Folge den Wolken nach Nord-Nordwest

Die kleine europäische Insel Island besticht durch ihr faszinierendes Naturschauspiel aus Feuer und Eis. Kein Wunder also, dass die japanische Autorin und Zeichnerin Aki Irie (Ran and the Gray World) ihre ungewöhnliche Detektivgeschichte Folge den Wolken nach Nord-Nordwest dort spielen lässt. Seit dem 2. Juli 2019 können wir uns dank Carlsen Manga ein Bild von dem interessanten Titel machen, in dem der noch junge Protagonist mit Autos spricht, von einem Schluck Alkohol in die Knie geht und auf der Suche nach einem vermissten Familienmitglied ist. Wir warnen vor, denn es könnte nach der Lektüre passieren, dass schneller ein Flugticket gebucht ist, als man schauen kann, denn die wunderschönen Zeichnungen wecken Lust, auf den Spuren dieser Geschichte zu wandeln.

     

Kei Miyami ist 17 Jahre alt, stammt aus dem fernen Japan und ist der wohl miserabelste Autofahrer der Welt. Und das, obwohl er die seltene Gabe hat, mit Autos kommunizieren zu können! Trotzdem schaffte er es, sich auf einer fast geraden Straße auf Island zu überschlagen und im grünen Straßengraben zu landen. Damit endet die Verfolgung seiner Zielperson sehr abrupt, was ihm gar nicht in den Kram passt, doch alles Meckern bringt nichts. Sein französischer Onkel Jacques holte ihm diesen Job an Land und Kei ist gewillt, diesen auch zu Ende bringen. Er verdient sich nämlich seinen kleinen Lebensunterhalt als erfolgreicher Detektiv. Doch als er nach einigen Aufträgen immer noch keinen Kontakt zu seinem kleinen Bruder Michitaka in Japan bekommt, bleibt dem gutaussehenden Ermittler keine Wahl, als in seine Heimat zu reisen. Jacques begleitet ihn natürlich, denn so besorgt wie Kei ist, kann er jede Hilfe gebrauchen, die er kriegen kann.

Fernweh nach den Weiten einer Insel

Originaltitel Hokuhokusei ni Kumo to Ike
Jahr 2016
Band 1 / ?
Genre Abenteuer, Mystery, Slice of Life
Autor Aki Irie
Verlag Carlsen Manga (2019)

Nachdem die Mangaka Aki Irie selbst die kleine Insel im Atlantik besuchte, war sie von der ungewöhnlichen Natur so sehr verzaubert, dass sie ihre nächste Geschichte unbedingt dort spielen lassen musste. Kein Wunder, denn jeden Besucher überrascht das Zusammenspiel von vulkanischen Gebieten und den gewaltigen Geysiren. Zum Glück wählte die Autorin nicht allzu viele kaum auszusprechende isländische Namen für ihre Handlung. Wir erinnern uns nur alle zu gut an den unaussprechbaren Vulkan Eyjafjallajökull, der jeden Nachrichtensprecher zur Verzweiflung brachte. Passenderweise verfolgen wir daher den jungen Japaner, der es sich in der Hauptstadt Reykjavik heimisch macht. Da er aber viel mit seinem alten Auto unterwegs ist, bekommen wir einen guten Einblick in die Flora und Fauna. Diese fängt die Autorin auch wunderbar in Szene ein, sodass man schon den Wind fühlen und das nervige Kreischen der Möwen hören kann. Alleine das Cover von Folge den Wolken nach Nord-Nordwest weckt Lust, die Koffer zu packen, denn die sanften Pastellfarben prägen das entspannte Motiv, welches zum Verweilen einlädt.

Wie sehr vertraust du deiner eigenen Familie?

Zu Beginn des Bandes erledigt Kei ein paar einfache ruhigere Jobs, die dem Leser gemächlich erklären, was für ein Mensch er ist. Dabei wird schnell klar, dass er hartnäckig, schlau (mit einer großen Portion Frechheit gepaart) ist. Einige spannende Fragen häufen sich jedoch, desto mehr wir von ihm erfahren. Denn warum zum Beispiel wählt der Junge viel lieber das Alleinsein und die Ruhe auf den isländischen Straßen? Was brachte ihn dazu, die Schule abzubrechen und vor allem, wie viel Vertrauen kann er einem Blutsverwandten entgegenbringen? Die Suche nach dem sanft aussehenden Michitaka verläuft schon in diesem Band erfolgreich. Jedoch ergeben sich dann eine Menge Fragen, deren Antworten nicht immer der Wahrheit entsprechen. Ein Polizist aus Japan wirft einige ernste Fragen auf, des Weiteren scheint eine neue Bekannte von Kei, die schöne, elfenhafte Musikerin Lilja, in den Worten seines Bruders falsche Klänge wahrzunehmen. Ist also doch etwas dran dass der kleine Bruder etwas mit dem Tod des japanischen Onkels und dessen Frau zu tun hat? Es bleibt daher spannend, welche dunklen Geheimnisse unser Protagonist an die Oberfläche trägt und bereit er, ist danach zu buddeln. Der kleine Spritzer Fantasy, der der Krimigeschichte beiliegt, gibt dem sich entfaltenden Familiendrama eine ganz besondere Note. Zum Lachen bringt Keis Autoflüsterei den einen oder anderen bestimmt, denn welches Fahrzeug konnte schon einmal seinen Insassen anmeckern, weil es zu lange nicht geputzt wurde? Unglücklicherweise wirkt die Handlung insgesamt betrachtet etwas unrund. Nach einer spannenden Suche widmet sich Kei plötzlich seinem alten klapprigen Vehikel, um dann im nächsten Kapitel von einem Polizisten aus Japan angegriffen zu werden, weil es dieser nach Michitaka sucht.

Lust ein wenig Isländisch zu lernen?

Calsen Manga lässt Folge den Wolken nach Nord-Nordwest unter anderem neben dem Manga-Bereich auch in der Graphic Novel-Sparte laufen. Damit findet sich der Titel zum Beispiel neben der Perfect Edition von Naoki Urasawa (20th Century Boys) berühmten Werk Monster wieder. Ein Grund dafür könnte sein, dass Aki Iries Manga sich auch an Leser wendet, die nichts bis wenig mit dem Land der aufgehenden Sonne zu tun haben. Schließlich spielt die Handlung in erster Linie auf europäischen Gebiet, von dem wir sogar einen tieferen Einblick erhaschen. So stehen nicht nur auf dem Cover Wörter in der fremden Sprache, sondern auch auf dem Rückcover, wo wir einige Gegenstände mit ihren isländischen Begriffen erklärt bekommen. Da steht einer Reise auf ehemaligen Winkingerboden ja nach einigen Bänden nichts mehr im Weg! Mit zwölf Euro erscheint der Band nicht gerade billig, doch mit 244 Seiten ist er auch nicht so dünn wie normale Mangabände. Das größere Format, Farbseiten wie der Prägedruck runden das hochwertige Design ab, wodurch auch klar wird, wie sich der Preis zusammensetzt.

Erster Eindruck

Selten sprach mich der Schauplatz einer Geschichte so sehr an, dass ich unbedingt zuschlagen musste, wie bei diesem hier. Island gehört zu den Ländern, die ich in meinem Leben unbedingt noch bereisen möchte. Mit Folge den Wolken nach Nord-Nordwest bekam ich auf jeden Fall jetzt noch mehr Lust darauf. Denn die wunderschönen Landschaftsaufnahmen, die die Abgeschiedenheit auf den dortigen Straßen vermitteln, ziehen mich schon magisch an. Aki Iries sanfte Zeichnungen passen daher perfekt für mich zu dieser eher charakterbezogenen Handlung, denn auch ihre Figuren gestaltete sie ansprechend. Der Tropfen Fantasie, der hier die Geschichte durchzieht, fügt sich elegant hinzu, ohne zu sehr aufzusetzen. Immerhin ist Keis ungewöhnliche Gabe in meinen Augen sehr amüsant, denn wenn er sich mit seinem Auto streitet oder ihm verspricht, es bald zu putzen, ist das nicht gerade alltäglich. Nebenbei entfaltet sich ein interessantes Konstrukt aus Lügen und Wahrheiten. Ich möchte unbedingt wissen, was es mit Michitakas eigenartigen Verhalten auf sich hat. Vor allem aber wie der sympathische Kei reagieren wird, wenn er Licht ins Dunkle bringt. Hoffentlich befasst sich die Autorin im nächsten Band nur etwas kompakter damit, denn das neunte Kapitel wirkte etwas befremdlich nach dem eher ruhigeren Abschnitt davor. Hier fehlte mir ein definitiv ein besserer Übergang der Handlungsbögen.

© Carlsen Manga

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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Iruka
Iruka
3. Mai 2020 20:54

Die Sache mit dem Fernweh kann ich mehr als nachvollziehen. Bei den interessanten Fakten rund um Island und vor allem der schönen Natur will ich sofort losfliegen. Nach einer langen Tour dürfte dann auch ein Abstecher in der Blauen Lagune aber nicht fehlen. Wobei ich wahrscheinlich nur schwer wieder aus dem Wasser kommen würde. 🙂
Die Story im ersten Teil war ok, etwas besser gefiel mir die im zweiten Manga.
Es ist schon unterhaltsam Kei und seinen Freund auf ihrer Tour zu begleiten.
Von den Gesprächen mit dem Auto ganz zu schweigen.
Ich hoffe, dass bald der nächste Band erscheint, denn ich würde gerne mehr von Island sehen.