House of the Dragon (Folge 2×02)
Meuchelmord im Königspalast! Das hat Folgen. Für so ziemlich jeden der vielen Protagonisten von House of the Dragon. Schmerz, Empörung, Trauer, Bereuen, Taktieren, Rächen, Zurückmeucheln. In Folge 2 hält House of the Dragon das Publikum mit einem Wechselbad der Gefühle 72 Minuten lang bei der Stange. Das Tomatometer von Rotten Tomatos steht bei sagenhaften 100 Prozent.
Inhaltsangabe
Nach der Ermordung des kleinen Kronprinzen ist die Betroffenheit groß. König Aegon verdächtigt Rhaenyra des Mordanschlags und will Krieg und Rache. Otto Hohenturm zieht politischen Nutzen aus der Tat, indem er mit einem öffentlichen Leichenzug das Volk hinter dem trauernden Königshaus zu versammeln versucht. Der Mörder ist schnell gefasst und gesteht beim Anblick der Folterinstrumente, dass er von Daemon Targaryen beauftragt wurde. Den Namen seines Komplizen, des Rattenfängers kennt er nicht. Also lässt Aegon alle Rattenfänger des Palasts öffentlich aufhängen, zum Entsetzen ihrer Angehörigen. Otto Hohenturm ist empört ob dieser Grausamkei6t gepaart mit politischer Dummheit und stellt seinen Enkel und König zur Rede. Doch der entzieht seinem Großvater das Amt der Hand des Königs und ernennt stattdessen Ser Kriston Kraut, einst Leibwächter und heimlicher Geliebter von Rhaenyra, jetzt Kommandant der Königsgarde und heimlicher Geliebter von Alicent. Rhaenyra ist entsetzt über die Anschuldigung, den Tod des kleinen Jahaerys in Auftrag gegeben zu haben und überlegt mit ihren Ratgebern, wie mit der Situation umzugehen ist. Als ihr klar wird, dass ihr Ehemann Daemon hinter der Ermordung steckt, macht sie ihm schwere Vorwürfe, Daemon ist gekränkt und streitet jede Verantwortung ab. Das Zerwürfnis belastet ihre Beziehung schwer.
Rhaenyra hat eine Unterredung mit Mysaria, einst Informationshändlerin für Daemon und später Otto Hohenturm, nun Gefangene auf Drachenstein und durch ihr Streuen von wichtigen Informationen sowohl an der Thronbesteigung Aegons als auch am Mord an Prinz Jahaerys beteiligt. Sie lässt Mysaria frei, mit der Bedingung, dass sie ein Schiff ins weit entfernte Penthos besteigt.
Kriston Kraut beschuldigt den Ritter Ser Arryk, den kleinen Prinzen nicht genügend geschützt zu haben und erpresst ihn zu einem Plan, den der Ritter eigentlich vehement ablehnt: Sein Zwillingsbruder Ser Erryk ist nun ein Gefolgsmann Rhaenyras, Ser Arryk soll sich als sein Bruder ausgeben, sich in Burg Drachenstein einschleichen und Rhaenyra ermorden. Doch auf dem Weg zur Burg begegnet er Mysaria, die ihn erkennt. Als er ins Gemach von Rhaenyra eindringt, ist sein Bruder gewarnt und verteidigt Rhaenyra. Die Brüder duellieren sich, einer stirbt, der andere stürzt sich in sein Schwert.
Ein Mord mit Folgen
Keiner bleibt vom nächsten Tod eines Kindes unbeeinträchtigt. Politisch gesehen völlig sinnlos, wirft der Mord an Jahaerys alle aus der Bahn. König Aegon, in Folge 1 noch bemüht, sich in das Königsein unter Großvaters strengem Blick hineinzufinden, verfällt in Rachedurst und blinden Aktionismus. Dass er in seiner Wut das Stadtmodell zertrümmert, an dem sein Vater jahrzehntelang gebastelt hat ist ein deutlicher Fingerzeig. Alicent fühlt sich schuldig, aus religiöser Sündenvorstellung oder aus schlechtem Gewissen wegen ihrer Affäre mit Kriston Kraut. Kriston Kraut fühlt sich schuldig, immerhin hat er die Mordnacht in Alicents Bett verbracht. Und kanalisiert seine Schuldgefühle, indem er den völlig schuldlosen Ser Arryk unter Druck setzt. Aemond bekommt einen ungewohnt weichen Moment der Emotion in den Armen einer mütterlichen Hure. Der Tod von Lucerys tut ihm leid und überhaupt sei er als Kind immer ausgelacht worden, weil er so anders ist. Da muss man die Augen schon arg zukneifen oder für Mitgefühl bezahlt werden, um ihm das abzunehmen. Otto Hohenturms Stimme der Vernunft scheitert an der Dummheit und Kurzsichtigkeit seines Enkels. Auf der Prinz Joffrey-Skala für beratungsresistente Irre auf dem Thron ist der junge König ordentlich nach oben gerutscht. Für Rhaenyra und Daemon bedeutet das Attentat einen tiefen Riss in ihrer Ehe. Rhaenyra misstraut ihm, hat er immer nur den Thron gewollt, anstatt sie zu unterstützen? Daemon, konfliktunfähig wie eh und je, geht einfach, tief beleidigt. Am Rande der Handlung Figuren, die vielleicht noch wichtig werden könnten: Ein notleidender Schmied in Königsmund. Prinzessin Baela, die mit ihrem Vater Daemon hadert. Der Seemann, der Corlys Velaryon gerettet hat und sein Bruder, der Schiffszimmermann, der fasziniert einem Drachen nachschaut, auf dem wohl Prinzessin Baela sitzt. Also wieder eine Folge, die viele Figuren im Auge zu behalten versucht und das auch spannungsreich schafft.
Verpatzter Meuchelmord, die Zweite
Schält sich da etwa ein Muster heraus? Drei Viertel der Folge Dialoge, Charaktermomente, Allianzen, Intrigen und Zerwürfnisse und zum Schluss Action und Blutvergießen? Schon zum zweiten Mal wird ein Mordkomplott dilettantisch in die Tat umgesetzt und endet ganz anders als geplant. Zählt man den Tod des kleinen Lucerys am Ende von Staffel 1 mit, ist es der dritte Todesfall in Folge, der bei allem aufgewandten bösen Willen der Ränkeschmiede bzw. Täter dennoch eher unter der Flagge “Dumm gelaufen” segelt. Und mit seinen destruktiven Folgen alle und jeden in diesem komplizierten Beziehungsgeflecht in Mitleidenschaft zieht. Das Duell der Cargyll-Brüder ist eine schwerterklirrende Angelegenheit im Halbdunkel. Wie das so ist, wenn zwei bullige Kerle in Rüstung mit Schwertern auf einander eindreschen. Tänzerische Eleganz ist bei dieser Kampfchoreographie nicht gewollt. Die Umsetzung des guten alten Motivs “Kampf gegen einen Doppelgänger” kann hier damit trumpfen, dass die Darsteller der Zwillinge Ser Erryk und Ser Arryk, Luke und Elliott Tittensor ebenfalls kaum auseinanderhaltbare Zwillinge sind. Ohne jeglichen Kamerakunstgriff weiß man nach kürzester Zeit nicht mehr, wer welcher ist und wer als erster zu Boden geht. Wer sich anschließend in sein Schwert stürzt, müsste dann wohl der Attentäter wider Willen Ser Arryk sein. Es könnte aber auch Ser Erryk sein, der den Tod seines Bruders nicht ertragen kann. Raum für Fantheorien also.
Fazit
Eine emotional dichte und spannungsgeladene Folge. Aber nur, wenn man sein Zimmer verdunkeln kann oder den Serienkonsum auf die Nacht verlegt. Sonst sieht man nämlich sehr wenig, außer viel Dunkelheit und ein wenig Kerzenschimmer. Ja, House of the Dragon spielt einem Zeitalter ohne Steckdosen und Glühbirnen. Und gekonnter Umgang mit natürlichen Lichtquellen kann eindrucksvolle Bilder hervorbringen. Aber trotzdem, ein Übermaß an dialoglastiger Schwärze strapaziert das Sehvergnügen. Zum Glück ist die Folge inhaltlich stark genug, um darüber hinwegzutragen.
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