Neues vom US-Comicmarkt (Juli 2018)
In diesem Format stellen wir euch ausgewählte aktuelle Comics des US-Markts vor, die wir monatlich begleiten.
Wir leben in einer Welt, in der Menschen noch nie einem Monster begegnet sind. Dies alles ist der Magic Order zu verdanken. Fünf Magierfamilien, die sich einst schworen, die Welt generationenübergreifend zu beschützen. Doch eines Tages taucht ein unbekannter Feind auf, der gezielt einer Familie nach der nächsten auslöscht. Die Mitglieder der Magic Order leben am Tag als freundliche Nachbarn oder hilfsbereite Kollegen, doch nachts sind sie Magier, die gegen die Mächte der Finsternis kämpfen. Oder von dieser bekämpft werden…
Ayres:
Netflix hat letztes Jahr das Comic-Label Millarworld gekauft und brachte im Juni 2018 die erste eigene Comic-Reihe von Kick-Ass-Autor Mark Miller heraus. Die sechsteilige Mini-Reihe The Magic Order von Image Comics erscheint in erster Linie in den USA. Mark Millar beschreibt seine Reihe als eine Mischung aus Harry Potter und Sopranos. Im Hinblick darauf, dass Netflix ja auch selbst Serien und Filme (Netflix Originals) produziert, wird es künftig vielleicht ja eine Comic-Verfilmung geben. Die Zeichnungen stammen von dem Franzosen Olivier Coipiel, der für Marvel bereits an X-Men– und Thor-Comics arbeitete. Die ersten beiden der sechs Ausgaben geben Einblicke in die einzelnen Familien, die nicht in allen Fällen das herzlichste Verhältnis zueinander pflegen. Da ist zum Beispiel die gewiefte Entfesselungsmagierin Cordelia, die ihren Widersachern immer eine Nasenlänge voraus ist. Oder Gabriel, der sich vor den tragischen Ereignissen drückt und lieber einkaufen geht als einer Beerdigung beizuwohnen. Der zweite Band beeindruckt mit einer spektakulären Todesszene, in der ein Fahrzeug vollständig unter Wasser gesetzt wird, bis die darin befindliche Zielperson qualvoll ertrunken ist. Auch die darauf folgende Todesszene ist originell inszeniert und lässt den Leser mit einem gemeinen Cliffhanger zurück. Vor allem der düstere Zeichenstil ist gefällig und passend gewählt für die ernst erzählte Geschichte.
Ruhm, Erfolg und Respekt – wenn man alles erreicht und alles hat, sollte nichts mehr schief gehen. Gerade wenn man in seiner Freizeit auch noch als maskierter Superheld die Welt rettet. Außer natürlich man heißt Peter Parker und hat das “Parker-Glück” gepachtet. Soll heißen, was auch immer man aufbaut, geht den Bach runter. Dieses Mal muss er mit Anschuldigungen kämpfen, dass sein Doktor-Titel nicht korrekt erlangt wurde, da seine Arbeit ein Plagiat ist – die Wahrheit ist zwar etwas komplizierter, doch das glaubt ihm ja doch keiner – und verliert dadurch auch seinen Job beim Daily Bugle als Leiter des Wissenschaftsbereichs. Sogar den Respekt von Tante May verliert er und durch geschickte Manipulationen von Bürgermeister Wilson Fisk aka Kingpin hegen sogar seine Superhelden-Freunde Zweifel an ihm. Trotzdem rettet er wieder einmal den Tag und ihm wird dadurch klar, dass nur eine Person immer an seiner Seite stand, ihn unterstützte und nie an ihm gezweifelt hat: Mary Jane Watson! Mit einem Kuss wird diese Rückkehr zum Ursprung besiegelt, doch noch ahnt Peter nicht, wie gut (oder eher schlecht) sein Glück am Arbeiten ist, denn ein neuer Feind bereitet in den Schatten seinen Angriff auf ihn vor.
Hero Kage:
Wann immer Marvel meint, dass es Zeit wird, die Verkaufszahlen anzukurbeln, machen sie etwas, das gerne als “Soft-Reboot” betitelt wird. Der Titel bekommt eine Nummer 1 und oft auch ein neues Kreativteam. In diesem Fall war es auch ein Schlussstrich für die Arbeit jenes Autors, der Spider-Man und alle seine Serien so geprägt hat wie kein anderer in der letzten Dekade: Dan Slott. Für fast ein Jahrzehnt hat er alles gelenkt, was man mit Spider-Man zu tun hat und übergibt nun das Zepter an einen Mann, der nicht unumstritten ist. Die Rede ist von Nick Spencer, der berühmt berüchtigte Mastermind hinter Captain Americas Wandlung zum Hydra-Agenten und dem daraus folgenden Event Secret Empire. Ich dachte eigentlich, ich würde der Serie keine weitere Beachtung schenken, doch dann wurde Ryan Ottley als Zeichner bekannt gegeben und ich war Feuer und Flamme. Für diejenigen die ihn nicht kennen: er hat die letzten 15 Jahre zusammen mit Robert Kirkman (The Walking Dead) an dessen Superhelden-Serie Invincible gearbeitet und dort mehr als bewiesen, dass er alles hat, was für die maskierten Helden gebraucht wird. Und ich muss ehrlich sein, das Duo Spencer-Ottley liefert einen richtig guten Einstieg in diese Serie, fasst alles, was Peter passiert ist zusammen und integriert dabei den roten Faden, der schließlich in der Wiedervereinigung des bekanntes Paares der Comic-Geschichte – nach Lois und Clark – gipfelt. Wenn sie hier konsequent bleiben, und mit dieser Stärke weitermachen, kann man sich wohl nur auf jede weitere Ausgabe freuen.
Outpost Zero erzählt die Geschichte einer Gruppe 14-jähriger, die in einem Außenposten auf einem nicht näher bestimmten Planeten leben. Seit Generationen versuchen die Menschen, dort zu überleben und Möglichkeiten zu finden, diesen urbar zumachen. Während sich in der Bevölkerung Widerstände gegen die Expeditionstruppe bildet, entdeckt diese bei einem Ausflug, dass sich ein Sturm auf die Kuppel des Außenpostens zubewegt. Diese sogenannte Zelle scheint sogar stärker als diejenige zu sein als die, welche zehn Jahre zuvor einen Teil der Kuppel und dessen Bevölkerung zerstört hat.
MadameMelli:
Den Ton von Outpost Zero kann man als ruhig beschreiben. Sean Kelley McKeever, der mit The Waiting Place eine ähnliche Geschichte debütierte, schafft es, mit dieser Ruhe auch die drohende Katastrophe zu erzählen. Im Gegensatz zu The Waiting Place, in der Teenager in einer langweiligen Kleinstadt gefangen sind, können die Teenager in Outpost Zero nicht jederzeit von Zuhause abhauen, um sich ihr Glück woanders zu suchen. In Nebensätzen werden geschickt Informationen zum Leben im Außenposten eingepflegt und die Zeichnungen von Alexandre Tefenkgi (bisher nur auf dem heimischen französischen Markt bekannt, z.B. mit Tranquille courage) transportieren das Innenleben der Figuren, die mit den Ereignissen des Comics konfrontiert werden, voller Nuancen. Die Fragen, wie die Zukunft aussehen wird, sind allgegenwärtig und beschäftigen die Charaktere in all ihrem Handeln. Trotz der kurzen Auftritte mancher Personen, hat mir das erste Kapitel Lust gemacht, die Entwicklung der Figuren mitzuverfolgen und das Ende zeigt auch, dass für diese das Ende ihrer unbeschwerten Kindheit eintritt.
Nach der Miniserie Man of Steel, die den Mythos des Planeten Krypton ein wenig ins Wanken gebracht hat, beginnt Superman mit einer frischen Nummer 1. Die letzten Ereignisse werden schnell nacherzählt, um den Einstieg zu erleichtern. Clark hat den Kontakt zu Ehefrau Lois und Sohn Jon in den Tiefen des Weltalls verloren. Eigentlich will er ihnen nachjagen, doch er erkennt, dass die Erde ihn dringend braucht und er seine Pflichten nicht vernachlässigen kann. Als Clark fühlt er sich zu Hause einsam, doch ihm bleibt nur wenig Zeit für mondänes, da ständige Katastrophen verhindert werden müssen. Selbst ein Gespräch mit dem Martian Manhunter wird unterbrochen, und der macht Superman den ungeheuren Vorschlag eine noch viel öffentlichere Position als hoffnungsvolle Leitfigur für die Menschheit einzunehmen. Fast nebensächlich dabei die Neuerschaffung der zerstörten Festung der Einsamkeit, dieses Mal im Bermuda Dreieck.
Misato:
Autor Brian Michael Bendis war seit 2000 bei Marvel beschäftigt, wo er Figuren wie Miles Spider-Man Morales erschaffen hat, durch Events wie House of M führte und jede größere Superheldengruppe von Avengers über Guardians bis zu den X-Men über längere Zeit betreute. Und dieser Mann schreibt nun bei DC sowohl Superman als auch Action Comics. Das ist eine große Herausforderung für Autor und Fangemeinde gleichermaßen und macht mich extrem neugierig. Während Action Comics sich mehr auf Metropolis und Clark Kent als Figur bezieht, soll Superman die überdimensionalen und kosmischen Probleme angehen, die wirklich einen Superman zur Lösung brauchen. Das erste Heft selbst hat im Grunde keine Handlung, der gefolgt wird, sondern einen reinen Entscheidungsprozess seitens Superman. Und seine Gedankengänge werden immer wieder unterbrochen, weil er schnell ein Monster besiegen oder Astronauten retten muss. Superman könnte sein eigenes Familienleben über die Geschicke der Erde stellen, aber als Held und Symbol der Hoffnung verbietet sich das fast von selbst und Bendis versteht es mit ein paar Worten zu zeigen, dass Superman nicht gefühllos handelt. Die Serie verspricht mit nur wenigen Seiten schon ziemlich viel Epik und endet mit dem Knall, dass zur Abwechslung die ganze Erde in der Phantomzone gelandet ist. Wer gänzlich neu im Superman Universum ist, wird hier schnell erschlagen, aber schon rudimentäres Wissen durch die vielen Film- und Fernsehadaptionen, das allgemeine Popkulturlevel und Bendis‘ Versuche wichtige Informationen einzuflechten, helfen jedem Lesewilligen sich einzufinden. Ein Superheldenepos schlägt hier einen neuen Weg ein.