Marlina – Die Mörderin in vier Akten

Der Western zählt zu den männlichsten Genres. Dass ausgerechnet aus Indonesien ein femininer Gegenentwurf kommt, ist ungewöhnlich. Mit Marlina the Murderer in four Acts feierte ein außergewöhnlicher Titel seine Premiere auf dem Fantasy Filmfest 2017. Ein weiterer Beitrag über die durch den Mann unterdrückte Frau, welche in diesem Fall einen ungewöhnlichen Weg wählt: Sie will sich selbst anzeigen.

  

Indonesien: Marlina ist eine junge Witwe, die erst kürzlich ihren Mann verloren hat. Dieser sitzt frisch mumifiziert in der Ecke ihrer Wohnung. Es spricht sich schnell herum, dass die junge Frau nun alleine in der kleinen Hütte lebt und nach kurzer Zeit erhält sie Besuch von einem Mann, der ihr Unfassbares ankündigt: Seine Freunde seien bereits auf dem Weg zu ihr um die Hütte zu plündern und sie anschließend zu vergewaltigen. Als sei es das Normalste auf der Welt, lautet ihr Auftrag, nun eine Hühnersuppe für die ankommenden Gäste vorzubereiten.

Es brodelt unter der Oberfläche

Originaltitel Marlina the Murderer in four Acts
Jahr 2017
Land Indonesien
Genre Drama
Regisseur Mouly Surya
Cast Marlina: Marsha Timothy
Markus: Egy Fedly
Novi: Dea Panendra
Franz: Yoga Pratama
Laufzeit 90 Minuten
FSK keine Angabe

Marlinas Weg führt sie schnell weg aus der Hütte und es beginnt ein Roadmovie im entferntesten Sinne. Dabei bleibt die Stimmung stets angespannt bis ruhig, denn weder ist die Gefahr überschaubar, noch einschätzbar. Zwar agiert Marlina vorsichtig, doch teilweise lethargisch bis teilnahmslos, was im Grunde auch kein Wunder ist, wenn die Umstände berücksichtigt werden: Viel zu verlieren hat sie nicht mehr, mal abgesehen von ihrem eigenen Leben. Für den Zuschauer wird es dadurch allerdings nicht einfacher, am Schicksal der Frau Teilhabe zu finden. Dabei nimmt die Reise sogar durchaus witzige Züge an, bei denen nicht immer klar ist, ob beabsichtigt oder nicht: Wenn Marlina mit dem Kopf ihres Peinigers Markus im Bus durch die Pampa fährt und alle das hinnehmen, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, ist nicht direkt ersichtlich, ob hier einfach nur ein Kulturenclash vorliegt oder die Figuren für unser Verständnis ungewöhnlich handeln. Hinzu kommen eine aufgedrehte Hochschwangere und ein kopfloser Musiker, die den Trip zu einem Delirium machen.

Trotz aller Widrigen bleibt der Grundton stets ruhig. Marlina the Murderer in four Acts möchte gar nicht mitreißen, sondern die Justiz anprangern, die wegsieht und die Frauen zurücklässt, sodass sie selbst sehen müssen, wo sie bleiben.

Eine Hommage an den Western

Gepaart mit seinen fremdländischen Einflüssen und der Verneigung vor Westernstreifen ist dieser indonesische Beitrag sicherlich absolutes Nischenkino. Regisseurin Mouly Surya liefert mit Marlina the Murderer in four Acts ein Gegenkonzept zu männlich dominierten Actionkrachern. Parallelen zu Quentin Tarantinos Kill Bill sind allerdings nicht von der Hand zu weisen: Die Einteilung in vier Kapitel, die Marlinas Reise beschreiben sowie der Soundtrack im besten Ennio Morricone-Stil wecken Erinnerungen. Die Kameraarbeit findet beinahe ausschließlich in Totalen statt, sodass häufig ein konzentriertes Auge gefordert ist, um keine Handlung zu verpassen. In so mancher Szene schleicht sich dadurch auch Leerlauf ein, denn die fehlenden Schnitte zögern einzelne Momente in die Länge. Wenn Personen den starren Kamerawinkel verlassen, kann es vorkommen, dass für einige Sekunden Stille herrscht. Angesichts der schattenarmen Landschaft tragen Widescreen-Aufnahmen zur besonderen Bildkomposition bei. Immerhin gehen Bild und Story hier Hand in Hand: Die Ödnis in Kombination mit der drögen und höhepunktlosen Geschichte macht den Film trotz jeglicher Aufreger über das Subjekt “Mann” zur Ereignislosigkeit.

Marlina the Murderer in four Acts ist alles andere als ein typischer Rape & Revenge-Thriller: Die Protagonistin geht auf emotionalen Abstand zu den Ereignissen und die Wucht des Stoffes kommt nur selten zum Tragen. Der Titel kollidiert nur zu häufig mit westlichen Sehgewohnheiten, die von vielen Schnitten geprägt und es nicht gewohnt sind, Geduld für das Vorbeigehen einzelner Szenen aufzubringen. Das langsame Erzähltempo verlangt ordentlich Sitzfleisch ab und die wenigen greifbaren Figuren machen es einem Massenpublikum schwer, hier bis ans Ende zu gelangen. Ein Film, der voraussetzt, dass man auch gewillt ist, sich auf ihn einzulassen. Meine Offenheit habe ich hier leider auch überschätzt: Obwohl stets schön anzusehen dank der zahlreichen Naturaufnahmen, war ich inhaltlich weit davon entfernt, Teil des Films zu werden. Doch genau solche Filme sind auf dem Fantasy Filmfest zu Hause.

 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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