House of the Dragon (Folge 1×06)

Zeitsprung bei House of the Dragon. Zwischen Folge 5 und 6 liegen zehn Jahre. Neue Darsteller und neue Familienkonstellationen. Prinzessin Rhaenyra, einst ein aufsässiger Teenie, mittlerweile Ehefrau und Mutter, wird nun von Emma D’Arcy (Hanna) dargestellt, ihre einstige Freundin Königin Alicent von Olivia Cooke (Bates Motel). Zusammen bringen es die beiden auf sechs kleine Prinzen und Prinzessinnen, die alle um ihren Platz in der Thronfolge rangeln könnten. Das Königreich ist in Gefahr, wenn es keinen Erben gibt? So, wie am Anfang der Staffel? Oh, nein. Das Königreich ist so richtig in Gefahr, wenn es richtig viele Erben gibt.

Inhaltsangabe

Rhaenyra, nun seit zehn Jahren mit Laenor Velaryon verheiratet, bringt ihr drittes Kind zur Welt. Unmittelbar nach der Geburt verlangt Königin Alicent, das Neugeborene zu sehen. Obwohl noch nicht einmal die Nabelschnur durchtrennt ist, beschließt Rhaenyra, auf diese Provokation zu reagieren, indem sie aufsteht und das Kind selbst zu Alicent bringt. Hintergrund von Alicents Forderung ist die Tatsache, dass Rhaenyras ältere Söhne beide so gar nicht wie Targaryens oder Velaryons aussehen. Hat Rhaenyra etwa eine langjährige Affäre mit Harwin Kraft, dem Kommandanten der Stadtwache? Alicent konfrontiert den König mit ihrem Verdacht, doch der will davon nichts hören. Nicht nur, dass er seiner Tochter vertraut, der Skandal um die Thronfolgerin und ihre Nachkommen wäre so staatserschütternd, dass man besser den Schein wahrt.

Daemon Targaryen hat mittlerweile Laena Velaryon geheiratet, Laenors Schwester, die einst beinahe mit König Viserys verheiratet worden wäre. Sie ist mittlerweile Reiterin von Vhagar, dem nun ältesten und größten der Targaryen-Drachen. Außerdem hat sie mit Daemon zwei Töchter und ist mit einem dritten Kind schwanger. Als Drachenreiter sind Daemon und Laena gern gesehene Gäste bei kleineren Reichen, die sich von ihnen Schutz und Unterstützung im Krieg erhoffen und das gern üppig belohnen würden. Währende Daemon für dieses Leben durchaus zu haben ist, ist Laena unzufrieden und möchte in ihre Heimat zurückkehren und als Drachenreiterin leben und sterben. Bei der Geburt des dritten Kindes kommt es zu Komplikationen. wie einst bei Königin Aemma wird der Ehemann vor die Wahl gestellt, einem für die Mutter tödlichen Eingriff zuzustimmen, damit das Kind möglicherweise gerettet werden kann, oder beide sterben zu lassen. Daemon trifft keine Entscheidung, doch Laena hat offenbar zugehört, schleppt sich zu ihrem Drachen und gibt den Befehl “Dracarys!” Vhagar zögert, dann speit sie Feuer und verbrennt ihre Reiterin. Daemon und seine Töchter bleiben trauernd zurück.

Die Söhne von Alicent und Rhaenyra wachsen nach dem Wunsch des Königs zusammen wie Brüder auf, doch so richtig will das Konzept nicht ausgehen. Erst verbünden sich drei gegen den vierten, der keinen eigenen Drachen hat und schenken ihm ein als Drache kostümiertes Schwein. Alicent wittert Feinseligkeit bei Rhaenyras Kindern und warnt ihren ältesten Sohn, sich allzusehr mit seinen kleinen Neffen anzufreunden, schließlich stellt er eine Bedrohung für ihre Thronansprüche dar. Beim Kampftraining bevorzugt Ser Kriston Kraut, der die kurze Affäre mit Rhaenyra immer noch nicht verwunden hat, allzu eindeutig die älteren Söhne von Alicent, bis Ser Harwin eingreift und die Kleinen in Schutz nimmt. Als Ser Kriston dann eine zweideutige Bemerkung über Harwins geradezu väterliche Parteinahme macht, schlägt Harwin ihn zu Boden. Das hat weitreichende Folgen. Ser Harwins Vater, die Hand des Königs, tritt von seinem Amt zurück und zieht sich mit seinem Sohn auf seinen Stammsitz Harrenhal zurück. Alicent hat eine Unterredung mit Larys Kraft, mittlerweile Meister der Flüsterer und wünscht sich ihren Vater an den Hof zurück. Wenig später brennt es auf Burg Harrenhal und Lionel und Harwin Kraft kommen ums Leben. Larys beteuert, dass er nur den Wunsch der Königin erfüllt habe, doch Alicent weist das entsetzt von sich. Jedenfalls ist das Amt der Hand des Königs nun zu haben.

Kleine Stammbaumkunde

Aegon, Aemond, Helaena, Jacaerys, Lucerys, Gottfrid, Baela, Rhaena. Das muss man sich erst einmal merken. Und zuordnen können. Zum Glück leistet die recht schlichte Genetik von House of the Dragon praktische Hilfestellung. Die Kinder von Alicent und Viserys kommen nach dem Papa und sind Targaryen-blond. Was bewirkt, dass die beiden Jungs mit ihren grellblonden Perücken aussehen wie Draco Malfoy auf einem Mittelaltermarkt. Die Töchter von Daemon und Laena kommen nach der Mama: Weiße Kraushaarzöpfchen und dunkle Haut. Nur die Söhne von Rhaenyra haben dunkles Haar und helle Haut und ähneln damit auf das Peinlichste weder ihr noch ihrem Ehemann, sondern einem gewissen brünetten Ritter der Stadtwache. Wir erinnern uns: Rhaenyra und Laenor hatten eine königliche Ehe nach außen und hinter der Fassade eine offene Beziehung vereinbart. Obwohl das Konzept schon bei der Verlobungsfeier beinah Schiffbruch erlitten hätte, haben sie es wohl die letzten zehn Jahre so gelebt. Eine so souveräne, an den sexuellen Gepflogenheiten des 21. Jahrhunderts orientierte Haltung bleibt allerdings im Mittelalter von Westeros nicht ohne Folgen: in der Ehe kriselt es, Rhaenyra gönnt Laenor nicht die Nähe zu den Kindern, die er als seine eigenen betrachtet und fühlt sich von ihm nicht genügend unterstützt, als Königin Alicent ihr Misstrauen offen zeigt. Alicent und Ser Kriston, einst treue Freunde der jungen Rhaenyra sind nur ihre erklärten Gegner, denn nonchalanter Seitensprung kollidiert halt doch mit mittelalterlichen Moralvorstellungen. Nur dank der eisernen Gutwilligkeit des Königs bleibt alles immer noch unter Verschluss, die Samen der zukünftigen Zwietracht keimen aber immer deutlicher.

Schon wieder dramatische Wochenbettszenen

Schon in Folge 1 zeigte House of the Dragon die Geburt eines Kindes als langwieriges, blutiges und tragisches Ereignis. Wo sonst auf Leinwand und Bildschirm eine Geburt gern mit ein paar kurzen Einstellungen abgehandelt wird. Folge 6 bringt das gleich doppelt und als gezieltes Mittel der Figurenschilderung. Was für ein Miststück Lady Alicent geworden ist und wie hart im Nehmen Rhaenyra ist, erzählt sich über das schweißverklebte Gesicht der Gebärenden und über einen mühevollen Gang durch den Palast, bei dem die junge Mutter eine lange Blutspur hinterlässt. Laena Velaryons kurzes Leben wäre eigentlich nur eine Randnotiz: Daemon Targaryens zweite Ehefrau, gebar ihm zwei Töchter und starb. House of the Dragon gönnt ihr ein paar triumphale Momente als Drachenreiterin und eine große Todesszene, die die Wochenbettszene von Königin Aemma gegen den Strich bürstet. Während Viserys dem Tod seiner Frau zustimmte und Aemma nicht einmal gesagt bekam, was da mit ihr geschah, vermeidet Daemon die Entscheidung und Laena nimmt ihren Tod selbst in die Hand. Anstatt im Wochenbett zu verbluten, stirbt sie lieber als durch Drachenfeuer. Das ist für eine unbedeutende weibliche Randfigur schon eine ganze Menge Drama.

Der Geist, der stets verneint

Wer vermutet hat, dass Prinz Daemon der Schurke von House of the Dragon sein würde, ist wohl auf seine Fähigkeit zur provokanten Pose hereingefallen. Nach sechs Folgen hat der Prinz zwar eine Menge Ungemach verursacht, aber so richtig gezielt böse ist er nicht. Schon, weil er selten irgendetwas gezielt und konsequent anpackt. Der Mann weiß einfach nichts mit sich anzufangen. Dafür ist am Rand ein vielversprechender Schurke herangewachsen. Larys Kraft, der Mann mit dem Klumpfuß, der Freude daran zu haben scheint, aus Situationen das Schlimmste herauszukitzeln. Warum er Vater und Bruder ermorden lässt, um damit der Königin einen Wunsch zu erfüllen, den sie gar nicht geäußert hat? Gab es da etwas zwischen ihm und seiner Familie? Ist es sein Ziel, die Königin zu einer erpressbaren Marionette zu machen? Jedenfalls hält er einen Monolog der puren Negativität über die Sinnlosigkeit, Kinder in die Welt zu setzen und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Ein kleines Herrscherchen der Finsternis am Hof von Königsmund? Oder wissen wir noch nicht genug über den Mann?

Fazit

Neue Darsteller und erwachsen gewordene Figuren bringen sehenswerte neue Dynamik in Folge 6. Aber die wirkliche Überraschung ist der König. Nach dem Cliffhanger in Folge 5 immer noch am Leben, in so ziemlich jeder Folge kränklich, unglücklich und viel zu nett für Westeros. Mehr als einmal huschen unheilverheißende Ratten um ihn herum. Und doch ist er immer noch da und hält seit nunmehr bald 30 Jahren sein Land und seine Familie zusammen, ohne dass alle über einander herfallen. Das ist vermutlich mehr als irgendwer aus der jüngeren Generation jemals hinkriegen wird. Und da hatte man doch von einem Game of Thrones-Ableger erwartet, dass die Rücksichtslosesten stets über die Naiven und Friedfertigen triumphieren. Aber Game of Thrones war immer auch gut für unvermutete Wendungen. Eine Herrschaft des Friedens bis weit über Staffelmitte ist so richtig unvermutet. Eine gute Idee der Autoren, das nicht abzukürzen. Wer Gemetzel sehen will, der muss sich in Folge 6 mit einer abgeschnittenen Zunge und etwas Brandstiftung zufriedengeben.

© Sky

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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