Doctor Who (Folge 11×09)

Eine einsame Blockhütte im Wald – so fangen genug Horrorfilme an, dass dieses Setting ein eigenes Subgenre ist. Wenn eine Folge Doctor Who im Wald beginnt und eine abgelegene Hütte auftaucht, ist angenehmes Gruseln vorprogrammiert. Aber Staffel 11 bleibt sich treu und nichts ist so simpel wie es zunächst scheint. Brüllende Monster, eigenwillige Spiegel, menschenfressende Riesenmotten: Willkommen in Norwegen.

Der Doctor ist sich zunächst gar nicht sicher, wo die TARDIS jetzt wieder gelandet ist und nimmt Bodenproben vor. Der Geschmackstest gibt Entwarnung, sie sind auf der Erde im Jahr 2018 und stehen mitten im norwegischen Wald. Das einzige Zeichen von Zivilisation ist eine Blockhütte, die verriegelt und verrammelt wurde. Da müssen der Doctor, Graham, Ryan und Yaz natürlich ihre Neugier befriedigen und nachschauen, was los ist. Sie finden ein blindes Mädchen namens Hanne, das zum einen seinen Vater vermisst und sich zum anderen vor einem Monster fürchtet, das draußen lauert.

It takes you away

Hanne muss nicht lange um Hilfe bitten, es ist Ehrensache, dass Team TARDIS den Spuk so schnell wie möglich aufklären möchte. Dabei kommt ein Spiegel ins Spiel, der auch einfach mal Personen nicht reflektiert. Mit dem Multifunktionswerkzeug Sonic Screwdriver kann der Doctor diesen Teil des Rätsels schnell lösen, denn sie stehen schlicht vor einem Portal in eine andere Welt. Ryan bleibt bei Hanne und die anderen drei unternehmen einen Spaziergang ins Ungewisse. Es ist eine zwielichtige Form von Zwischenwelt, die die Gruselstimmung ein wenig anheizt und irgendwo zwischen Coraline und Insidious pendelt. Der Beginn der Episode ist aufregend und erschreckend zugleich. Um im letzten Drittel dann doch wieder die emotionale Keule auszupacken, was in Staffel 11 zum Markenzeichen geworden ist. Im Gegensatz zur vorherigen Folge „The Witchfinders“ ist es dieses Mal aber ein langsamer Übergang vom Grusel zum Drama und die Atmosphäre bleibt angespannt.

Die unterschiedlichen Arten von Gefahr

Die Gefahren, die in „It takes you away“ lauern können in drei Kategorien eingeteilt werden. Als erstes ist da reine Täuschung, ein Monster, das überhaupt keines ist. Mit dem scheinbar konventionellen Gegner wird die Stimmung angefacht. Dabei gilt es nur herauszufinden, dass eine falsche Spur gelegt wurde. Es folgt die Zwischenwelt, in der die Natur selbst in Form von fleischfressenden Insekten zuschlägt. Dazu gibt es einen Bewohner, der seinen eigenen Vorteil sucht, aber gar nicht dazu kommt zu einer größeren Bedrohung zu werden. Und als letztes klärt sich auf, was auf der anderen Seite des Spiegels liegt, nämlich ein vollkommen eigenständiges, denkendes Universum. Es hat das Potenzial alles Leben zu vernichten, weil es schlicht mit der Materie, aus der alles andere besteht, nicht kompatibel ist. In der normalen Welt ist Team TARDIS gar nicht in Gefahr. Die Zwischenwelt ist eine Herausforderung, die mit Mut und Tatkraft überwunden werden kann. Und diese andere Dimension, genannt Solitract, von der man auf Gallifrey nur als Gute-Nacht-Geschichte redet, ist nicht böse, aber ungewollt tödlich. Eine Art Antagonist aus Versehen. Damit wird zusammengefasst, wie die bisherigen Konfrontationen des neuen Doctors ablaufen: äußerst selten direkt.

Niemand ist gerne einsam

Der Solitract ist seit Äonen allein, da kann man verzeihen, wenn ein potentiell katastrophaler Kontakt zu unserem Universum aufgenommen wird. Visuell ist es schön dargestellt, da alles spiegelverkehrt gezeigt wird. Alles wirkt wie immer, aber doch ein kleines bisschen anders, ein wenig verschoben. Die Menschen sollen verführt werden zum Bleiben. Genau das ist Hannes Vater Erik passiert, der hier von einem Abbild seiner toten Frau begrüßt wird. Weil man als Zuschauer keinen Bezug zu dieser Beziehung hat, gibt es den Schlag in die Magengrube durch das Auftauchen von Grace. Ryans Großmutter und Grahams Ehefrau, die zu Beginn der Staffel in „The Woman who fell to Earth“ gestorben ist. Wir wissen, dass Graham an seiner Trauer arbeitet und deshalb überhaupt mit dem Doctor unterwegs ist. Das leere Haus kann er nicht ertragen. Und hier ist er wieder mit Grace vereint, die sich an kleinste Dinge erinnert. Eine fast perfekte Kopie. Wer schon mal einen geliebten Menschen verloren hat, wird verstehen, warum es nicht leicht ist, sich von dieser Illusion abzuwenden. Aber hier zahlt sich ein charakterlicher Handlungsbogen aus. Ryan ist nicht da und Graham sorgt sich darum, wie es ihm grade ergeht. Dass Grace diese Sorge nicht teilen kann, hilft Graham bei der Entscheidung. Ein realer Mensch ist wichtiger als ein Wunschtraum.

Ich bin hocherfreut darüber, wie flüssig die Teile der Geschichte ineinander laufen. Von der angespannten Durchsuchung der Hütte über die abenteuerliche Durchquerung der Zwischenwelt hin zu zwei wichtigen Charaktermomenten. Und einer davon gebührt ganz dem Doctor. Um das Universum zu retten, müssen sie den Solitract verlassen, aber wenn es sein muss und falls es möglich ist, würde der Doctor zurückbleiben. Sie könnte all ihr Wissen und ihre Erlebnisse mit diesem einsamen Wesen teilen. Es ist eine neue Möglichkeit Freundschaft zu schließen. Und sie ist bereit diesen Schritt zu gehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Es klingt sehr verlockend sich vorzustellen, dass der Solitract die Gestalt von einer dem Doctor bekannten Person annimmt. Aber dieser Doctor ist noch neu, ungebunden und mich erfreut diese bizarre Note, dass der Solitract da einfach als Frosch hockt. Das verleiht der Folge am Ende noch einen Hauch von Douglas Adams. (Dazu gehört auch der Anfang, als der Doctor erwähnt, dass eine woolly rebellion bevorsteht, in der Schafe sich gegen Menschen stellen und ein Blutbad anrichten.) Das einzig fragwürdige ist für mich, wie ein Vater seine blinde Tochter in der Einöde zurücklassen kann. Darauf geht der Dialog zwar ein, dass er einfach jegliches Zeitgefühl verloren hat und glücklich ist. Aber die Tochter im Glauben zu lassen, ein Monster könnte sie verschleppen, ist schon übel. Dass Ryan jedoch sofort annimmt, Erik hätte Hanne vollkommen absichtlich im Stich gelassen, weil er es so mit seinem Vater erlebt hat, ist wieder ein Schritt zu weit.

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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