Descender (Band 1)

Jeff Lemire hat sich über die Jahre zu einem der Top-Autoren in der Comicwelt gemausert. Egal, welches Genre er bedient, er verleiht jeder Geschichte ihren ganz eigenen Spin. Im Jahr 2015 startete mit Descender seine Version einer Sci-Fi-Serie. Gemeinsam mit dem Zeichner Dustin Nguyen startete die Reise in eine Galaxie, in der ein kleiner Roboter namens TIM-21 seinen Platz finden muss. Dabei kommen auch Fragen nach “echtem” Leben, Familie und Schicksal auf. Nguyen haucht dieser Welt mit seinen unvergleichlichem Wasserfarben Leben ein. Der deutsche Verlag Splitter hat auch nicht lange gefackelt und brachte den ersten Band schon im Dezember 2015 auch für deutsche Leser in die Bücherregale. Mit dem ersten Band “Sterne aus Blech” beginnt eine Reise quer durch den Weltraum, in dem Verschwörungen, Betrug, Verrat und weltenzerstörende Roboter sich die Hand geben. Am Ende ist es vielleicht doch nur die Geschichte eines kleinen Roboters, der seine Familie suchen will.

 

Zehn Jahre vor der eigentlichen Geschichte erscheinen neun riesige Roboter über Planeten des Vereinten Galaktischen Rates und legen diese in Schutt und Asche. Von der Angst angetrieben, dass die Harvester genannten Zerstörer wieder zurückkommen, wird ein generelles Verbot für alle Roboter ausgesprochen. Als eine Art Ventil für die Angst und den Hass werden Roboter gejagt und zerstört. In der Gegenwart finden Wissenschaftler etwas in dem Code eines Roboters, das sämtliches Wissen auf den Kopf stellt. Im Code der TIM-Serie finden sich die gleichen Sequenzen wie in dem der Harvester. Verblüfft darüber, dass die als Kindergefährten gedachten TIMs eine Gemeinsamkeit mit den Weltenzerstörern haben soll, wird Captain Telsa mit den Untersuchungen beauftragt. Jin Quon, Erfinder der TIMs, ist ihr erstes Ziel und er soll ihr helfen, einen TIM zu finden und das Geheimnis hinter den Harvestern zu lösen. Fast zeitgleich wacht nach zehn Jahren TIM-21 auf und muss erkennen, dass sein ganzes Leben in Trümmern liegt …

Ein Roboter. Eine Familie. Ein Traum

Originaltitel Descender, Vol. 1: Tin Stars
Jahr 2015
Land USA
Genre Mystery, Science-Fiction
Autor Jeff Lemire
Zeichner Dustin Nguyen
Verlag Splitter Verlag

Mit diesem Start wird der Leser in eine Geschichte geworfen, die ihresgleichen sucht. Der Start mit den welternzerstörenden Harvestern wird vorerst in den Hintergrund gerückt, während der Leser Schritt für Schritt die Vergangenheit von TIM-21 erfährt. Das wird geschickt mit TIM-21-Erforschung der Mine zu tun, auf der er gelebt hat. Sehr großer Wert wird darauf gelegt, klar zu machen, dass TIM-21 ein Teil der Familie Tavers geworden ist. Andy (der Junge dem er zugeteilt wurde), ist wirklich sein Bruder geworden und Ms. Tavers ist ebenfalls seine Mutter geworden. Sein Verlangen ist deshalb auch groß, herauszufinden, was mit den beiden nach zehn Jahren passiert ist. Viel Zeit hat er leider nicht. Zwar funktioniert sein Roboter-Hund Bandit noch, doch eine Gruppe Plünderer greift die Minenstadt an. Während TIM-21 sich anfangs wehren kann, wird er später schwer beschädigt und fällt in etwas, das man bei Menschen wohl als Koma beschreiben wird. In einem Traum, den er während seiner schweren Beschädigung hat, sieht er all die zerstörten und weggeworfenen Roboter. Soll das eine Anspielung auf das Buch Träumen Androiden von elektrischen Schafen? von Philip K. Dick sein? Vielleicht. Die Frage danach, was den das Menschsein ausmacht, ist in beiden Werken zentral.

Die Wahrheit des Dr. Quon

Die Zusammenführung der beiden Handlungsstränge von Captain Telsa und TIM-21 ist vorauszuahnen. Vor allem nach dem Totalschaden von TIM ist es fast klar, dass ihm nur sein Erbauer Dr. Quon noch helfen kann. Nachdem er wieder erwacht, erklärt Captain Telsa, weshalb TIM-21 so wichtig ist und verspricht ihm dabei zu helfen, seinen Bruder Andy zu finden, wenn TIM im Gegenzug ihnen hilft. Es zeigt sich leider schnell, dass Telsas Absichten ganz andere sind. Sie will einer „einfachen“ Maschine nicht glauben, in der Lage zu sein, echte Gefühle zu empfinden. Auch seinen Traum tut sie als reinen Fehler in der Programmierung ab. Dr. Quon ist aber anderer Ansicht und das hat auch einen Grund, der sich erst etwas später offenbart. Das Schiff von Telsa wird nämlich überfallen und alle Insassen zum Planeten Gnish gebracht. Unter Folter – vor Dustin Nguyen kann für die Darstellung jener nur mehr den Hut ziehen – gesteht Dr. Quon dort die Wahrheit. Seine TIM-Serie basiert auf dem Fund eines Millionen Jahren Roboters und der Tatsache, dass er seinen Professor Dr. Solomon verraten und alle Lorbeeren für sich eingeheimst hat.

Der Aufstand der Roboter

Natürlich kommt das, was sich schon den gesamten ersten Band über angedeutet hat. Die Roboter starten einen Aufstand und sehen die Menschen als Verursacher eines Genozid an ihrer „Rasse“. Kleinigkeiten, die über den gesamten ersten Band verteilt sind, deuten darauf hin. Ebenso spielt Lemire immer wieder damit, ob die Geschichte jetzt persönlich bleibt und gibt Stück für Stück neue Hintergrundinfos über die wichtigsten Charaktere frei. Dr. Quons Vergangenheit verbindet dabei den persönlichen Aspekt mit dem großen Geheimnis der Harvester. Dabei bleibt (zumindest vorerst) alles eher ominös. Es gibt Andeutungen, aber keine Beweise. Fragen bestehen am Ende dann viele und das letzte Panel des Bandes ist ein ganz geschickt gewählter Cliffhanger, der einfach zum Weiterlesen motiviert.

Erster Eindruck

Wo Jeff Lemire draufsteht, ist ausgezeichnete Comicunterhaltung eigentlich schon garantiert. Das Multitalent hat mittlerweile im deutschsprachigen Raum beim Splitter-Verlag seine Heimat gefunden und begonnen hat das alles mit Descender. Die Autoren hatten schon kurz nach Erscheinen das Angebot für eine Film-Adaption auf dem Tisch liegen und wenn man Lemire kennt, weiß man wieso. Die Frage, wie gut ein möglicher Film im Vergleich zum Comic dann aussieht, ist eine andere, denn mit Dustin Nguyen arbeitet ein wahrer Künstler an den Zeichnungen. Die Entscheidung Wasserfarben zu benutzen, lässt manchmal ein Gefühl aufkommen, das eher an Fantasy erinnert. Aber Nguyen ist ein Meister seines Fach und wählt für alle Szenen die perfekte Farbpalette, um auch die Leser in die richtige Stimmung zu bringen. Mit Lemires Geschichte, die in Band 1 einen sehr guten Apettitanreger für hungrige Comicfans darstellt, entsteht ein Werk, das es in dieser Art noch nicht gegeben hat. Jedem, der auf gute Science-Fiction-Stories steht und vielleicht auch einmal Lust hat, Comics eine Chance zu geben, kann ich die Serie guten Gewissens empfehlen. Auch, weil sie mit sechs Bänden mittlerweile abgeschlossen und damit nicht zu lange ist. Tolle Geschichte und Zeichnungen verschmelzen zu einer der besten Serien der letzten Jahre, so viel ist sicher.

© Splitter Verlag

Hero Kage

Hero Kage ist Test Engineer für einen der weltweit größten Chiphersteller und sorgt unter anderem dafür, dass die Elektronik in Autos richtig funktioniert. In seiner Freizeit erholt er sich mit jedem Medium, das eine Geschichte bieten kann, die ihm gefällt. Dabei unterscheidet er nicht zwischen einzelnen Medien. Es geht ihm nur darum, besonders gut unterhalten zu werden. Zudem ist er auch noch passionierter Brett- & Kartenspieler und immer für ein neues Spiel zu begeistern.

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