Deep Beyond
Im Jahr 1999 schlich die Angst umher, dass mit der Jahrtausendwende alle Computersysteme womöglich gleichzeitig die virtuellen Arme in die Luft werfen und die neue Zeit mit einem Kurzschlussfeuerwerk beginnen. Der Umstand, dass diese Zeilen geschrieben werden können, liefert den berechtigten Verdacht, dass die weltweiten Schaltkreismonster vor 22 Jahren nicht in technologische Raserei verfallen sind. Das hält Autorin Mirka Andolfo und Zeichner Andrea Broccardo aber nicht davon ab, mit einem gemurmelten ‘Was wäre wenn…’ die Welt in den Post-Milleniums-Apokalypsen-Abgrund zu schubsen. Der Splitter Verlag nickt wohlwollend und bringt den technischen Doomsday aus den USA zu uns. Band 1 erschien bereits im Dezember 2021, der Rest der Reihe folgt im Laufe von 2022. Grund genug mit leicht misstrauisch und gleichzeitig beschwichtigenden Blick zum heimischen PC einmal in den Sci-Fi-Thriller Deep Beyond abzutauchen und dabei erstaunt festzustellen, dass die Millenium-Apokalypse weitaus glibbriger und tentakeliger abläuft, als man wohl gedacht hätte.
Die Welt im Jahr 2085 sah schon einmal besser aus, da die Menschheit nicht mit einem sondern gleich zwei ziemlich gnadenlosen Viren zu tun hatte. Der erste, der sogenannte ‘Millenium Bug’ war der Zusammenbruch der Computersysteme im Jahr 1999 bzw. 2000. Dank der Jahrtausendwende kam es zum technologischen Kollaps, was zu einer elendigen Zeit voller Tod und Verwüstung führte, aber, wie man das Schicksal eben kennt, nur um sicher zu gehen, war das nicht alles. Denn mit dem Millenium Bug verbreitete sich eine Art Verseuchung über die ganze Welt, die aus Menschen innerhalb kurzer Zeit ohne massive Schutzmaßnahmen einen unansehnlichen Pilzauflauf macht. Ganz davon abgesehen, dass die heimische Flora und Fauna einige deutlich monströse und sehr tentakelige Züge annimmt. 85 Jahre nach dem Gedenktag, wie der desaströse Ausgangspunkt genannt wird, hat sich die Menschheit zwar in technologisch durchaus eindrucksvollen Kolonien zusammen gefunden, aber es ist ein anstrengendes und meist ziemlich kurzes Leben, insbesondere wenn man mal vergisst, das Fenster zuzumachen. Zu allem Überfluss kommen terroristische Aktionen hinzu und als Pusteln bedeckte Kirsche auf der Glibbertorte obendrauf verschwindet eine Wissenschaftlerin samt Team bei der Untersuchung einer neuen Anomalie. Rosige Zukunftsaussichten.
Los! Los! Los!
Originaltitel | Deep Beyond |
Jahr | 2021 |
Ursprungsland | USA |
Band | 1 / 3 |
Genre | Science-Fiction, Horror, Thriller |
Autorin | Mirka Andolfo |
Zeichner | Andrea Broccardo |
Verlag | Splitter |
Veröffentlichung: 21. Dezember 2021 |
Von Seite eins des knapp 110-seitigen mit Horror getönten Thrillers heißt die Divise: Volle Fahrt voraus! Wer verdutzt stehen bleibt und sich fragt wohin, explodiert mit dem Zug, von dem man offensichtlich schon längst hätte abspringen müssen. Gerade der unvermittelte Beginn, der die letzten seuchig-pusteligen Momente einer Forscherin zeigt, nur um zu einer High-Society-Party mit dem Tod als Überraschungsgast zu springen, nur um erneut mehrfach die Szenerie zu wechseln, macht es schwer, erzählerischen Boden unter die Füße zu bekommen. Die Details über die Welt, die die Inhaltsangabe vermittelt, sind nicht in einem kurzen Expositionsschwall erklärt, sondern überall verteilt. Dieses leichte Mystery-Element zu Beginn könnte theoretisch zur Spannung beitragen, wenn man Gelegenheit bekäme, mit einem Charakter kurz durchzuatmen. Aber der stete Perspektivenwechsel und der Umstand, dass man leicht misstrauisch auf die nächste eingeführte Figur schaut, da man sich nicht sicher ist, ob sie ebenfalls gleich unrühmlich zu Pilzbrei verarbeitet wird, lassen den Einstieg holpriger und verwirrender wirken als nötig.
Funktionsfiguren
Das zügige Erzähltempo, das einen an eine stark gestresste Fremdenführerin erinnert, die einen in unter zehn Minuten versucht, alle Schauplätze um die Ohren zu hauen, um fertig zu werden, ist erwartungsgemäß auch kein Segen für die Figuren. Zwar findet sich in Paul Bailey, einem fahrigen Wissenschaftler mit verständlich erhöhtem Selbsterhaltungsinstinkt, eine grobe Hauptfigur für den Moment, die schnell in einen Strudel von Ereignissen katapultiert wird, in der er auf einige Untergrundkämpfer trifft, aber alle Charaktere lassen sich meist auf ihre Funktion reduzieren. Was auch gerade dadurch bekräftigt wird, dass eine faktische Vorstellungsrunde mit Hinweis auf ihre Eigenheiten das einzige ist, was manche der potentiellen Monsterhappen als Charakterisierung für den ersten Band bekommen. Immerhin gehen sie nicht direkt den Weg alles pilzigen, auch wenn sie schon zügig dezimiert werden.
Vrooooooom
Denn Bedrohungen lassen nie lange auf sich warten. Hier ein kurzer Eindruck, wie man es sich vorstellen kann: ‘Entführung!’ ‘Vorstellungsrunde!’ ‘Essen!’ ‘U-Boot-Station!’ BUUUUUUUM *Explosion!’ ‘Tragischer Tod!’ ‘Traurig!’ ‘Abtauchen!’ ‘Tiefseemonster!’. Wer übrigens mit gerunzelter Stirn und gerümpfter Nase auf den ausgeschriebenen Soundeffekt im vorherigen Satz schielt, sollte darauf gefasst sein, dass Deep Beyond ein ganzes Tonstudio im Gepäck hat. Es ‘Vrooom’t ‘Rooaaar’t ziemlich häufig auf den Panels; mitunter im exorbitanten Maße. Was durchaus schade ist, denn die Zeichnungen und der generele Stil können sich sehen lassen. Detailliert und mit angenehm kräftigen Farben wird die düstere Sci-Fi-Hatz zum unheiligen Leben erweckt und ein besonderer Tentakelzeig gilt dabei den jeweiligen Kapitel-Covern, die besonders cool-schöne Motive aufweisen.
Fazit
Der erste Band von Deep Beyond macht es nicht leicht, sich auf die potentiell interessante Welt einzulassen. Es lässt einen kaum Luft holen, poltert durch die Plot-Punkte als würde irgendwo eine Stoppuhr hinunterticken und gibt einem den Eindruck, als wolle man schlicht zu einem bestimmten Punkt der Geschichte kommen, was das Ende durchaus vermuten lässt. Möglicherweise beruhigt sich von hieran der Ablauf etwas, aber ich bezweifle es. Wie gesagt, macht es das Tempo schwierig, sich einzufinden und gibt gleichfalls auch den Charakteren keine Zeit dasselbige zu tun. Etwaige emotionalere Momente fallen komplett flach und auch wenn der generelle Stil durchaus etwas für sich hat, muss ich sagen, hat mich der Tauchgang passenderweise kalt gelassen. Potenzial für Besserung ist aber definitiv vorhanden und wer unbedingt ein paar Sci-Fi-Thrills möchte, könnte schlimmer daneben greifen. Aber das trifft nun einmal auf vieles andere zu. Auf jeden Fall aber bei alldem bedenken: Wer reinliest, dem Computer am besten die virtuellen Augen verbinden, nicht, dass er auf dumme Ideen kommt.
© Splitter Verlag
Veröffentlichung: 21. Dezember 2021