Batman und X-Men: Wie 1992 zwei Zeichentrickserien Comic-Adaptionen revolutionierten
1992 war ein gutes Jahr für Zeichentrickserien aus den USA, insbesondere für junge Comic-Fans. Nicht nur eine, sondern gleich zwei ikonische Superheldenserien gaben in diesem Jahr ihr Debüt. Batman (Original: Batman: The Animated Series), aus dem das hoch angesehene DC Animated Universe hervorgehen sollte, und X-Men (Original: X-Men: The Animated Series), das uns einen der eingängigsten Titelsongs aller Zeiten bescherte, feierten innerhalb von zwei Monaten auf demselben Sender Premiere. Trotz ihrer Ähnlichkeiten verfolgten die beiden Serien drastisch unterschiedliche Ansätze für ihre Erzählung. Es mag unfair erscheinen, beiden Serien miteinander zu vergleichen. Sie basieren auf Comic-Lizenzen aus ganz unterschiedlichen Comic-Verlagen und haben unterschiedliche Themen im Fokus. Und dennoch werden sie aufgrund ihres Alters häufig Seite an Seite aufgeführt.
Batman: Stilvolle Neuinterpretation
Batman hat die Grenzen westlicher Animation in Sachen Writing, Musk und Animation verschoben. Die 1992er Adaption liefert die ikonischste Darstellung des Dark Knight und prägte das Bild, das viele von uns heute von Batman haben. Die Serie stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass Zeichentrickserien mehr können, als nur den Absatz von Spielzeug für Kinder anzukurbeln, wie das etwa He-Man – Im Tal der Macht ein Jahrzehnt zuvor noch tat. Man muss Batman zugutehalten, dass das Skript immer Wert darauf gelegt hat, die etablierte Comic-Kontinuität zu missachten und sie auf neue, oftmals sogar bessere Weise neu zu schreiben. Wir sprechen hierbei von einer Interpretation.
Neo-Noir mit Auswirkungen
Die Folge “Herz aus Eis”, die Mr. Freezes Ursprungsgeschichte wie seine sterbende Frau Nora umschrieb, war so beliebt, dass die Comics sie übernahmen und in fast jeder folgenden Kontinuität zur etablierten Version der Figur machten. Harley Quinn wurde in einer frühen Episode als Wegwerffigur eingeführt, bevor sie zu einer der beliebtesten weiblichen Charaktere von DC wurde. Obwohl Batman Charaktere und Anspielungen auf den Comic-Kanon enthalten sollte, wurde die Serie überarbeitet, um sie besser an die Neo-Noir-Welt anzupassen, die Bruce Timm und Paul Dini etabliert hatten, was den Machern eine fast beispiellose Freiheit gab, den Caped Crusader neu zu erfinden.
X-Men: Langangelegte Plotlines
X-Men war seinem DC-Konkurrenten insofern überlegen, dass ein bahnbrechender Ansatz für Storytelling über mehrere Episoden und Staffeln hinweg verfolgt wurde. Auch wenn das nicht immer glatt lief, einige ikonische Handlungsstränge der Comic-Vorlage adäquat zu adaptieren. Die ursprünglichen Episoden stammen direkt aus dem umfangreichen Comic-Katalog der X-Men und bieten überraschend originalgetreue Adaptionen von Handlungssträngen wie “The Dark Phoenix Saga”, “Age of Apocalypse” und “Days of Future Past”. Dies war das erste Mal, dass viele dieser Handlungsstränge – die die Grundlage für mehrere Filme bilden sollten, als Superheldenfilme inden 2000ern in Mode kamen – für das Publikum adaptiert wurden. Aber es markierte auch einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie amerikanische Zeichentrickserien geschrieben wurden.
Wenn Figuren wissen, was in der Folge zuvor noch los war
Vor X-Men gab es ein ungeschriebenes Gesetz in der Animation, dass Charaktere vor dem Ende der Episode zum Status quo zurückkehren müssen. Keine Entwicklung, keine Erinnerung an Vergangenes. Geschichten mit mehreren Episoden waren selten und diese Art von staffellangen Handlungsbögen waren in der Animationsbranche neu. Dies war ein Geschichtenerzählen, das davon ausging, dass Kinder eine Aufmerksamkeitsspanne von mehr als 22 Minuten hatten. Dieser Versuch, eine lange Geschichte zu erzählen, wurde im X-Men ’97-Revival auf Disney+ 2024 fortgesetzt. Die ersten beiden Episoden etablieren einen anhaltenden Kampf, um Mutanten in der Öffentlichkeit zu legitimieren und um Magnetos Vermächtnis fortzusetzen, indem er die X-Men anführt. Auch hier handelt es sich um eine Geschichte, die aus Uncanny X-Men #200 stammt, während die Nebenhandlung von Storm, die ihre Kräfte verliert, in Uncanny X-Men #185 begann, bevor sie sich in den nächsten drei Jahren durch die Serie zog. Obwohl beide Geschichten angepasst wurden, um in die etablierte Kontinuität zu passen, ähneln sie ihren Comic-Vorlagen genug, um sofort richtig zugeordnet werden zu können.
Batman gilt als ikonischere Serie
Batman wird im direkten Vergleich in vielen Medien als die überlegene Serie angesehen, aber das liegt nicht an seiner besonderen Herangehensweise an die Kontinuität. Ein heutiges Publikum, das längere Plots und staffelübergreifende Handlungsstränge gewöhnt ist, würde sich mit dieser Serie schwerer tun. Einmal davon abgesehen, dass jede Episode schön anzusehen und wunderbar animiert ist. X-Men sorgte trotz seiner Mängel in Animation und Musik wohl für eine ambitioniertere Erzählung und gab Kindern zum ersten Mal eine Einführung in die sperrige und oft widersprüchliche Welt der Comicgeschichten. Ein weiterer Grund, warum Batman im kollektiven Gedächtnis besser abschneidet: Es handelt sich um DIE DC-Serie der 1990er. Marvel Animation dagegen hatte gleich mehrere Pfeile im Köcher: Spider-Man, Fantastic Four, Iron Man, Silver Surfer. Hier verteilten sich die Geschmäcker auf mehrere Titel.
X-Men ist der heutige Standard
Keiner der beiden Ansätze ist falsch und es gibt in dieser Welt Platz für beide Arten der Adaption. Die Tatsache, dass sich zwei Serien aus demselben Jahr, die obendrein auch noch auf demselben Sender liefen, hinsichtlich ihrer Philosophie so stark unterscheiden und dennoch zu Ikonen der Animation geworden sind, ist an sich schon bemerkenswert. Der Unterschied ist, dass die Erzählweise von X-Men mittlerweile dem Standard entspricht und aus heutiger Sicht auch vom Publikum erwartet wird: Großangelegte Plots und originalgetreuere Adaptionen von Comics sind zur Norm für die meisten Zeichentrickserien geworden. Es bleibt abzuwarten, ob Batman: Caped Crusader, der spirituelle Nachfolger von Bruce Thimm, mit seinem ikonischen Stil nachziehen kann.