House of the Dragon (Folge 1×04)
Eine Prinzessin, die sich ihren Ehemann selbst wählen darf? Seit wann geht es denn in Westeros so freiheitlich und tolerant zu? Wo George R. R. Martins Version des finsteren Mittelalters gern noch einmal besonders finster und barbarisch ist? Wird da vielleicht endlich einmal etwas zur Zufriedenheit aller verlaufen und den Protagonisten zu Glück im Leben verhelfen? Natürlich nicht.
Inhaltsangabe
König Viserys organisiert für Rhaenyra eine Reise durch sein Reich, bei der sie alle Bewerber um ihre Hand treffen und unter ihnen wählen kann. Doch Rhaenyra betrachtet auch das als qualvolle Pflicht, die sie wenig diplomatisch erfüllt. An den Rändern der Zeremonie kommt es zu einer blutigen Auseinandersetzung, Rhaenyra bricht die Reise vorzeitig ab und kehrt nach Hause zurück.
Auch Prinz Daemon kehrt zurück, mit der Treibholzkrone der Trittsteine auf dem Kopf. Doch er hat nicht vor, seine Position zu nutzen, um den König herauszufordern. Sowohl Alicent als auch Daemon versuchen, mit Rhaenyra über ihre Ablehnung einer Heirat zu sprechen. Daemon erklärt ihr seine Sicht der Dinge: Sex macht Spaß und eine Ehe sollte einen nicht daran hindern, mit jeglichen Personen seiner Wahl zu schlafen. Um sein Argument zu untermauern, nimmt er Rhaenyra nachts mit in die Slums von Königsmund, wo gesoffen und gehurt wird und eine Straßentheatertruppe ein dreistes Stück in Knittelversen über die Situation bei Hofe aufführt. Die Tour durch das Nachtleben von Königsmund endet in einem Bordell, wo Daemon Rhaenyra küsst, sich dann jedoch abwendet und sie stehen lässt. Sie kehrt allein in den Palast zurück, ist jedoch von einem Spion in Diensten von Otto Hohenturm gesehen worden. Zurück in ihren Gemächern nutzt Rhaenyra ihr neu erworbenes Wissen, um ihren Leibwächter Ser Kriston Kraut zu verführen. Otto Hohenturm berichtet den König von Rhaenyras Eskapade.
Der König stellt sie zur Rede und ordnet an, dass sie unverzüglich Corlys Velaryons Sohn Laenor heiraten wird. Sie willigt ein, unter der Bedingung, dass er Otto Hohenturm aus seinen Diensten entlässt, was der König auch tut.
Die Rückkehr des Königs?
Wenn Daemon Targaryen etwas gut kann, dann große Auftritte. Wenn er mit einer hölzernen Krone auf dem Kopf den Saal betritt, dann knistert die Luft und die Ritter der Königsgarde zücken die Schwerter. Die Treibholzkrone der Trittsteine mag für ein unbedeutendes kleines Reich stehen, aber da die Inseln strategisch wichtig sind, hätte Daemon damit schon die Macht seines Bruders in Frage stellen können. Tut er aber nicht. Im Verlauf der Folge hätte er die ultimative Schurkerei begehen und seiner Nichte die Unschuld rauben können. Auch das hätte ihn vielleicht der Macht näher gebracht, wenn das ganze in einer Ehe mit Rhaenyra, der Thronfolgerin geendet hätte. Aber auch da geht er nicht aufs Ganze, sondern lässt sie allein im Bordell zurück, um dann verkatert bei seiner Ex-Geliebten aufzuwachen. Die mittlerweile möglicherweise die Sex-Arbeit gegen den Handel mit Informationen eingetauscht hat. Auch halbherziges Schurkentum kann jede Menge Schaden anrichten.
Vertraute Stilmittel
Wer bei einem Game of Thrones-Sequel skandalöse, explizite und wohlmöglich inzestuöse Sex-Szenen erwartet hat, der musste ziemlich lange warten. Außer der Bordellszene in Folge 1 passierte erst einmal gar nichts. Prinzessinnen wachsen (noch) sehr behütet auf. Nun ist es doch soweit. Daemon gibt den coolen Onkel, der seiner Nichte das wilde Leben zeigt. Wobei ein Bordell wohl nur für einen solventen Kunden wie ein Ort der sexuellen Freiheit aussieht. Rein optisch wird da mit vertrauten Mitteln gearbeitet. Zum einen: Dunkelheit und Kerzenschein. Das war halt so im Mittelalter und das sieht auf dem Bildschirm immer wieder gut aus. Man muss nur darauf achten, die Folge nicht bei Tageslicht anzuschauen, sonst sieht man von all dem Rudelbumsen im Bordell überhaupt nichts. Zum anderen: Das Gegenüberstellen von zwei Variationen über das gleiche Thema. Das war schon wirkungsvoll, als Turnier und Wochenbett gleichermaßen blutig waren. Jetzt springt das Geschehen hin und her, zwischen dem Ehebett des Königs und Rhaenyras erotischen Erlebnissen. Man hätte meinen sollen, dass Viserys und Alicent glücklich verheiratet sind. Aber ihr Liebesleben sieht trist aus. Während Rhaenyra in einer Nacht eine Menge sieht, viel erlebt und mit Ser Kriston jede Menge Spaß an der Liebe zu haben scheint. Das ist zwar alles hochriskant und wird wohl noch eine Menge böse Folgen haben, aber offenbar hat das Erlebnis sie erwachsener gemacht. Jetzt kann sie eine arrangierte Ehe akzeptieren und dabei Forderungen stellen, die prompt erfüllt werden.
Fazit
Für den Zuschauer des 21. Jahrhunderts könnte es so einfach aussehen. Archaische Moralvorstellungen und Menschen, die sich dagegen auflehnen. Ein Mädchen, das durch das Nachtleben streift, vom einen Kerl sitzengelassen wird und sich dann halt einen anderen sucht. Im Jahre 2022 wäre nichts dabei. In Westeros kann das eine staatserschütternde Katastrophe sein. House of the Dragon schafft es, zu vermitteln, wie sehr die Menschen in den Sexual Politics ihrer Welt verhaftet sind. Und wieder sind die Rebellen keine Sympathieträger, nur Menschen, die zwar unter ihrer Lage leiden, aber unüberlegt und kurzsichtig genau das Falsche tun. Schön, dass das so differenziert ausgemalt wird.
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