Runaways (Band 1)

Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Jugendlicher im Hormontaumel der Pubertät nichts fieser findet als die eigenen Eltern. Im Normalfall verwächst sich diese Phase und die Erwachsenen haben doch meist Recht. Aber in einer Welt voller Helden gibt es Superschurken und die gründen manchmal auch eine Familie. Panini bringt mit Marvels Runaways den idealen Leitfaden für Teens in einer misslichen Lage auf den Lesemarkt: Hilfe, meine Eltern wollen die Welt beherrschen! Ein über 400 Seiten starkes Abenteuer voller Magie, technischer Wunderwerke und Power-Nickerchen?!

  

Alex Wilder, Nico Minoru, Karolina Dean, Chase Stein, Gert Yorkes und Molly Hayes haben nicht besonders viel gemein. Aber einmal im Jahr treffen sich die Eltern der sechs, um sich ganz ihrer Wohltätigkeitsorganisation zu widmen. Die Kinder werden dabei mitgeschleift und sollen sich zusammen beschäftigen. Aber weil die Teens im Alter von zwölf bis 17 ein wenig gelangweilt sind, beschließen sie, einfach mal die Eltern zu bespitzeln. Statt sich in der hauseigenen Bibliothek über Steuern zu unterhalten, haben diese sich in Schale geworfen, diskutieren über Verbrechen und bringen ein Mädchen um. Eine Bande von Superschurken, die sich Pride nennt und den Großraum von Los Angeles unter Kontrolle haben.

Buntes Kräftesammelsurium

Es dauert verständlicherweise ein wenig, bis die Jugendlichen wirklich glauben können, was sie da beobachtet haben, aber die Entdeckungen reißen zunächst nicht ab. Jede der sechs Familien hat eine Art Spezialgebiet, das sie bestens im Marvel-Universum voller Superkräfte positionieren. Die Wilders sind vergleichsweise harmlos als herkömmliche Drogenbosse, die die Straßen beherrschen. Die Minorus können immerhin auf Magie zurückgreifen. Die Deans sind nicht einmal Menschen, sondern Außerirdische, die Steins Wissenschaftler mit waffentüchtigen Erfindungen aller Art, die Yorkes reisen durch die Zeit und die Hayes sind Mutanten. Für Alex, Nico, Karolina, Chase, Gert und Molly ändert sich damit alles, für manche sehr drastisch. Und über allem schwebt die Frage: Was tun? Ohne Beweise können sie sich nicht der Polizei anvertrauen und die Avengers mit all den Superheldenkumpels sind weit entfernt an der Ostküste rund um New York. Es ist dieses Machtvakuum, das aus L.A. einen so idealen Nährboden für eine sinistere Vereinigung wie die der Pride macht. Als die Eltern merken, dass ihre Machenschaften wenig geheim sind, müssen die Kinder sich entscheiden – Helden oder Schurken? Also nehmen sie gemeinsam Reißaus.

Perfekter Einstieg für Comicneulinge

Originaltitel Runaways
Jahr 2003
Land USA
Genre Superpowers, Drama
Autor Brian K. Vaughan
Zeichner Adrian Alphona (pencil), Craig Yeung (ink)
Verlag Panini Comics (2018)

Panini bringt den bereits im Jahre 2003 erschienenen Comic 2018 erstmals nach Deutschland und das gleich im schmucken Sammelband, der die ersten 18 Einzelhefte beinhaltet. Das ist eine in sich komplett geschlossene Handlung und damit ein idealer Kandidat für all diejenigen, die gern mal einen ersten Zeh ins mächtige Superheldengewässer setzen möchten. Außerdem bietet es sich als Teen-Serie super für etwas jüngere Leser an, die keine Lust auf die erwachsenen Figuren vom Schlag eines Captain America haben. Die Story ist Teen-Angst gepaart mit Selbstfindung vom Feinsten. Beispielsweise ist es geschickt gemacht, dass Molly, die jüngste von ihnen, immer wieder versucht auf sich aufmerksam zu machen und Fragen über ihren Körper stellen möchte. Alle weichen ein wenig aus oder nehmen an, dass das Mädchen seine erste Periode bekommt. Tatsächlich aktiviert sich aber Mollys X-Gen und ihre Mutantenkraft erwacht. Mit einem Schlag kann sie selbst Wolverine aus den Socken hauen, aber nach einer solchen Anstrengung benötigt sie zunächst ein Schläfchen. Autor Brian K. Vaughan (Saga, Paper Girls 1, 2, 3) legt großen Wert darauf, die Figuren greifbar zu gestalten. Da gibt es unerwiderte Liebe, bockige Kommentare, alltäglich wirkende Reibereien und manchmal unüberlegte Momente. Nicht jede Entscheidung lässt die Runaways in einem guten Licht erscheinen und manchmal kommt ein etwas düsterer Seelenstriptease dabei raus. So treffen die Ausreißer etwa auf einen Vampir und Karolina ist bereit sich für die anderen zu opfern, denn zum einen hat sie Angst ebenfalls so böse zu enden wie ihre Eltern und kommt zum anderen noch nicht mit ihrer eigenen Homosexualität zurecht. Der Suizidgedanke führt allerdings nicht zu einer Dauerdepression.

Klare Panelaufteilung und gut gesetzte Splash Pages

Die Zeichnungen von Adrian Alphona (Ms. Marvel) tun ihr Übriges, um die Charaktere zu erden. Auch wenn sie sich ein paar Codenamen überlegen, wird die Idee von Kostümen schnell über Bord geworfen. Straßentaugliche Klamotten mit einer persönlichen Note sind angesagt. So trägt Nico etwa immer ein Goth-Gewand, das bestens zur Erprobung ihrer magischen Fähigkeiten passt. Alphona darf sich aber immerhin bei der Pride in bester Marvel Manier austoben und den Ehepaaren einen schicken Partnerlook verpassen. Während die Eltern sich voneinander abgrenzen und Misstrauen untereinander herrscht, sind die Kinder dabei zu einer Einheit zu werden, was sich so widerspiegelt. Im Mittelteil des Sammelbandes rücken die Eltern allerdings auch mal ein wenig in den Hintergrund und die Runaways finden ein paar kleinere Probleme, die sie bewältigen müssen. Die Rahmenhandlung kommt aber mit einer emotionalen Achterbahnfahrt zu ihrem Ende.

Runaways zählt seit langem zu meinen Lieblingsreihen aus dem Hause Marvel, da ich Coming of Age Geschichten kaum widerstehen kann. Es ist zudem extrem reizvoll zu lesen, wie die Teens nicht alle für sich eine Superheldenkarriere einschlagen, sondern dem Begriff der Familie eine neue Bedeutung beimessen müssen und einen Platz in der Welt suchen. Vaughan hat einen wunderbaren Cast an jungen Charakteren geschaffen, der eine große Bandbreite an Lesern ansprechen dürfte, da verschiedene Archetypen vertreten sind. Es ist außerdem angenehm, dass Runaways Teil eines größeren Universums ist, die großen Crossover Events die Serie aber nur leicht streift. Ein tolles Bonbon ist für mich dabei auch der Gastauftritt von Cloak und Dagger (Ende der 80er erschien ihre Serie als Licht & Schatten in Deutschland bei Bastei Lübbe, ein Comicschatz aus Kindertagen). Zwei von Marvel fast vergessene Figuren wurden perfekt eingearbeitet, denn sie sind die Prototypen der Teen-Ausreißer. Und Panini schlägt fast zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn nicht nur startet in Deutschland bald die TV-Serie zu Runaways, in den USA kommt im Sommer auch noch Cloak & Dagger auf den Schirm. Es wird höchste Zeit, all diese Charaktere auch hierzulande kennenzulernen. Also genug Gründe, die Serie zu lesen. Und den Dinosaurier hab ich noch nicht mal erwähnt.

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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MadameMelli
Redakteur
10. April 2018 11:03

Du hast mich definitiv neugierig auf den Comic gemacht! Den muss ich mir aus meiner Bibliothek einmal bestellen und lesen. Außerdem: Dinosaurier! Ich muss sofort an die eine Doctor Who Folge denken – da hat man Dinosaurier auch nicht erwartet 😉

Ayres
Redakteur
30. Juli 2018 13:12

Liest sich alles sehr spannend und ich habe den ersten Band nun auch schon länger auf meiner Einkaufsliste stehen. Gibt es denn irgendwelche Angaben, wann mit Band 2 zu rechnen ist? Oder wie viele das insgesamt werden sollen? Die 40 Euro lohnen sich sicherlich vom Preis-Leistungsverhältnis her, wollen aber finanziell dennoch eingeplant werden.