Unsane – Ausgeliefert

Es ist nicht einfach für einen Film, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die inhaltliche Ebene zu lenken, wenn es sich um einen stilistischen Ausreißer handelt, der massiv mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer kollidiert. Eine solche Erfahrung dürfte auch Unsane – Ausgeliefert sein, denn der vollständig mit dem iPhone gedrehte Film sieht alles andere als modern und ansprechend aus. Im Gegenteil: Der schmuddelige Look erinnert an Low Budget-Filme der 90er. Je nach individueller Schmerzgrenze fordert der Film von Steven Soderbergh (Ocean’s Eleven) deshalb Geduld. Dabei ist seine Geschichte durchdacht und spannend.

Die Analystin Sawyer Valentini (Claire Foy, Terry Pratchett’s Going Postal) setzt in ihrem Leben alles auf Anfang: Sie zieht in eine neue Stadt und fängt in einem neuen Job bei einer Bank an. Der Grund für den Umbruch ist die Flucht vor ihrem Stalker David (Joshua Leonhard, spielte einst sich selbst in The Blair Witch Project). Der Versuch, mit neuen Männern anzubandeln schlägt fehl, denn in jedem Mann sieht sie das Gesicht von David. Um Hilfe zu bekommen, macht Sawyer einen Termin bei einem Psychiater aus. Eigentlich wollte sie nur ein paar Sitzungen vereinbaren, doch kaum hat sie ihre Unterschrift gesetzt, wird die Analystin weggeschlossen. Denn ohne es zu merken hat sie eine Selbsteinweisung für 24 Stunden in der Anstalt Highland Creek unterschrieben. Das Personal erklärt sie nach und nach für verrückt und dann taucht noch ein Pfleger auf, der wie David aussieht…

Mit Sarkasmus gegen das Gesundheitssystem

Originaltitel Unsane
Jahr 2018
Land USA
Genre Thriller, Drama
Regisseur Steven Sonderbergh
Cast Sawyer Valentini: Claire Foy
David Strine: Joshua Leonard
Jill: Sarah Stiles
Angela Valentini: Amy Irving
Laufzeit 98 Minuten
FSK

Neu ist die Thematik nicht, dass ein augenscheinlich gesunder Mensch in eine Klinik eingeliefert wird und dort nach und nach an die Grenzen seines eigenen Verstandes stößt. Bereits 1963 ließ Regisseur Samuel Fuller in Schock-Korridor einen Journalisten in eine Anstalt einweisen, dessen Ausführungen als verrückt abgestempelt werden. Nicht anders erging es Halle Berry 2004 in Gothika und auch die Analystin Sawyer erleidet das Schicksal, dass jeder ihrer Versuche, sich gegen ihre Einweisung zur Wehr zu setzen, als ein weiteres Krankheitssymptom ausgelegt wird. Da sie obendrein auch noch äußerst sarkastisch mit der Situation umgeht und bis auf eine Ausnahme jedem gegenüber schnippisch auftritt, wird ihr Aufenthalt über die 24 Stunden hinaus verlängert. So tragisch die Situation auch erscheint, birgt sie auch einen gewissen schwarzen Humor, da Sawyers Unterhaltungspotenzial mitzureißen weiß. Läuft die Handlung in Gefahr, sich abzunutzen, sorgen die anderen geheimnisvollen Insassen Violet (Juno Temple, Kaboom) und Nate (Jay Pharoah, Saturday Night Live) für neue Impulse.

Der iPhone-Film

Die Bilder der iPhone-Kamera bestärken das klaustrophobische Gefühl zunehmend. Vor allem die Anwendung der FishEye-Optik unterstützt die Tiefenwirkung, indem die beengende Atmosphäre der Klinik dargestellt wird. Dafür wird die Kamera mal frontal, mal in der hintersten Ecke eines Raumes platziert. Auf diese Weise entsteht ein Gefühl der Paranoia, welches auch Sawyer durchläuft und macht den Zuschauer auf gewisse Weise zu einem Voyeur. Hat man sich an diese Technik erst einmal gewöhnt, wird schnell klar, dass der gewählte Weg den Realismus verstärken will, indem der Zuschauer Mäuschen spielen darf.

Am Rande des Wahnsinns

Im Laufe der Handlung erfolgt der eine oder andere Twist (leider auf Kosten der Glaubwürdigkeit), der den Aufenthalt in Highland Creek verschärft. Schließlich ist selbst für den Zuschauer unklar, wie Sawyers geistiger Zustand nun tatsächlich aussieht – man traut dem Film jede mögliche Wendung zu. Stellenweise ist das Verhalten aller Beteiligten Personen derart seltsam, dass man sich mehr als nur einmal fragt, wo denn da was genau im Argen liegt. Eine unfreiwillige Selbsteinweisung kommt als Thematik nicht von irgendwoher. Die Masche des Krankenhauskonzerns Highland Creek, Patienten mittels undurchsichtiger Dokumente zu behalten um abzukassieren, dient als Aufhänger für Sonderberghs Kreuzzug gegen die Krankenhaus- und Pharmaindustrie. Bereits in seinem Medikamenten-Thriller Side Effects aus dem Jahre 2013 übte er Kritik am Gesundheitssystem. Konsequent zu Ende geführt ist der Aufhänger hier nicht, da Tempo und Dynamik der Handlung schließlich überwiegen und der Aufhänger in der zweiten Hälfte weitgehend in Vergessenheit gerät, womit es lediglich bei einem kritischen Ansatz bleibt. Doch schwer fällt das nicht ins Gewicht, denn mit zunehmender Spielzeit häufen sich die Überraschungen. Claire Foy gelingt es, die Glaubwürdigkeit ihrer Figur immer wieder ins Wanken zu bringen. Dabei sammelt sie mit ihren bissigen Bemerkungen jede Menge Sympathiepunkte beim Zuschauer, der anschließend wieder von ihrer Wahrnehmung verwirrt wird – stark!

Der Psychiatrie-Thriller Unsane – Ausgeliefert sieht nicht sonderlich einladend aus, weiß aber das Beste mit seinem Indie-Look anzufangen. Dem Drehbuch verzeiht man so manche Ungereimtheiten angesichts der Ideen, mit denen der Zuschauer bei Stange gehalten wird. Und schließlich sind da noch Claire Foy und Joshua Leonhard, deren Katz- und Mausspiel nahezu endlos erscheint.

 

 

 

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Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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