Beyond the Boundary ‒ Kyokai no Kanata
Die ersten zehn Sekunden entscheiden darüber, ob das Gegenüber einem sympathisch ist. Dem anderen ein Schwert in die Brust zu rammen hilft dabei nicht gerade, doch genau das erlebt ein Junge, nachdem er ein Mädchen davon abhält, sich in den Tod zu stürzen. Tja, Anerkennung sieht anders aus! Allerdings verdient sich die Anime-Serie Beyond the Boundary – Kyokai no Kanata aus der Schmiede Kyoto Animation (Free!) so einen ungewöhnlichen Start. Basierend auf der gleichnamigen Light Novel erzählen die 12 Folgen und Zusatz-OVA, die hierzulande dank KAZÉ Anime auf Disc erhältlich sind, von unsterblichen Wesen, Geisterkriegern, einem Literaturclub und dem wohl größten Brillenfetischisten der Anime-Welt. Da rücken wir unser Nasenfahrrad doch gleich einmal etwas ordentlicher hin, um einen genauen Blick auf die Blu-ray-Ausgabe zu werfen.
Als Akihito Kanbara auf dem Weg nach Hause das Schulgelände verlassen möchte, sieht er auf dem Dach ein Mädchen mit großer roter Brille stehen. Da es für ihn so aussieht, als würde es gleich springen, rennt er dorthin und hält eine ermutigende Rede, die er damit beendet, dass er Brillen liebt. Zum Dank springt das Mädchen vor seine Füße und ersticht ihn mit einem Schwert, welches es aus Blut formte. Doch Akihito stirbt so leicht nicht. Er ist zur Hälfte ein Yomu, ein unsterbliches Wesen. Das Mädchen mit der Brille, das auf den Namen Mirai Kuriyama hört, lässt sich davon nicht abschrecken und lauert dem blonden Jungen immer wieder auf. Sie möchte dadurch ihre Ängste, die sie bei der Ausübung ihres Jobs als Yomu tötende Geisterjägerin hindern, austreiben. Allerdings lernen sich die beiden immer besser kennen, einschließlich ihrer dunklen Geheimnisse …
Von einer, die auszog, das Töten zu lernen
Originaltitel | Kyoukai no Kanata |
Jahr | 2013 |
Episoden | 13 |
Genre | Fantasy, Supernatural, Drama |
Regie | Taichi Ishidate |
Cast | Kyoto Animation |
Veröffentlichung: 27. Mai 2016 |
Tollpatschig, pleite und niedlich – mit diesen Worten lässt sich Mirai Kuriyama perfekt beschreiben. Doch trotz der gerne verrutschenden Brille hat die Kleine eine sehr effektive Fähigkeit, die sie bereits in den ersten zwei Folgen von Beyond the Boundary – Kyokai no Kanata unter Beweis stellt. Sie kann ihr eigenes Blut manipulieren und daher mit Klingen auf Yomu-Jagd gehen. Doch eine dunkle Erinnerung lässt sie immer wieder vor dem letzten Schlag zögern. Daher missbraucht sie den freundlichen Akihito als Sandsack zum Trainieren. Im Laufe der Geschichte wird Mirais dunkle, dramatische Vergangenheit aufgerollt. Daher steht ihre extreme Niedlichkeit, sowie ihr schüchternes Verhalten, sehr im Kontrast zu ihre Hintergrundgeschichte. Da passt es perfekt, dass Akihito nach ihrem ersten Treffen die Kleine nicht so einfach sich selbst überlässt. Und wenn es nur wieder etwas Geld für etwas zu Essen ist.
“Würdest du bitte diese Brille für mich aufsetzen?“
Mirai und Akihito geben ein sympathisches Gespann ab, das sich nach und nach einigen Gefahren stellen muss. Nicht nur geraten die beiden in die Machenschaften verschiedener Geisterjägergruppen, sondern auch in die auftauchenden Kräfte gewaltige Yomu. Mittendrin befindet sich dann noch Akihito, dessen nicht-menschliche Hälfte ein Eigenleben führt und für jeden eine Gefahr darstellt. Unser Held versteckt hinter seiner freundlichen Fassade eine traurige Seite, die nur allzu nachvollziehbar ist. Es bleibt daher spannend, welches Schicksal die beiden am Ende ihres gemeinsamen Abenteuers erwartet. Regisseur Taichi Ishidate (Violet Evergarden) schafft es dabei, einen perfekten Spagat zwischen dramatischen und lustigen Szenen zu schaffen. Nicht immer braucht es nämlich Waffengewalt, um ein übernatürliches Wesen zur Strecke zu bringen – Stichwort Tanzeinlage! – allerdings, wenn doch, dann heißt es zuschauen und genießen.
Die Mitglieder des Literaturclubs
Neben unserem Heldengespann bevölkern noch andere liebevoll ausgearbeitete Figuren die Welt von Beyond the Boundary – Kyokai no Kanata. So lernen wir etwa das Geschwisterpaar Mitsuki und Hiroomi Nase kennen. Was schnell klar wird ist, dass im Grunde alle Charaktere hier ihre Macken haben. So besitzt der charmante, schaltragende Hiroomi einen extremen Schwesternkomplex, die schöne Mitsuki ist sehr vorlaut und Akihitos Brillenfetisch kommt nicht nur einmal zum Tragen. Es fällt recht schwer, hierbei keine Sympathien aufzubauen, doch schwächelt der Titel etwas beim Ablauf der Handlung. Einige Informationen verstecken sich etwas und gerade die Fähigkeit des namensgebenden Yomus kann verwirrend sein. Trotz der schönen Optik sollten Zuschauende daher von Anfang an genau aufpassen. Die beiliegende Zusatz-OVA schließt übrigens eine erzählerische Lücke. Allerdings bleiben trotzdem noch Fragen am Ende offen. Der Fortsetzungsfilm Beyond the Boundary: I’ll Be Here – Future gibt dafür weitere Erklärungen.
Von blühenden Kirschbäumen und fallendem Schnee
Wie nicht anders zu erwarten, sind die Animationen von Kyoto Animation durchweg flüssig. Ausgearbeitete Hintergründe, ein ansprechendes Charakter-Design und effektvolle Kämpfe runden das Gesamtbild perfekt ab. Doch nicht nur fürs Auge bietet das Studio etwas. Masumi Itou (Noein: To Your Other Self) versorgt die Geschichte mit einer passenden Vertonung. Ihr Soundtrack wechselt geschickt zwischen den humorvollen Einlagen und den nervenaufreibenden, emotionalen Szenen, da sie auch auf verschiedene Stilrichtungen zurückgreift. Minori Chihara, die Mitsuki ihre Stimme leiht, singt das poppige Opening „Kyoukai no Kanata“, dass sie jedoch nicht aus der Masse hervorhebt. Anders sieht es da bei dem Ending „Daisy“ von der Gruppe STEREO DIVE FOUNDATION aus. Nicht nur ist es optisch wunderschön, sondern auch der Song lädt zum Verweilen ein.
“Wie unpassend“
Die deutsche Sprachfassung kann in den meisten Punkten überzeugen. Tim Kreuer (Wenli Yang in Legend of the Galactic Heroes: Die Neue These 2) spricht Akihito, dessen japanisches Gegenstück Multitalent KENN (Gieve in The Heroic Legend of Arslan) ist. Ähnlich verhält es sich bei Hiroomi, dem OLDCODEX-Vokalist Tatsuhisa Suzuki seine Stimme verleiht. Im Deutschen übernimmt dies Jesse Grimm (Fuyuto Kyougoku in Kabukicho Sherlock), während Mitsuki von Merete Brettschneider (Temari in Naruto) ihre Stimme bekommt. Worin sich die Geister scheiden, ist hingegen Mirai, die im Japanischen mit Risa Taneda (Erina Nakiri in Food Wars! – Shokugeki no Soma) eine wirklich hohe, niedlich klingende Stimme abbekam. Ihre deutsche Sprecherin ist hingegen Saskia Bellahn (Lily Hoshina in B: The Beginning), die tiefer klingt. An sich ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks, da jedoch kleinere Geräusche, wie schnauben, husten und aufschrecken, nicht neu vertont wurden, hören wir immer wieder den Unterschied.
Fazit
Beyond the Boundary – Kyokai no Kanata entführt in eine fantasievolle Welt, in der die Monster auch einmal mit ungewöhnlichen Fähigkeiten daherkommen. Schade ist nur, dass das Produktionsteam da noch mehr hätte herausholen können, genauso aus einigen Handlungsabläufen. Diese sind nicht immer ganz einfach zu verstehen, aber ansonsten überzeugt die Anime-Serie mit ihren liebevoll ausgearbeiteten Figuren und den wunderschönen optischen Schauwerten auf ganzer Linie. Gerade Akihito und Mirai bilden ein Gespann, dem gerne zugeschaut wird, da die Chemie zwischen ihnen stimmt und es sich angenehm darstellt, wie sich die beiden näher kommen. Dabei tragen unsere Helden ihre traurigen Päckchen, denen sie sich im Laufe ihrer Abenteuer stellen. Doch auch die anderen Figuren wachsen einem schnell ans Herz. Gerade wenn die Nase-Geschwister ihre Aufwartung machen, erwarten uns freche und spritzige Dialoge. Neben einer wohlklingenden musikalischen Begleitung – das Ending nochmals extra betont – runden die effektvollen Kämpfe die Anime-Serie ab. Schade nur, dass am Ende noch einige Fragen offen bleiben.
© KAZÉ Anime