko Takahashi drehte jedoch in Mermaid Forest den Spieß um und bediente sich dabei der japanischen Mythologie. Hier sind Meerjungfrauen nicht nur unansehnliche, sondern auch bösartige Kreaturen. Damit erschuf sie schon einige Jahre vor Inu Yasha eines ihrer düstersten Werke. Anders als in ihren üblichen Manga-Serien erzählt Takahashi hier eine bedrückende und mysteriöse Geschichte, die nur mit wenig Comedy auskommt. Das Studio TMS Entertainment (Detektiv Conan) produzierte unter der Regie von Masaharu Okuwaki (Aishiteruze Baby) sieben Jahre nach Ende des Horror-Mangas eine weitere und längere Anime-Umsetzung des Stoffes. Vorher wurden nur Teile der Geschichte als OVAs umgesetzt. Aufgrund ihrer Brutalität, insbesondere in den letzten Folgen, ist die Serie allerdings nichts für Zartbesaitete.
Eine alte Legende besagt, dass derjenige, der vom Fleisch einer Meerjungfrau isst, nicht nur unsterblich wird, sondern auch die ewige Jugend erlangt. Jedoch beinhaltet das Fleisch ein Gift, wodurch nicht jedem Menschen dieses Glück zuteil wird. Viele sterben durch das begehrte Fleisch oder verwandeln sich in gefährliche Monster. Manche von ihnen wandeln als seelenlose Fischmenschen umher. Ein Mann namens Yuta weiß, dass die Legende der Wahrheit enspricht, denn er selbst ist vor 500 Jahren durch das Fleisch einer Meerjungfrau unsterblich geworden. Allerdings bedeutet Unsterblichkeit nicht, dass er nicht trotzdem quallvolle Verletzungen und Tode durchleben muss, nur um sich später wieder aus seinem Grab zu erheben. Mit der Zeit muss er sich eingestehen, dass es sich dabei viel mehr um einen Fluch handelt. Je mehr Menschen er trifft, deren Leben durch das Meerjungfrauenfleisch zerstört wurden, desto mehr wünscht er sich seine Sterblichkeit zurück. Sein einsames Leben ändert sich, als er das Mädchen Mana aus einem Dorf voller Meerjungfrauen entführt…
Ein ungebetener Gast bei den Meerjungfrauen
Originaltitel | Takahashi Rumiko Gekijou Ningyo no Mori |
Jahr | 2003 |
Episoden | 13 in 1 Staffel |
Genre | Drama, Horror, Fantasy |
Regisseur | Masaharu Okuwaki |
Studio | TMS Entertainent |
Eines Tages geht Yuta auf seiner Reise durch ein merkwürdiges Dorf. Dieses ist nur von jungen und alten Frauen bevölkert, die einander vom Aussehen wie ein Ei dem anderen gleichen. Noch verrückter klingt die Frage einer alten Frau: ,,Vermisst dich jemand, wenn du verschwindest?” Ohne Skrupel töten sie Yuta, jedoch wissen sie nicht, dass er unsterblich ist. Einige Zeit später taucht er nochmals bei den Frauen auf und nimmt das Mädchen Mana als Geisel. Doch er muss feststellen, dass Mana selbst eine Gefangene ist, denn sie wurde schon von Kindesbeinen an in Fußfessel gesteckt. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei den Frauen des Dorfes um Meerjungfrauen, die die hübsche Mana nur aufgezogen haben, um sie zu essen. So füttern sie das Mädchen mit dem Fleisch einer Artgenossin, die sie geopfert haben. Sie wollen Manas Schönheit und Jugend auf sich selbst übertragen. Tatsächlich kann eine Meerjungfrau das Gesicht von Mana erhalten, indem sie diese in den Arm beißt. Hier zeigen die angreifenden Meeresfrauen ihr wahres Gesicht, welches wie eine hässliche Mischung aus Mensch und Karpfen aussehen. Schlimmeres kann Yuta aber verhindern, denn er schafft es, Mana zu beschützen. Sie, die Vertrauen in Yuta gefasst hat, verlässt mit ihm das Dorf. Dies ist der Beginn eines tragischen Abenteuers zweier unsterblicher Menschen.
Zwischen Gegenwart und Vergangenheit
Neben der Haupthandlung, die aus Manas und Yutas Abenteuern in der Gegenwart besteht, drehen sich manche Folgen um Yutas Vergangenheit. Dieser hat in seinem Leben schon eine Menge erlebt, und da gibt es die eine oder andere verflossene Liebe. So schwelgt der Charakter öfter in Erinnerungen. Meist verlaufen die Geschichten nach einem recht ähnlichen Schema, denn sie nehmen in der Regel ein tragisches Ende. Durch das lange Leben musste Yuta einige Tode miterleben. Manche seiner Bekanntschaften starben durch ihr Alter, andere wurden getötet oder haben sich mit dem Meerjungfrauenfleisch vergiftet. Er dagegen wartete immer wieder auf den Tod, der letztendlich nie eintrat. Mit dem Aussehen eines jungen Mannes und der Lebenserfahrung eines 500 Jahre alten Menschen sucht er zusammen mit Mana nach einer Möglichkeit, den Fluch loszuwerden. Er möchte einfach wie ein normaler Mensch altern und sterben. Die Gier nach dem Meerjungfrauenfleisch ist groß, so finden sich auch in der Gegenwart Menschen, die dieses haben wollen. Es werden einige menschliche Schicksale beleuchtet, die alle mit dem Meerjungfrauenfleisch verwoben sind. Besonders in Erinnerung dürften einem als Zuschauer die Geschichten ”Wald der Meerjungfrau”, ”Eine versprochene Zukunft” und ”Schatten der Unsterblichkeit” bleiben. Die Serie ist da recht episodenhaft aufgebaut, so sind den meisten Abschnitten jeweils zwei Folgen gewidmet. Die Charaktere tingeln von einem Abenteuer zum nächsten, was aber durchgehende Spannung garantiert.
Das mystische Mermaid Forest
Die Manga-Vorlage des Animes erschien in Japan unter dem Titel “Ningyo no Mori”, während sie in Deutschland als Mermaid Saga bei Egmont Manga in vier Bänden erschien. Der Anime von 2003 setzt bis auf den Abschnitt ”Mermaid’s Gaze” alle Kapitel des Mangas um. Da die Brutalität des Titels in animierter Form ohnehin schon eingedämmt wurde, entschieden sich die Produzenten dazu, ”Mermaid’s Gaze” auszulassen, da es den gewalttätigsten Abschnitt des Werkes darstellt. Die Geschichte rund um die Meerjungfrauen basiert auf der Legende von Yao Bikuni, von der sich Rumiko Takahashi inspirieren ließ. In der japanischen Folklore handelt es sich bei den sogenannten ”Ningyo” um Mischwesen aus einem Affen und einem Karpfen. Diese haben mit den wunderschönen Mädchen, als die Meerjungfrauen normalerweise beschrieben werden, nicht viel gemein. Dazu sollen sie Unglück und Schmerz über die Menschen bringen. Aus der japanischen Glaubenswelt entspringt die Vorstellung, dass unsterbliches Leben widernatürlich ist und einem Fluch gleicht. Denn in Japan besteht der ideale Ablauf des Lebens aus Geburt, Aufwachsen, Altern und Sterben. In Mermaid Forest wird neben dem Fleisch einer Meerjungfrau auch deren Asche, Herzblut und Leber verwendet. So lassen sich sogar Tote wiedererwecken, obwohl nur noch ein Skelett vorhanden ist. Die Sache hat aber einen Haken, da die Wirkung irgendwann nachlässt und sie wieder zu dem werden, was sie vorher waren.
Der Klang der Meerjungfrauen und die deutsche Vertonung
Das Opening “Like An Angel” von Chiaki Ishikawa fängt mit dem Songtext sehr passend das Wesen der Geschichte ein. Allein die Zeilen ,,Jemand, mit dem ich meine Gefühle teilen und darüber reden kann… Diesem Menschen möchte ich begegnen” beschreiben in gewisser Weise Yuta, der sich nach Gleichgesinnten sehnt und in Mana auch eine findet. Das Lied erzeugt einen melancholischen Eindruck und visuell kommen Charaktere aus den verschiedenen Geschichten vor. Das Ending “Mizu tamari” von Kayoko bietet visuell nicht allzu viel, aber der Song erweist sich ebenfalls als passend zur Serie. Eine Zeile, die einem ins Auge sticht, ist ,,Wer sich nicht ändert, bin ich das?”, was sich sicher auf die Unterblichkeit und die fehlende Veränderung bezieht. Mit dem Intro kann das Outro dennoch nicht mithalten, da es doch recht schnell wieder vergessen ist. Der Soundtrack des Animes kann sich hören lassen. Dieser unterstützt die mysteriöse und düstere Atmosphäre der Serie. Die deutsche Synchronisation wurde von dem Publisher Red Planet in Auftrag gegeben und entstand bei der Filmproduktion Rainer Brandt. Yuta wird von dem in der Anime-Community sehr bekannten Sebastian Schulz (Yami Yugi in Yu-Gi-Oh!: Duel Monsters) gesprochen. Dieser erweist sich als eine gute Wahl für die Rolle. Auch Mana, die von Julia Kaufmann (Misato Katsuragi in Neon Genesis Evangelion) vertont wurde, ist passend gewählt. Bei den Nebenrollen fällt ebenfalls niemand negativ auf, womit die Synchronisation insgesamt ganz stimmig ausfällt.
Fazit
Die Serie gehört zu den unterschätzten Werken von Rumiko Takahashi. Mich hat sie sehr gut unterhalten und ich habe sie schon mehrfach angesehen. Allein atmosphärisch ist der Anime eine Wucht, denn man findet tatsächlich nicht viele Produktionen wie Mermaid Forest. Ein Titel, den man sich nachts anschauen kann und den ich sogar auf eine gewisse Art unheimlicher finde, als Inu Yasha. Animationstechnisch hätte man hier durchaus mehr rausholen können, aber mit heutigen Produktionen kann ein Anime von 2003 nicht mithalten. Besonders gefällt mir der Abschnitt ”Wald der Meerjungfrau”, wo es um die weißhaarige Frau Towa Kannagi geht. Ich kann ihre Beweggründe für ihre Taten nachvollziehen und mit ihr mitfühlen. Hier hätte ich mir sogar gewünscht, dass ihre Geschichte länger ausgefallen wäre. Nebenbei mag ich Towas Charakterdesign ganz gern. Ein ziemlicher Schocker ist der letzte Abschnitt ”Schatten der Unsterblichkeit” rund um den kleinen Jungen Masato. Denn dieser ist nicht so unschuldig, wie er aussieht. So legt die Serie gegen Ende nochmal richtig an Brutalität zu. Nicht verwunderlich, dass in Japan der letzte Abschnitt nicht im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Das Fehlen von ”Mermaid’s Gaze” im Anime ist sehr schade, denn ich empfinde diese Erzählung als eine der besten im Manga. Letztendlich zählt die Geschichte rund um Yuta und Mana zu meinen Lieblingswerken der Mangaka. Bedauerlich, dass sie an dem Manga nicht weitergezeichnet hat. Vielleicht hätten dann mehr Leute diese Perle für sich entdeckt. In Zeiten von Attack on Titan, The Promised Neverland und Tokyo Ghoul, die alle Menschen auf dem Speiseplan haben, wäre sogar eine neue Anime-Umsetzung von Mermaid Forest keine schlechte Idee. Ein guter Aspekt des Werkes ist, dass hier nicht nur Menschen das Fleisch von Meerjungfrauen essen, sondern auch Meerjungfrauen Menschen essen, die ihr Fleisch gegessen haben. Wenn man es genauer betrachtet, ist es schon eine ziemlich verrückte, aber auch sehr traurige Geschichte. Allerdings sollte man nicht erwarten, dass viele Meerjungfrauen vorkommen, da der Fokus mehr auf den Schicksalen verschiedener Menschen liegt. Wer Inu Yasha mag, kann mit Mermaid Forest nicht viel falsch machen.
© TMS Entertainment
Wirklich eine sehr schöne Serie, von der man einfach mehr gehabt haben sollte. Ein Jammer, dass nicht der ganze Manga adaptiert wurde. Mermaid Forest versprüht viel 90er-Horror-Charme, den man bei heutigen Serien leider gar nicht mehr findet. Dazu tragen die Charakterdesigns mit ihren dunklen Schattierungen unheimlich bei. Nicht ganz so rund finde ich die Episodenerzählungen. Ich bevorzuge immer eine stringente Erzählung gegenüber Mini-Arcs. Wird durch die Action zwar nie langweilig, aber so im Gesamtkonstrukt wäre es schon netter. Mit Yuuta und Mana gibt es immerhin akzeptable Hauptfiguren, was aber dann auch dafür sorgte, dass Folgen, die vor ihrer Zeit spielten, meinen Geschmack weniger treffen.
Gerade die fehlende Geschichte hätte ich echt gern animiert gesehen, auch wenn ich sie als verstörend in Erinnerung hab. Weiß gar nicht mehr wieso XD Aber war auch eine Geschichte mit Geschwistern, wo glaub ich der Bruder seiner Schwester das Leben zur Hölle machte. Manchmal frage ich mich schon, warum Rumiko Takahashi nicht einfach nochmal Mermaid Saga aufgreift. Wäre viel besser gewesen als 40 Bände von Kyokai no Rinne zu zeichnen, was definitiv ihre schwächste Serie ist. Keine ahnung was sie sich dabei gedacht hat. Zwei kaum bekannte Geschichten, die ich auch noch von Rumiko echt gut finde sind ”Fire Tripper” und ”The Laughing Target”. Hier finde ich auch schade, dass sie nicht was längeres draus gemacht hat. Wobei ”Fire Tripper” sicher für das spätere Inuyasha maßgebend war. Immerhin scheint ihre neue Reihe ”MAO” wieder mehr nach meinem Geschmack zu sein 😀