Little Nightmares

Das Horror-Game Little Nightmares aus dem Jahre 2017 bietet aufgrund seiner vagen Story und den quasi unerschöpflichen Möglichkeiten an Alpträumen ein beliebig ausbaubares (Spiel-)Universum. Das sowie die große (und vermutlich kaufwillige, da angefixte) Fan-Gemeinde schien eine Ausweitung des Universums auf das Medium Comic zu rechtfertigen. Bislang erschienen: ein Sammelband mit den Ausgaben #1 und #2. Seitdem stockt die Produktion – vielleicht, weil nicht jedes Game für eine Adaption geschaffen ist.

  

Der Comic zu Little Nightmares erzählt ebenso wie das Game die Geschichte von Six, einem kleinem Mädchen in einem knartschgelben Regenmantel, das versucht, aus dem alptraumhaften Schlund zu entkommen. Bei ihrer Flucht trifft sie allerdings (und das ist der Unterschied zum Game) auf eine kleine Gruppe von anderen Kindern, die sich – versteckt in den Eingeweiden des Schlunds – um ein Feuer scharren und sich Geschichten von den schrecklichen Dingen erzählen, die sie an diesen Ort brachten. In jeder dieser Geschichten tritt ein Monster mit einer massigen, herunter hängenden Visage auf, das die Hoffnungslosigkeit der Kinder wie ein Bluthund aufzuspüren vermag. Six beschließt bei den Kindern zu verweilen und ihnen zuzuhören.

Ein Resort für die fette Elite

Im Spiel selbst hat der Spieler zu keinem Zeitpunkt auch nur eine Ahnung davon, was wirklich abgeht. Das Game gibt lediglich kleine Hinweise und verstörende, wortlose Enthüllungen, die zu etlichen Fan-Theorien führen, von denen keine den Anspruch auf absolute Gültigkeit erheben kann. Little Nightmares ist ein einziges großes Mysterium und aufgrund dessen so erfolgreich. Umso enttäuschender liest sich der Klappentext des Comics, der einfach mal plump alles offen legt und dem Schlund die Faszination raubt, indem er ihn zu einen „Resort“ macht. Allerdings muss man auch sagen, dass die Story von Autor John Shackleford (der mit Little Nightmares sein Comic-Debüt feiert) alles andere als klar gestaltet ist, so dass man neben dem Fakt, dass es ein „Resort“ sein soll, nicht wirklich etwas Neues dazu lernt.

“Also, wie kommst du hier her? Was hast du gesehen?”

Originaltitel Little Nightmares
Jahr 2017
Land USA
Genre Horror
Autor John Shackleford
Zeichner Aaron Alexovich
Verlag Titan Comics

Insgesamt werden am Lagerfeuer drei Geschichten erzählt. Die Story von Six liest sich dabei wie ein Strom des Bewusstseins: Einfach nur Gedanken, die mit entsprechenden Bildern unterlegt sind. Nicht jedermanns Sache. Die zweite Geschichte namens „Tale of the North Wind“ ist ein an die Brüder Grimm erinnerndes Märchen über den Nordwind, der über trostlose Landschaften hinweg einem Jungen und seiner Schwester nachspürt und den beiden bzw. vor allem dem Jungen eine erschütternde Wahrheit offenbart. Diese Erschütterung nimmt man als Leser allerdings nicht wirklich als solche wahr, da der Zeichenstil von Aaron Alexovich (Invader Zim) eher infantil-poppig wirkt und der dunklen, defätistischen Stimmung, die Autor John Shackleford erzeugen will, eher entgegen wirkt.
Die letzte Geschichte kommt wieder ganz ohne Titel aus und handelt vom typischen Vierer-Squad, das für den jugendlichen Kick und wider besseren Wissens in ein altes Gruselhaus einbricht. Dort finden sie einen Raum mit unzähligen Spiegeln vor, die ihnen ihre größten Wünsche erfüllen – gegen einen hohen Preis. Gerade die letzte Story leidet unter der schnellen Strichführung und den seltsam geformten Panels, so dass man dem Geschehen nur schwer folgen kann.

Fortsetzung folgt nicht. Oder doch?

Ursprünglich plante man für die Comic-Adaption von Little Nightmares vier Ausgaben ein, doch bereits im Juli 2017 hieß es: „Issue 3 is cancelled.“ So erschien also im Oktober 2017 der Komplettband mit den zwei bereits erschienenen Ausgaben und damit wurde die Sache ad acta gelegt. Scheinbar – denn Midtwon Comics listet den dritten Band erneut in der Datenbank. Allerdings wird der Termin für die Veröffentlichung immer wieder rege verschoben, es bleibt also spannend.

Der Comic wirkt unorganisiert, der Zeichenstil irgendwie chaotisch, es fehlt der storytechnische Fokus. Ein Großteil liest sich wie schlechter Poetry Slam und die einnehmende Atmosphäre des Games ist so gut wie gar nicht vorhanden. Die Faszination vom originalen Little Nightmares liegt in der speziellen Game-Ästhetik, in der Prämisse, in der Isolation von Six, im Zwang als Spieler immer weiter den Schlund durchqueren zu müssen, geradewegs in die Arme des nächsten Monsters hinein, obwohl man nicht will – denn sonst geht’s ja nicht weiter, gell. Auf Papier fällt das alles weg. Also muss der Comic storytechnisch was bieten können, aber auch da ist nur heiße Luft. Nach der Lektüre ist man nicht viel schlauer als vorher. Eher verwirrter. Dem Erscheinungsdatum nach kann man den Comic nur als Werbung für die DLC verstehen – als ziemlich schlechte Werbung.

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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Ayres
Redakteur
3. Juli 2018 20:08

Der Zeichenstil wirkt so heftig wuselig, dass ich echt Bedenken hätte, ob ich hierbei am Ball bleiben könnte.