Star Trek: Picard (Folge 2×07)
Baustellen allerorten! Sollte nicht eigentlich Renée Picard ins All fliegen? Aber nein, Jean-Luc Picard kämpft sich durch seine Vergangenheit, Tallinn wandert durch Picards Seelenleben, die Borg-Königin macht sich auf, L.A. zu erobern und dann funkt auch noch das FBI dazwischen. Star Trek: Picard Staffel 2 hat in Folge 7 eine Menge Bälle in der Luft zu halten und es kommen immer mehr dazu. Das macht die Folge abwechslungreich, aber nicht zielgerichtet.
Inhaltsangabe
Picard liegt im Koma und Dr. Ramirez ist ratlos. Schließlich ist er doch nur angefahren worden und sollte jetzt eigentlich aus der Bewusstlosigkeit erwachen. Offenbar geschieht etwas in seiner Seele, das ihn in der Bewusstlosigkeit festhält. Wie gut, dass Tallinn einen neuro-optischen Interzeptor dabei hat! Damit kann sie nämlich in Picards Bewusstsein eintauchen und nach dem Rechten sehen. Picard steckt in einem mehrfach verschachtelten Traum, in dem er mit seiner Mutter durch dunkle Gänge hastet und von einem Monster verfolgt wird. Hat das Monster die Mutter entführt? Oder die Mutter den kleinen Jean-Luc? Tallinn spricht mit dem Jungen, hat einen Schlagabtausch mit dunklen Gestalten und am Ende stellt sich heraus, dass Jean-Lucs Schuldgefühle und Hass auf den Vater, das Monster, dadurch entstanden sind, dass niemand dem Kind erklären konnte, dass die Mutter manisch-depressiv war, sich und ihren Sohn in Gefahr brachte und sich gegen Hilfe von Ehemann und Ärzten vehement wehrte. Picard erwacht aus den Traum und schlussfolgert, dass es Teil von Qs Plan sein muss, ihn diese Kindheitstraumata noch einmal durchleben zu lassen. Er beschließt, Guinan aufzusuchen, damit sie Q herbeiruft. Raffi und Seven stellen fest, dass die Agnes/die Borg-Königin auf die Kontrollfunktionen des Schiffes zugegriffen hat und machen sich auf die Suche nach Agnes, die im roten Abendkleid ziellos durch die Stadt streift. Derweil ist Teresa Ramirez bei all den merkwürdigen Vorgängen in ihrer kleinen Klinik immer misstrauischer geworden. Rios entschließt sich, ihr und dem kleinen Ricardo die Wahrheit zu sagen und beamt sie an Bord der La Sirena. Das Staunen ist groß. Guinan erklärt Picard, dass es nicht nur einen Q gibt, sondern eine ganze Spezies, die eine besondere Beziehung zu den El-Aurelianern hat. Durch ein el-aurelianisches Ritual kann sie einen Q herbeirufen. Doch das Ritual schlägt fehl. Der Mann, der die Bar betritt und versucht, ein Gespräch über Science-Fiction in Gang zu bringen, ist jedenfalls ein FBI-Agent, der Guinan und Picard festnimmt.
Die Puppe in der Puppe in der Puppe
Picard ist also wie er ist, weil seine Mutter manisch-depressiv war und ein Kind das nicht verstehen kann. Daher sein Drang zu den Sternen, zum Guten und seine Beziehungsscheu. So weit, so platt. Aber sehr schön rätselhaft-verschachtelt aufgebaut. Schon Staffel 1 hatte einen ähnlichen Moment, wo die Androidin Soji erkennt, dass sie kein Mensch ist, sondern eben ein Android. Eine Erkenntnis, die man in einen knappen Satz fassen kann, die aber in einer sehenswerten Traumsequenz aus Erinnerungssplittern daherkam. Picards Koma-Traum beginnt in einem Raumschiff, wo Picard, immer noch im Abendanzug von Renées Gala, einem Psychologen der Sternenflotte gegenübersitzt, dem er nur sehr ungern Auskunft gibt, bis der Psychologe ihm vorschlägt, doch eine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte von einer Königin und ihrem kleinen Prinzen, die Picard erzählt, wird zur Geschichte, die Yvette Picard dem kleinen Jean-Luc vor den mit Märchenfiguren bemalten Scheiben des Wintergartens von Chateau Picard erzählt. Bis das Monster auf der Scheibe real wird und Mutter und Sohn in die labyrinthischen Keller des Schlosses hetzt. Und der Psychologe, der Picard so bedrängt, seine seelischen Schwachpunkte einzugestehen, stellt sich als Picards Vater heraus, der auch das Monster ist, das die Mutter in die Dunkelheit verschleppt. Oder ist die Mama das Monster? Und der Papa hat den Kleinen aus dem dunklen Keller gerettet? Und steckt der kleine Jean-Luc im Keller fest, weil sein Fuß in morschem Holz steckt oder weil er dort bleiben will, bis Mama wiederkommt? Tallinn, die durch diese seelischen Katakomben spaziert, hat durchaus das Gefühl, dass da noch mehr Geheimnisse stecken. Die routiniert rätselhaft-mehrdeutig gestaltete Inszenierung macht diese Sequenz zum Glanzstück dieser Folge. Auch, wenn sie leider von allen anderen Geschehnissen ablenkt.
Und was ist noch los?
Bei Renée etwa? Nichts, was nicht in einen beruhigenden Halbsatz passt. Oder bei Kore Soong? Die eine Folge zuvor entdeckt hat, dass sie wohl aus Papas genetischen Experimenten entstanden ist? Nicht einmal ein beiläufiges Sätzchen. Rios und Teresa? Sorgen für ein bisschen Komödie, wenn Rios sein Raumschiff vorführt, irgendwo muss bei so viel Seelenpein ja auch Spaß und Staunen bleiben. Raffi und Seven? Entschlüsseln das rätselhafte Geschehen um Agnes in Windeseile und liefern sich flotte Dialoge mit allerlei selbstreferenziellen Gags. Agnes Jurati und die Borg-Königin? Nach der intelligent angelegten Überraschungswendung in Folge 6 kommt nichts, was das noch toppt. Okay, wenn Agnes aufregend-beglückende Dinge erlebt, wird die Borg-Königin stärker und kann demnächst wohl ganz L.A. assimilieren. Klar soweit. Und Darstellerin Alison Pill gibt sich alle Mühe, gefährlich, sexy und zu allem bereit auszusehen. Aber das Einschlagen einer Scheibe als nächstes Level von “Lebe wild und gefährlich”? Naja. Guinan? Immerhin, dieser Strang liefert gleich zwei Knaller zum Schluss der Episode, deren ganze Tragweite wohl erst später zu ermessen sein wird. Ein tipptopp gebauter Cliffhanger.
Fazit
Fazit 1: Die Reise in Picards Neurosen ist zwar hübsch gebaut, aber eigentlich wollte ich gar nichts über Mamas bipolare Störung erfahren, wenn es die Zukunft zu retten gilt. Auch, wenn das irgendwie mit Qs obskurem Plan zu tun hat. Fazit 2: Früher einmal fand ich selbstreferrenzielle Scherze im Stil von “Na, wir sind doch der Hauptstrang, die anderen sind die Nebenfiguren…” mal geistreich, mittlerweile geht es mir ein wenig auf die Nerven. Es nutzt sich halt alles irgendwann ab. Fazit 3: Kann ich bitte Whoopi Goldberg wieder haben? Statt dieser pampigen jungen Person, die wohl Jahrhunderte der emotionalen Reifung vor sich hat, bevor sie mal Whoopi Goldbergs Guinan werden kann? Fazit 4: Q ist nicht der einzige Q, es gibt eine ganze Spezies von Qs. Na, das ist mal ein Informationshäppchen der spannenden Sorte! Auch, wenn es die Handlung vorerst nicht entscheidend weiterbringt.
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