Death Note (2017)

Irgendwann trifft es alle Erfolgsformeln: Eine Film- und Fernsehgesellschaft (Warner Bros.) bekommt mit, dass ein Titel im fernen Japan große Erfolge auf dem Print- und Bewegtbildmarkt feiert, also müssen schnell die Rechte daran gesichert werden, ehe es ein anderer macht. Der Erfolg von Death Note ist beispiellos: Ein Manga machte den Anfang, es folgten eine Animeserie, eine Realserie, drei Live Action-Filme und nun auch die amerikanische Variante des Hits. Fans dürfen aufschreien – Hollywood hat wieder einmal zugeschlagen!

 

Dem Schüler Light Turner fällt buchstäblich aus heiterem Himmel ein Notizbuch vor die Füße. Zeitgleich erscheint ihm der Todesgott Ryuk und erklärt ihm die Spielregeln, die das sogenannte “Death Note” mit sich bringt: Schreibt man den Namen einer Person, der man einen Namen und ein Gesicht zuordnen kann, in dieses Buch, so stirbt diese. Todesdatum und -umstände lassen sich beeinflussen. Berauscht von seinen neuen Fähigkeiten legt Light los und straft Verbrecher für ihr Vergehen mit dem Tode ab. Doch als immer mehr Schurken fallen und auch die Ermittlungen von Lights Vater James – Polizeiinspektor – ins Leere laufen, wird der Meisterdetektiv L auf den Plan gerufen. Es entbrennt ein Katz- und Mausspiel.

Das berühmte Stück Kuchen

Sobald das Erfolgsrezept angewandt wird, der daraus entstandene Kuchen besonders gut schmeckt und weitere Hungrige zu Tisch bittet, die alle ein Stück ab haben wollen, ist klar: Eine Kuchenfabrik muss eröffnet werden. Der Anime zu DEATH NOTE wurde von 2006 bis 2007 in Japan ausgestrahlt und konnte Fanmassen um sich scharen. Bereits 2008 schlug Warner zu. Duo Charles und Vlas Parlapanides wurden für das Drehbuch verpflichtet, produzieren sollten den Film Roy Lee, Doug Davison, Dan Lin und Brian Witten. Lange Zeit passierte nichts, bis 2011 bekannt wurde, dass mit Shane Black nun auch ein Regisseur gefunden war, der vier Jahre später durch Adam Wingard (Blair Witch) ersetzt wurde. Ähnlich wie Ghost in the Shell schiffte das Projekt irgendwo durch den Gerüchteküchenozean bis Warner Bros. nach acht Jahren entschied, das Projekt doch nicht mehr weiterverfolgen zu wollen. Winegard durfte die Rechte als Regisseur allerdings weiter geltend machen. Kurz darauf schlug Netflix zu und sicherte sich den gesamten Kuchen für einen Kampfpreis von $ 40-50 Millionen Dollar.

Eigene Interpretation der Vorlage mit Schwächen im Drehbuch

Originaltitel DEATH NOTE
Jahr 2017
Land USA
Genre Fantasy, Crime, Drama
Regisseur Adam Wingard
Cast Light Turner: Nat Wolff
L: Lakeith Stanfield
Mia Sutton: Margaret Qualley
James Turner: Shea Whigham
Ryuk: Jason Liles
Watari: Paul Nakauchi
Laufzeit 101 Minuten
FSK

Lässt man einmal alle Vergleiche zur Vorlage außer Acht, muss man anerkennen, dass Death Note (2017) durchaus sein eigenes Ding macht. Neben Light wird mit Mia (im Original Misa) eine weitere Hauptfigur frühzeitig etabliert, sodass sich die beiden als Duo durch die Weltgeschichte morden. Ein interessanter Ansatz, der jedoch von der Tatsache getrübt wird, dass die Macht der beiden nicht zu knapp eingeschränkt wird: Der Todesgott Ryuk ist anders als im Original nicht Lights Untergebener, sondern besitzt seinen eigenen Kopf. Er nutzt das Death Note ebenfalls rege, was dazu führt, dass die Beziehung zwischen Light und Ryuk zu einem Abhängigkeitsverhältnis wird. Somit hat Light ein Problem mehr an der Backe, denn legt er sich mit dem Todesgott an, besteht die Gefahr, selbst namentlich im Buch zu landen. Mit dieser Unbekannten in der Rechnung wird nicht nur Lights Position geschwächt, sondern auch Ls. Als Gegenspieler fehlt es ihm an Präsenz, und das Drehbuch ließ es sich auch nicht nehmen, ihn möglichst originalgetreu darstellen zu wollen. Mit seiner extremen Vorliebe für Süßigkeiten und den unbequemsten Sitzposen überhaupt wirkt dieser L alles andere als bedrohlich und hinterlässt den Eindruck einer Karikatur.

Die Sache mit der Logik

Das alles wäre nicht dramatisch, wenn die Netflix-Produktion ein angemessenes Tempo besäße, um die Geschichte immerhin in kompakter Form zu erzählen. Dass das funktionieren kann, bewiesen bereits die Realverfilumgen von 2006 aus Japan. Diese erzählten auch ihre eigene Geschichte, allerdings wesentlich stimmiger. Hier hingegen muss vieles derart schnell passieren, dass der mitdenkende Zuschauer so einige Male das Verhalten von Mia und Light hinterfragen wird. So driftet Mia völlig ab und spielt zeitweise gegen Light – also ein weiterer Risikofaktor.

Die Motivation der Figuren pendelt zwischen nicht nachvollziehbar und von Wahnsinn getrieben. Insgesamt ein sehr unausgewogenes Seherlebnis, allerdings durchaus schwungvoll in Szene gesetzt. Adam Wingard bewies bereits mit You’re Next und The Guest, dass ihm das Spiel mit dem doppelten Boden liegt. Wenn Death Note (2017) erst einmal mit seinen Plottwists loslegt, dann durchaus mit der Wucht, Zuschauer, die das Original nicht kennen, effektvoll zu überraschen. Insbesondere seine Bildarbeit spricht für ihn: Das Finale auf dem Riesenrad ist das optische Highlight des Films, doch auch ruhige Szenen wie die dramatische Gegenüberstellung von Light und L in einem Café vor verregneter Scheibe besitzen einen hohen Wiedererkennungswert.

Und nun der Vergleich…

Bei so viel Vergleichsmaterial muss Death Note (2017) natürlich einiges über sich ergehen lassen. Dabei fallen die äußerlichen Änderungen vollkommen legitim aus: Die Namen sind minimal amerikanisiert und L wird mit Keith Stanfield (Get Out) von einem afroamerikanischen Schauspieler verkörpert. Eher sind es die inhaltlichen Abänderungen, die sauer aufstoßen. So ist es nicht Light, der die Macht über das Geschehen der Welt besitzt, sondern Ryuk. Der Todesgott hat bereits die ehemaligen Träger des Death Notes auf dem Gewissen und entscheidet selbst, was passiert. Somit wird der Machtkomplex Lights deutlich eingeschränkt, was seiner Figur den zweifelhaften Glanz raubt. Das Ende deutet es bereits an: Es sind alle Optionen für eine Fortsetzung offen gehalten worden.

Wann immer eine Ankündigung eines Remakes oder einer Adaption eines beliebten Stoffes die Runde macht, ist erst einmal Luft anhalten angesagt. Die Gefahr, dass das Filmformat und die Ausrichtung auf ein Massenkino dem inhaltlichen Anspruch nicht gerecht werden, ist hoch. Leider gehört Death Note (2017) zu den negativen Beispielen, die den Kern des Originals entfremden und speziell in diesem Fall auch noch den Bogen überspannen. Eine Figur wie Light ist bereits der Überzeichnung nahe, doch dieser Light Turner verlässt für meinen Geschmack zu häufig die Grenzen des Möglichen. Zuschauer, die überhaupt noch nie mit der Todesnotiz in Berührung gekommen sind, werden sich an vielen Selbstverständlichkeiten stören und so manches Logik-Hindernis überwinden müssen.

 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Lyxa
Redakteur
30. September 2017 10:43

Hatte beim Anschauen das schöne Erlebnis, dass zeitgleich zum anfänglichen Sturm im Film es bei mir auch anfing zu stürmen und zu regenen. Trotz des realweltlichen Stimmungsboosts fand ich den Film aber bestenfalls “okay”. Lakeith Stanfield als L fand ich im Gegensatz zu dir ziemlich gut, ansonsten hat es mich gewundert, wie stark die Horrorschiene gefahren wird und wie ungenial Light ausgefallen ist. Man vergleicht irgendwie andauernd und kommt zum Schluss, dass das Original bedeutend besser ist.

Totman Gehend
Mitglied
30. September 2017 16:14

In einer Sache muss ich den Film aber dann doch mal kurz loben: Ryuks Darstellung. Nicht so plastisch und reingestanzt wie in der japanischen Serie, sondern schön diffus und dreckig.

Shatiel
Shatiel
14. Oktober 2017 15:48

Ich muss gestehen, dass ich den Manga nur teilweise gelesen habe, den ersten jap. Realfilm gesehen habe und den Anime nicht kenne. Von daher kann ich wenig darüber sagen, ob der Film der Vorlage gerecht wurde.

Grundsätzlich bin ich aber eher ablehnend dem Film gegenüber. Das beginnt schon bei Light an sich, der mir zu wenig größenwahnsinnig, zu wenig skrupellos (Ende des ersten jap. Realfilmes) und zu wenig intelligent war. Dazu noch, dass er im Gegensatz zum Original einen Grund hat, Verbrecher zu hassen und eben nicht aus einer perfekten Familie kommt.

L war an und für sich ok, aber teilweise konnte ich seine Entscheidungen gar nicht nachvollziehen. Und grundsätzlich empfand ich den L der Realversion (auch wenn Sachen wie Sitzhaltung, Süßigkeitentick, … die in Manga und wohl auch Anime funktionieren auch in der jap. Originalfassung ein bisschen over the Top waren) als ernstzunehmender.

Und noch ein Punkt: Kira leitet sich in Anime und Manga ja offenbar vom englischen Killer ab und ist somit eine Japanifizierung. Wieso man in einem US-Setting einen Namen, der im japanischen Kontext Killer (oder auch Herrscher) bedeutet und ansonsten nur ein Mädchenname ist, nimmt?

Alva Sangai
Redakteur
11. November 2017 13:19

Hab den Film noch nicht gesehen, aber wirklich Lust hab ich auch nicht auf ihn. Die Szenen die ich daraus gesehen habe, haben mir schon gereicht. Den Schauspieler von Light find ich ja noch in Ordnung, aber was man aus Light im Film gemacht hat, gefällt mir so gar nicht. Was für ein Loser…
Da schaue ich lieber wieder die Serie von 2015 an, wenn sie auf BD erscheint. Zwar gibt es dort auch Änderungen, aber ich finde Masataka Kubota als Light und Kento Yamazaki als L super. Generell ist die Serie recht gut und spannend gemacht.