Gunslinger Girl
“Girls with Guns” nennt sich ein beliebtes Subgenre des Action-Genres: Wie der Name schon sagt, werden hierbei weibliche Protagonisten mit Pistolen als Waffen ins Rampenlicht gerückt. Auch die 2003 ausgestrahlte erste Staffel der Anime-Serie Gunslinger Girl gehört diesem Subgenre an. Doch anders als andere Vertreter setzt Gunslinger Girl von Regisseur Morio Asaka den Fokus nicht einfach auf coole Action mit um sich schießenden Frauen, sondern vor allem auf die Entwicklung der Charaktere. Die dramatische 13-teilige erste Staffel nach der gleichnamigen Manga-Vorlage erschien erstmals 2008 in Deutschland auf DVD. Hardball Films veröffentlichte die erste Staffel der vom Studio Madhouse produzierten Serie am 7. April 2022 nun sowohl erneut auf DVD als auch erstmals auf Blu-ray in einer schicken Gesamtausgabe.
Die Mädchen Henrietta, Rico, Triela, Claes und Angelica leben unter dem Dach der “staatlichen Gesellschaft für soziale Wohlfahrt” in Italien. Sie mögen auf den ersten Blick wie normale Teenager wirken, doch tatsächlich wurden sie zu Cyborgs modifiziert und mittels “Konditionierung” einer Gehirnwäsche unterzogen. Denn die staatliche Gesellschaft für soziale Wohlfahrt ist in Wirklichkeit eine Geheimorganisation der Regierung, die aus totgeweihten jungen Mädchen Kampfmaschinen macht. Gemeinsam mit einem Betreuer bilden die Cyborg-Mädchen ein “Fratello-Paar”, das im Hintergrund Feinde der Regierung auslöscht.
Viel mehr als Girls with Guns
Originaltitel | Gunslinger Girl |
Jahr | 2003 |
Episoden | 13 (in Staffel 1) |
Genre | Drama, Science-Fiction, Action |
Regie | Morio Asaka |
Studio | Madhouse |
Veröffentlichung: 7. April 2022 |
Wer bei Gunslinger Girl nur ein Action-Fest mit coolen bewaffneten Mädels erwartet, liegt falsch: Denn tatsächlich ist die Serie eher realistisch gehalten und stellt damit auch ziemlich schwere Kost dar. Diese Mädchen, die in der Regel bereits eine äußerst traumatische Erfahrung machen mussten, wurden von der Organisation zu reinen Werkzeugen degradiert. Die Konditionierung ist eine Gehirnwäsche, die ihre Lebenszeit drastisch verkürzt und sie quasi umprogrammiert, sei es um ihren Betreuer mit ihrem Leben zu schützen oder schlicht als Killermaschine zu funktionieren. Deswegen ist die Atmosphäre auch eher bedrückender bis trauriger Natur. Das wird bei der Vergangenheit der Mädchen deutlich, die in ihrer Grausamkeit schwer zu erfassen ist: Henrietta ist etwa die einzige Überlebende eines Massakers an ihrer Familie, bei dem sie noch dazu mehrfach vergewaltigt wurde. Bei der Konditionierung wurde ihre Erinnerung gelöscht, was angesichts der Umstände fast als Segen betrachtet werden könnte. Doch ihr neues Leben besteht nur daraus, als Waffe zu funktionieren, was das Ganze umso tragischer macht, auch wenn sie selbst das nicht so empfindet. Lichtblick ist Henriettas Betreuer Jose, der sich rührend um sie kümmert und das entgegen der Ratschläge seiner Kollegen. Auch lehnt er es ab, sie mehr als nötig einer Konditionierung zu unterziehen. Innerhalb der Handlung folgen wir Henrietta und Jose, aber auch den anderen Fratello-Paaren bei ihrem Alltag. Gleichzeitig erfahren wir mehr über das Cyborg-Programm und die größere Bedrohung der italienischen Regierung, die sich als “Republikaner” bezeichnen.
Psychological-Elemente sorgen für mehr Tiefe
Während es selbstverständlich auch einiges an (allerdings realistisch gehaltener) Action mittels Pistolengefechten und Einsätzen gibt, gestaltet sich das Erzähltempo der Serie sehr ruhig. Den fünf Protagonistinnen Henrietta, Rico, Triela, Angelica und Claes wird jeweils mindestens eine eigene Episode gewidmet, die ihre Vergangenheit, ihre Gefühle und ihre Gedanken beleuchten. Diese Psychological-Elemente verleihen der Geschichte und ihren Figuren deutlich mehr Tiefe als man zunächst erwarten würde. Damit präsentiert sich Gunslinger Girl als ein Titel mit großem Charakterfokus, was dafür sorgt, dass man als Zuschauer:in schnell eine Bindung zu diesen aufbaut. Auch den unterschiedlichen Beziehungen wird viel Screentime eingeräumt, sei es zwischen den Mädchen untereinander oder zu ihren Betreuern. Hierbei ist auch Abwechslung gegeben, denn keine Figur ist genau wie die andere. Rico erinnert sich etwa anders als ihre Kolleginnen noch an ihre Vergangenheit vor der Modifizierung und kennt auch ihre Eltern. Trotz dessen ist sie gar dankbar für ihren Cyborg-Körper und ihr neues Leben, da sie zuvor so krank war, dass sie nur im Krankenhaus liegen konnte. Ebenso fällt auch die Beziehung zwischen dem Mädchen und ihrem Betreuer stets anders aus. Vor allem gestalten diese sich erstaunlich mehrschichtig und keineswegs eindimensional. Innerhalb nur weniger Momente gelingt es (auch trotz viel Subtilität) eine Menge über diese ungewöhnliche Bindung auszusagen. Es gibt eben nicht nur den gefühlvollen oder den kaltherzigen Umgang mit dem zugewiesenen Mädchen, sondern viele Grautöne, oftmals auch bedingt durch die Umstände.
Melancholische Töne
Musikalisch setzt Gunslinger Girl passend zur Thematik und zur Stimmung der Serie auf melancholische, leise Töne. Gerade das von Instrumentalmusik geprägte Opening “The Light Before We Land” der schottischen Band The Delgados vermittelt sofort einen guten Eindruck des Tenors der Serie. Denn auch die verwendeten Bilder sind nicht hektisch, sondern strahlen Ruhe und eine bittersüße Note aus. Ebenfalls grandios: Das Ending “Dopo il Sogno” von Yoshitaka Kitanami. Der atmosphärische Soundtrack setzt auch auf klassische Musik, was ebenfalls gut passt. Der Stil der Anime-Serie ist eher dunkel gehalten, auf strahlende Farben oder überspitzte Darstellungen wartet man vergeblich. Die Charakterdesigns wirken realistischer als man es von sonstigen Anime-Produktionen gewöhnt ist und auch die Ethnizität dieser ist eher unüblich, schließlich spielt die Handlung in Italien, sodass die Charaktere europäischer Herkunft sind. Da die Cyborg-Modifizierung nicht direkt zu sehen ist, sondern lediglich anhand übermenschlicher Aktionen dargestellt wird, wirkt die ganze Serie erstaunlich authentisch. Inhaltlich setzt die erste Staffel die ersten beiden Bände von Yu Aidas 15-teiliger Manga-Reihe um (erlaubt sich hierbei jedoch Freiheiten wie eine neue Reihenfolge der Ereignisse und erweiterten Szenen), wobei die Serie dennoch ein erstaunlich rundes Bild abgibt. Das liegt vor allem daran, dass die Staffel fast episodisch wirkt. Die größere Bedrohung spielt sich noch eher im Hintergrund ab und es geht vor allem um die Charaktere und einzelne Aufträge.
Eine wunderschöne Neuveröffentlichung
Hardball Films bringt die erste Staffel der Serie neben der DVD-Fassung auch erstmals auf Blu-ray in die Regale und damit eine HD-Fassung der 13 Episoden auf die Bildschirme. Dadurch begeistert das Bild mit scharfen Konturen und einfach höchster Qualität, was gerade aufgrund des Alters der Serie erstaunt. Bei der deutschen Synchro handelt es sich um jene, die einst für die Erstveröffentlichung bei Elektrofilm Postproduction Facilities entstand. Diese präsentiert sich als durchschnittlich bis teilweise eher durchwachsen, aber das ist letzten Endes vor allem Geschmackssache und der Originalton mit deutschen Untertiteln bleibt stets eine Option. Die deutsche Neuveröffentlichung kommt als Collector’s Edition in einem schönen Digipack mit Schuber daher, diese werden von verschiedenen Artworks der Serie geziert. Um auch wirklich ein Blickfang für Sammler zu sein, ist auch der BD-Streifen und das FSK-Logo ablösbar: Ersteres ist mittels eines Papierstücks zusammen mit den technischen Informationen lose an der Box angebracht, letzteres lediglich auf der Einschweißfolie. Als Extra liegen zudem ein schönes Booklet mit Informationen zu den fünf Protagonistinnen sowie drei Postkarten bei. 2008 wurde von einem anderen Studio, nämlich Artland, eine zweite Staffel namens “Gunslinger Girl: Il Teatrino” produziert. Diese erschien ebenso wie die erste Staffel bereits in Deutschland und Hardball Films plant, auch diese im Juni 2022 auf Blu-ray und DVD neu aufzulegen.
Fazit
Gunslinger Girl ist eine sehr gute Serie, die ihre Stärken vor allem aus dem großen Charakterfokus, dem ruhigen Erzähltempo und der melancholischen Atmosphäre zieht. Durch die tragischen Umstände der Mädchen handelt es sich ohne Frage um schweren Kost, die dabei aber auch sehr zum Nachdenken anregt. Insbesondere die Tiefe der Charaktere und ihrer Beziehungen beeindruckt und als Zuschauer:in baut man zu nahezu allen unglaublich schnell eine Bindung auf. Gerade deswegen fühlt man dann umso mehr mit und häufig sorgt die Tragik schon einmal für einen Kloß im Hals. Dennoch erlaubt die Serie auch heitere, hoffnungsvolle Momente und die realistisch gehaltene Action weiß zu unterhalten. Für Fans von Serien mit einem vielseitigen Charakter-Cast und einem starken Psychological-Element ist die erste Staffel Gunslinger Girl damit Pflichtprogramm. Mit der schicken Gesamtausgabe stellt man sich auch direkt noch einen Blickfang ins Regal.
© Hardball Films
Veröffentlichung: 5. April 2022